Mit dem 3:0 in Frankfurt untermauert Rekordmeister Bayern München eine Vormachtstellung, wie man sie seit Jahren in der Bundesliga kennt. Und trotzdem ist in der noch jungen Saison etwas anders und trägt einen Namen: Luis Díaz. Der Kolumbianer erinnert an eine Klub-Legende.

Pit Gottschalk
Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Pit Gottschalk dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Als Luis Diaz im Sommer vom FC Liverpool zum FC Bayern wechselte, klangen die Vorbehalte in den Medien brutal wie niederschmetternd: zu alt, zu teuer und ohne Perspektive. Schnell wurden Vergleiche angestellt.

Hatten die Bayern nicht mal Sadio Mané aus Liverpool geholt und den millionenteuren Fehlgriff schnell bereut? Und überhaupt: Wenn er so gut ist – warum darf Díaz dann gehen? Wären die 70 Millionen Euro Ablöse nicht besser in Nick Woltemade angelegt gewesen?

Luis Díaz: Vom Fehlkauf-Verdacht zum Erfolgsgaranten

Inzwischen müssen sogar die größten Kritiker zugeben: Der FC Bayern hat mit Luis Díaz alles richtig gemacht. Fünf Tore und vier Vorlagen in sechs Bundesliga-Spielen: Der 28-jährige Kolumbianer ist neben Torjäger Harry Kane einer der Gründe, warum Bayern München mit sechs Siegen und 25:3 Treffern einen makellosen Rekord in der Liga-Geschichte abliefern konnte. Díaz macht ständig, was Vorgänger Leroy Sané zu selten zeigte: Er kickt mit Herz und Leidenschaft.

Eine Selbstverständlichkeit ist das nicht. Luis Díaz spricht die deutsche Sprache nicht, in der Bundesliga wird Fußball mehr geackert als in der Premier League, die Defensive gehört auch zum Arbeitsbereich eines Starspielers. "Es macht Spaß, mit ihm auf dem Platz zu stehen", sagt Mittelfeldstratege Joshua Kimmich, der ja zusehen muss, dass Abwehr und Angriff im Gleichgewicht bleiben. Díaz beansprucht keine Sonderstellung, wenn's gegen den Ball geht.

Das Ribéry-Erbe lebt wieder auf

Sané ließ sich dafür feiern, wenn er Gegenspielern in die eigene Spielhälfte folgte. Bei Díaz wird das nicht hervorgehoben: Pressing gehört zu seiner natürlichen Spielweise. Er umkurvt Gegenspieler nicht so elegant, wie sein Pendant auf der rechten Seite, Michael Olise. Aber dafür bringt er auf der linken Angriffsseite Knalleffekte, wie sie Sané nie hatte: eine Urgewalt, wenn er mit dem Ball in den Strafraum eindringt, das Überraschungsmoment, die Torgefahr. Das Ribéryhafte.

Ja, richtig gelesen: Mit Luis Díaz kehrt nur zurück, was Bayern München seit dem Abschied des legendären Franzosen Franck Ribéry 2019 vermisst hat. Leroy Sané konnte die Lücke zu keinem Zeitpunkt schließen, weil er immer so kickte, als ob ihn das Spiel nichts anginge. Ob Rückstand oder Sturmlauf: immer derselbe stoische Gesichtsausdruck, dasselbe Tempo. Díaz ist das anders: Man spürt seine Freude am Gemeinschaftswerk Mannschaftssport, er ist Teil davon.

Empfehlungen der Redaktion

Insofern kann man nicht anders, als Sportvorstand Max Eberl zu gratulieren, dass er Luis Díaz und nicht doch Nick Woltemade für die Abteilung Attacke verpflichtet hat. Der junge Deutsche hätte, weil fünf Jahre jünger, Entwicklungszeit benötigt, die man im modernen Fußball selten hat. Mit Díaz im Angriff und Jonathan Tah in der Abwehr hat er zwei Stützpfeiler fürs Mannschaftsgerüst geholt, die Stabilität für die wirklich großen Aufgaben in der Champions League versprechen.