Anfang Juli hat die Trump-Regierung Ernst gemacht und Menschen in den Südsudan abgeschoben – obwohl sie zu dem Land keinerlei Bezug haben. Auch in der EU ist längst eine Debatte über Abschiebungen in Drittstaaten entbrannt. Was die Praxis so problematisch macht und warum der Südsudan die Abschiebungen überhaupt mitmacht.
In Großbritannien wurde die Idee bereits diskutiert, in der EU gibt es Bestrebungen,
Anfang Juli hat die US-Regierung acht Männer in den Südsudan abgeschoben – obwohl sie bis auf einen überhaupt nicht die Staatsbürgerschaft des afrikanischen Staates besitzen. Sie stammen hingegen aus Myanmar, Kuba, Mexiko, Laos und Vietnam und hatten keinerlei Bezug zum Südsudan.
Trump löst Wahlversprechen ein
Wenige Wochen zuvor hatte ein US-Bundesrichter die Abschiebung der Männer vorläufig gestoppt. Der Oberste Gerichtshof – wo es eine konservative Mehrheit gibt – hob sie Ende Juni jedoch wieder auf.
Dass die Trump-Administration Straftäter in eines der gefährlichsten Länder der Welt abschiebt, kommt für Politikwissenschaftler David Kipp nicht überraschend: "Seit seinem Amtsantritt im Januar hat US-Präsident Donald Trump darauf gedrängt, Abschiebungen zu beschleunigen, auch indem er Migrantinnen und Migranten in Drittländer schickt, wenn es Probleme oder Verzögerungen bei der Abschiebung in ihre Heimatländer gibt", erinnert er.
Südsudan eines der gefährlichsten Länder der Welt
Diese kämen beispielsweise durch die fehlende Bereitschaft der Herkunftsländer zustande, Reisedokumente auszustellen – etwa, weil diplomatische Beziehungen fehlen oder die Personen vorbestraft sind. Zusammen mit dem Jemen und dem Sudan zählt der Südsudan laut dem "Institute for Economics and Peace" zu den gefährlichsten Ländern der Welt.
"Das Ganze ist Teil einer auch gegenüber der ersten Trump-Amtszeit deutlich verschärften US-Migrationspolitik, denn schon damals hatte Trump erfolglos versucht, Asylverfahren nach El Salvador, Guatemala und Honduras auszulagern", erinnert Kipp. Angesichts der großen Bedeutung des Themas für die MAGA-Bewegung wolle die US-Administration nun alle möglichen Hebel in Bewegung setzen.
Bei Trumps Anhängern kam das gut an. Tricia McLaughlin, Sprecherin des US-Heimatschutzministeriums, bejubelte, dass die so wörtlich "kranken Gestalten" endlich abgeschoben worden seien.
Weitere Drittstaaten im Gespräch
"Die US-Administration hat das Vorgehen zunächst mit Abschiebungen in ein berüchtigtes Gefängnis nach El Salvador erprobt und hat über 50 – meist ärmere Länder – kontaktiert, um die Praxis auszuweiten", so der Experte. Laut einer Recherche der "New York Times" sollen beispielsweise auch Libyen, Liberia, Senegal, Guinea-Bissau, Mauretanien und Gabun im Gespräch sein.
Samuel Hagos, Migrationsforscher am Deutschen Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung, sagt: "Durch undurchsichtige bilaterale Abkommen werden fragile Staaten unter Druck gesetzt, sogar Nichtstaatsangehörige zurückzunehmen – meist im Austausch für Entwicklungshilfe oder politische Zusammenarbeit." Mit diesem Ansatz wolle Trump rechtliche Hindernisse umgehen. Doch das geschehe oft auf Kosten der Menschenrechte und untergrabe internationale Verpflichtungen.
Experte: Völkerrecht ist eindeutig
Hagos hält die Abschiebung nach internationalem Recht nicht für zulässig. "Die Ausweisung von Personen in Drittstaaten wie den Südsudan verstößt gegen grundlegende Normen des Völkerrechts, insbesondere gegen den Grundsatz der Nichtzurückweisung", sagt der Experte.
Dabei sei das Völkerrecht eindeutig: Niemand dürfe in ein Land ausgewiesen werden, in dem ernsthafte Gründe für die Annahme bestehen, dass er dort Gefahr läuft, gefoltert zu werden, zu verschwinden oder willkürlich hingerichtet zu werden.
Die Bundesregierung warnt vor Reisen in den Südsudan und fordert deutsche Staatsangehörige dringend zur Ausreise auf. Grund für die fragile Sicherheitslage sind zum Beispiel terroristische Anschläge, Überfälle und gewaltsame Konflikte. Auch die US-Regierung rät ihren Bürgern dringend von Reisen in das Land ab.
Verstoß gegen Genfer Flüchtlingskonvention
"Der Südsudan verfügt weder über faire Asylverfahren noch über angemessene Schutzstandards", sagt Hagos. Da die Betroffenen keine rechtlichen oder familiären Bindungen zum Aufnahmeland hätten, handele es sich außerdem um eine Zwangsumsiedlung – nicht um eine Rückkehr. Das verstoße unter anderem gegen die Genfer Flüchtlingskonvention.
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Auch Experte Kipp hält die Praxis für problematisch: "Die Überstellungen in Drittländer finden ohne klare Sicherheitsgarantien, mit minimaler Vorwarnzeit und eingeschränktem Recht auf richterliche Überprüfung statt."
Südsudan hat viel zu verlieren
Doch der Südsudan hat wenig zu gewinnen, aber viel zu verlieren. "Es handelt sich um eine Einschüchterung von einem der ärmsten Staaten weltweit – drei Viertel der Bevölkerung hängt von internationalen Hilfsleistungen ab", ist sich Kipp sicher. Für den Südsudan sei es von großer Bedeutung, dass die USA Berichterstatter für das arme Land im UN-Sicherheitsrat sind.
Über 9 Millionen Menschen sind nach Angaben des "UNHCR" im Südsudan auf humanitäre Hilfe angewiesen, mehr als 4 Millionen wurden bereits vertrieben. Und die USA haben weitere Druckmittel, sollte der Südsudan nicht mitmachen: "Das letzte Mal, als der Südsudan sich geweigert hat, einen fremden Staatsbürger aus den USA aufzunehmen, haben die USA alle Visa für Südsudanesen zurückgenommen", erinnert Kipp.
Auch die EU debattiert
"Die Aufnahme zusätzlicher Rückkehrer – oft ohne rechtliche Bindung an das Land – überlastet die ohnehin schon schwachen Institutionen und sorgt für politische Unruhen", fürchtet derweil Hagos.
Auch die EU-Länder debattieren über Abschiebungen in Drittstaaten. "Die Bundesregierung unterstützt die Streichung des sogenannten Verbindungselements in der Asylverfahrensverordnung der EU", sagt Kipp. Damit solle ermöglicht werden, Asylsuchende in sichere Drittstaaten zu überstellen – selbst, wenn sie zu diesen Staaten keinerlei persönliche oder geografische Verbindung haben.
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Radikales Vorgehen wie in den USA?
"Das geht mit einer grundsätzlichen Offenheit gegenüber der Auslagerung von Asylverfahren und gegebenenfalls auch des Flüchtlingsschutzes in Drittstaaten hin", meint Kipp. Auch wenn Deutschland gemeinsam mit anderen Mitgliedstaaten künftig "innovative Ansätze" ausprobieren wolle, sei es dennoch unwahrscheinlich, dass die Bundesregierung dem radikalen Vorgehen der USA folgt.
"Grund dafür ist, dass die rechtlichen Kontrollinstanzen in der EU und ihren Mitgliedstaaten rechtlich zweifelhaften Praktiken – wie das Vorgehen der USA – aller Wahrscheinlichkeit den Riegel vorschieben würden", meint Kipp. Er rät der Bundesregierung zu einem anderen Weg: Sie solle sich eines "race to the bottom" verwehren und stattdessen Maßnahmen ergreifen, um eine weitere Aushöhlung des internationalen Flüchtlingsschutzes zu verhindern.
Über die Gesprächspartner
- Samuel Zewdie Hagos ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am DeZIM-Institut und forscht zu Flucht, Migration und Integration mit Schwerpunkt auf Ostafrika. Seine Arbeit befasst sich insbesondere mit geopolitischen Ursachen von Zwangsmigration, Klimaflucht und den Erfahrungen Geflüchteter.
- David Kipp ist Politikwissenschaftler bei der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) und arbeitet zu europäischer Asyl- und Migrationspolitik. Er analysiert migrationspolitische Steuerung und berät politische Akteure auf nationaler und EU-Ebene.
Verwendete Quellen
- Auswärtiges Amt: Südsudan: Reise- und Sicherheitshinweise (Reisewarnung)
- US Bureau of Consular Affairs: South Sudan Travel Advisory
- New York Times: Trump Administration Poised to Ramp Up Deportations to Distant Countries (Bezahlinhalt)
- spiegel.de: Aus den USA abgeschobene Einwanderer im Südsudan eingetroffen
- Website des Institute for Economics & Peace