Das Fußballfeld oder das Trainingsgelände als Tatort: Deutschlandweit erleben Kinder und Jugendliche Missbrauch in ihren Vereinen. Das hat eine aktuelle Recherche von Correctiv und "11Freunde" offenbart.

Seit 2020 wurden in Deutschland mindestens 37 strafrechtliche Ermittlungsverfahren eingeleitet, in denen Gewaltdelikte im Fußball gegen Minderjährige verhandelt werden. Das haben Recherchen des Medienhauses Correctiv und des Magazins "11Freunde" ergeben. Die Täter: meistens die Trainer, aber auch andere Autoritätspersonen.

2023 wurde ein Trainer der FSV Waiblingen (Baden-Württemberg) des schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes und des sexuellen Missbrauchs von Kindern in zwei Fällen schuldig gesprochen. Er erhielt eine Bewährungsstrafe. In Brandenburg wurde 2022 ein Jugendtrainer zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt, nachdem er einen Spieler fünfmal missbraucht hatte. Das Opfer war zum Zeitpunkt des Missbrauchs 13 Jahre alt. In Sachsen filmte ein ehemaliger Vorstand heimlich Nachwuchsspielerinnen in den Duschräumen. Er wurde 2023 zu einer Geldstrafe verurteilt.

Mindestens 130 Kinder und Jugendliche waren bei diesen Taten die Geschädigten, die Dunkelziffer solcher Taten dürfte noch deutlich höher liegen.

In einer Online-Befragung von "Correctiv" und "11Freunde" äußerten sich knapp 500 Menschen zu Gewalterfahrungen als Minderjährige im Fußball.

Sexualisierter und psychischer Missbrauch durch Trainer

"Ein Mitspieler und ich waren bei unserem Trainer zu Besuch", zitiert Correctiv einen ehemaligen Jugendspieler aus Bayern, der zum Zeitpunkt der Vorfälle unter 14 Jahre alt war. "Er suchte auch privat sehr oft den Kontakt zu den Spielern. An diesem Abend zeigte er uns einen Porno auf seinem Computer und schien sich sehr dafür zu interessieren, ob das Ansehen des Films bei mir zu einer Erektion führen würde."

Einer Spielerin aus Sachsen wären beinahe ihre Zehen abgestorben, weil sie bei Minusgraden die gesamte Spielzeit auf der Bank ausharren musste, während sich alle anderen Einwechselspielerinnen im Inneren warm halten durften. Sie wurde nach dem Spiel von ihrer Mutter ins Krankenhaus gebracht.

Am häufigsten nennen die Betroffenen sexualisierten und psychischen Missbrauch durch Trainer, aber auch von Betreuern, Schiedsrichtern und Spielerberatern als Täter wird berichtet.

Hilfsangebote

  • Wenn Sie selbst von häuslicher oder sexualisierter Gewalt betroffen sind, wenden Sie sich bitte an das Hilfetelefon "Gewalt gegen Frauen" (116 016 oder online), das Hilfetelefon "Gewalt an Männern" (0800/1239900 oder online), das Hilfetelefon "Sexueller Missbrauch" (0800/225 5530), in Österreich an die Beratungsstelle für misshandelte und sexuell missbrauchte Frauen, Mädchen und Kinder (Tamar, 01/3340 437) und in der Schweiz an die Opferhilfe bei sexueller Gewalt (Lantana, 031/3131 400)
  • Wenn Sie einen Verdacht oder gar Kenntnis von sexueller Gewalt gegen Dritte haben, wenden Sie sich bitte direkt an jede Polizeidienststelle.
  • Falls Sie bei sich oder anderen pädophile Neigungen festgestellt haben, wenden Sie sich bitte an das Präventionsnetzwerk "Kein Täter werden".
  • Anlaufstellen für verschiedene Krisensituationen im Überblick finden Sie hier.

Die Gewalterfahrungen reichen dabei von Filmaufnahmen, Betäubungen mit Medikamenten und Drogen und unsittlichen Berührungen bis zu sexuellen Handlungen und Vergewaltigung. Auch andere Gewaltformen, wie rassistische, antisemitische und homophoben Äußerungen, körperliche Gewalt, Mobbing und andere Arten der Erniedrigung werden von den Betroffenen genannt.

Wie Correctiv und "11Freunde" berichten, spielten fast alle in der Umfrage geschilderten Vorfälle bisher keine Rolle bei Ermittlungsbehörden.

Anwalt Ingo Bott, der Schutzkonzepte für Bundesligavereine entwickelt, erklärte in einem Interview mit unserer Redaktion, worauf Eltern achten sollten: "Vor allem auf gute, klare Kommunikation, und zwar sowohl gegenüber den Kindern als auch gegenüber dem Verein. Was ist im Umgang okay? Was sind Warnsignale? Wie geht man damit um? Wen kann man ansprechen, wenn man Zweifel hat oder einen klaren Verstoß melden will?"

Viele Vereine haben inzwischen Präventionskonzepte erarbeitet und Stellen eingerichtet, an die sich Betroffene wenden können.

Warum bleiben Taten häufig ohne Konsequenzen?

Trotzdem: Immer wieder bleiben die Taten dabei ohne Konsequenzen. Und auch wenn Täter ihren aktuellen Verein verlassen müssen, machen sie häufig einfach in einem anderen Verein weiter.

"Die gesetzlichen Rahmenbedingungen machen es derzeit nahezu unmöglich, Warnhinweise weiterzugeben", sagt DFB-Vizepräsidentin Silke Sinning laut Correctiv und "11Freunde". Innerhalb des Fußballsystems sei ein Informationsaustausch über Verdachtsfälle kaum möglich. "Der Datenschutz wird de facto zum Täterschutz und erschwert den Opferschutz gravierend."

Empfehlungen der Redaktion

Der DFB steht in der Kritik, denn als es Ende 2024 darum ging, einen verbindlichen Safe Sport Code einzuführen, bremste der Verband. Der Code soll den Verbänden die Möglichkeit geben, sexualisierte Gewalt unterhalb der Strafrechtsschwelle zu sanktionieren, zum Beispiel durch Sperren, Platzverweise oder Lizenzentzug. Der Deutsche Olympische Sportbund hat den Code bereits eingeführt. Der DFB arbeitet aktuell noch daran.

Anders als der DFB spricht sich die "Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs" für eine gezielte Aufarbeitung der Missbrauchsfälle im Fußball aus. "Wir gehen davon aus, dass Ihre Recherchen nur die Spitze des Eisbergs zeigen", erklärt Julia Gebrande, Vorsitzende der Aufarbeitungskommission gegenüber Correctiv und "11Freunde". "Daher halten wir weitere Forschung zu sexualisierter Gewalt gegen Kinder und Jugendliche – auch im Tatkontext Fußball – für sinnvoll und notwendig."

Verwendete Quellen