Lieber Herr Thon, gestern schrieben Sie in Ihrer Kolumne, dass der Fußball der Männer mit dem der Frauen nicht vergleichbar sei. Dadurch, dass Sie ein bekannter Ex-Profispieler sind, verbreitete sich diese Nachricht schnell: Aus Ihrer Aussage wird eine Agenturmeldung, und mehrere Medien titeln "Thon: Frauen- und Männerfußball sind nicht vergleichbar" - ich möchte deshalb heute auf diese Aussage antworten und drei für mich wichtige Themen ansprechen:

Tamara Keller
Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht der Autorin dar. Hier finden Sie Informationen dazu, wie wir mit Meinungen in Texten umgehen.

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1. Fußball ist Fußball

"Frauen- und Männerfußball ist nicht vergleichbar. Es ist anders", auch ich habe das bereits in meinem Leben gesagt. Mit anders meinte ich vor allem: anders gut. Ich selbst habe elf Jahre Fußball im Amateurinnenbereich gespielt. Und ich habe - obwohl ich mit meinem Team damals erfolgsgekrönten Fußball gespielt habe - auch daran geglaubt, dass unser Fußball nicht so gut ist wie der der Männer.

Und das, obwohl es sich - wenn ich gespielt habe - nie so angefühlt hat. Für mich war das Spiel dynamisch, spannend und hatte tolle Spielzüge. Bis ich gemerkt habe: Das ist eine "Mär", die sich in die gesellschaftliche Erzählung von Fußball eingebrannt hat und die bis heute so erzählt wird - vorrangig von Männern.

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Die Krönung dieser Aussage ist, wenn einem Team wie der DFB-Elf vorgeworfen wird, "die würden doch gegen eine B-Jugendmannschaft verlieren" oder es - wie Sie es tun - mit der Bezirksliga verglichen wird. Nur weil auf irgendeinem Sportplatz der Republik mal eine Jugendmannschaft gegen ein Frauenteam gewonnen haben soll, gilt das nicht automatisch als Gesetz. Fußball ist einfach Fußball. Er funktioniert - egal ob bei den Männern oder bei den Frauen - nach den gleichen Regeln. Und es gibt keine bessere oder schlechtere Version, aber es kann in beiden Fällen zu grottigen Spielen kommen.

2. Körperliche Gegebenheiten sind nicht mehr zeitgemäß, es sei denn es geht um Missstände

Sie schreiben, die Männer seien "robuster". Haben Sie schon mal Lena Oberdorf bei diesem Turnier beobachtet? Sie ist die Robustheit in Person. Zudem lohnt sich auch ansonsten der körperliche Vergleich zwischen Männer und Frauen nicht: Natürliche Gegebenheiten der Körper werden sich - es sei denn, es ist gewollt durch Hormonbehandlungen - nie verändern.

Der einzige Vergleich, der sich an dieser Stelle lohnt, ist der, der auf die gesundheitlich wichtigen Missstände hinweist, die im Rahmen der unterschiedlichen körperlichen Gegebenheiten vorkommen können: So reißt bei Frauen das Kreuzband zwischen fünf- und achtmal häufiger als bei den Männern. Obwohl dieser Missstand mittlerweile sogar via Training bei den Frauen bekämpft wird, kommt diese Verletzung in der Bundesliga noch zu häufig vor. Erkannt wurde das Problem relativ spät, weil in Trainingsmethoden einfach dem "männlichen Standard" gefolgt wurde.

Und wenn wir schon beim Körperlichen sind: An sich ist ein körperlicher Vergleich auch nicht mehr zeitgemäß. Denn dieser sollte in Zukunft noch mehr an Bedeutung verlieren, wenn wir einen inklusiveren Fußball mit trans, inter und non-binären Personen haben wollen. Immerhin hat der DFB vor einem Monat eine Regelung zu genau diesem Spielrecht für den Amateur*innenbereich veröffentlicht. Das wird hoffentlich bald im Profibereich ankommen.

3. Die trächtige Vergangenheit der Frauen - nicht der Männer

Kommen wir nun zu Ihrem letzten Satz: "Seine größere Strahlkraft wird der Männerfußball aufgrund seiner Vergangenheit aber noch lange behalten." Der Männerfußball hat keine größere Strahlkraft. Er ist einfach im allgemeinen Fußballgedächtnis tiefer verankert. Und das liegt vor allem daran, dass über die Frauen zu wenig gesprochen wurde.

Jeder erinnert sich an die Nacht von Rio, die Nacht von Rom, das Wembley-Tor und wie sie alle heißen, diese geschichtsträchtigen Momente, in denen Männer eine Rolle gespielt haben. Aber was ist mit der Nacht von Osnabrück, der Nacht von Aalborg, der Nacht von Kaiserslautern, der Nacht von Oslo, der Nacht von Ulm, der Nacht von Blackburn, der Nacht von Helsinki und der Nacht von Solna?

Sie ahnen es vielleicht: Es sind die Austragungsorte der acht EM-Finalspiele, die die DFB-Elf gewonnen hat. ACHT! Vielleicht erinnert sich der oder die ein(e) oder andere an das Golden Goal von Nia Künzer und an Top-Scorer Birgit Prinz. Dann hört es aber auf. Ich habe übrigens nicht recherchiert, ob die Anstoßzeiten zu diesen Spielen alle am Abend waren und "Nacht" sich als Titel dafür eignet, denn da fängt schon das nächste Strukturproblem an: Sämtliche Spiele der Frauen bekommen schlechtere Anstoßzeiten und sind deshalb auch in den Medien und im Fernsehen weniger präsent.

Noch ein Beispiel in diese Richtung gefällig? Der "kicker" hat heute zum ersten Mal den Fußball der Frauen auf dem Titel.

Und das trotz der vielen Erfolge der Vergangenheit. Ein Zeitzeugnis, das Bände spricht.

Ich hoffe, ich konnte mit diesen drei Punkten Ihnen zeigen, dass Fußball mehr ist als nur ein lapidarer Vergleich zwischen Männern und Frauen. Und dass es noch viel zu tun gibt, um strukturelle Ungleichheit im Sport zu beseitigen. Dafür braucht es die Hilfe von allen - aber vor allem von den Männern, die den Fußballdiskurs nach wie vor dominieren.

Mit freundlichen Grüßen

Tamara Keller


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