Kennen Sie das? Man hört einen Namen und denkt sofort: "Ach du Scheiße!" Fleißigen Kinogängern fallen da beispielsweise direkt Namen wie Freddy Krueger oder Hannibal Lecter ein. Und natürlich die cineastische Mutter aller Bösewichte: Darth Vader. Aber auch abseits der Leinwände unserer Lichtspielhäuser gibt es Namen, die umgehend Unbehagen auslösen. Viele davon aus der Politik. Peter Ramsauer lautet so einer etwa. Wobei ich damit Peter Ramsauer – das nur, damit diese Kolumne nicht wieder in einem Empörungs-Tsunami mündet – nicht mit Darth Vader gleichsetzen möchte. Natürlich nicht. Ramsauer ist kein Darth Vader. Wie auch? Er hat ja nicht mal einen Todesstern. Wobei, die CSU …

Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Marie von den Benken dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Darth Ramsauer jedenfalls sah es diese Woche offenbar als seine Pflicht, der Nation seine Einschätzungen zur Flüchtlingsfrage mitzuteilen. Dabei griff er mit legendärer Feingeistigkeit ganz tief in die Brandmauer-Trickkiste. Er zitierte einen chinesischen Turbo-Demokraten der Extraklasse: "Deng Xiaoping hat einmal gesagt: Wenn man das Fenster zu weit aufmacht, kommt auch viel Ungeziefer mit rein." Später folgte in jenem Interview selbstredend noch die obligatorische Vokabel "Wirtschaftsflüchtlinge", womit mal wieder ein CSU-Vordenker das "Ausländer sind zu faul zum Arbeiten und nehmen uns gleichzeitig die Arbeitsplätze weg"-Bingo durchgespielt hatte. Eine sehr mutige Kritik von Schrödingers Asylpolitik-Experte Peter Ramsauer.

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Vor allem, wenn man bedenkt, dass sein persönliches politisches Erbe als Vorgänger der Verkehrsminister-Legenden Alexander "Maut kommt!" Dobrindt und Andi "DeSantis" Scheuer in erster Linie daraus besteht, alle seiner drei vollmundig angekündigten Schlüsselprojekte filigran vor die Wand gefahren zu haben: Die "Ausländermaut" sowie die Großbaustellen Stuttgart 21 und Flughafen Berlin Brandenburg.

Auslandsluft macht Brei (im Gehirn)

Der Hang zu rechtspopulistischen Clickbait-Meisterwerken ist dieser Tage also nicht auf CDU-Parteichef Merz beschränkt. Neben Darth Ramsauer hat auch der als Geheimwaffe für den Bundestagswahlkampf 2025 geltende Unions-Intellektuelle Hans-Georg Maaßen, den viele Libertär-Apostel der kognitiven Argumentations-Resterampe für den Ulf Poschardt der Teilzeit-Antisemiten halten, diese Woche wieder zuverlässig abgeliefert. Via Twitter teilte er seinen wichtigsten Gedankenblitz mit: "Auslandsluft macht frei!" Der vermutlich einkalkulierte Aufschrei folgte auf dem Fuße. Wie immer garniert mit einer von brutalen Rechtschreibfehlern durchzogenen Reply-Offensive der deutschen #Stolzmonat Deppen-Armada. Die startete umgehend eine spontan orchestrierte Suggestionskampagne, um großflächig festzustellen, Maaßens "Auslandsluft macht frei" wäre selbstredend keine Analogie zu "Arbeit macht frei".

Ein Spruch, der als Toraufschrift zu den nationalsozialistischen Konzentrations- und Vernichtungslagern als einer der dunkelsten Meilensteine unserer Geschichte gilt. Nein, jeder aufrechte AfD-Wähler weiß natürlich: Maaßen meinte viel mehr den Spruch "Stadtluft macht frei" aus dem Mittelalter. Gut, besagter Spruch lautet vollständig eigentlich "Stadtluft macht frei nach Jahr und Tag" und ergibt auch nur so den Sinn, den er seinerzeit bezwecken sollte. Aber was spielt das für eine Rolle, wo man nach dieser Logik der Maaßen-Verteidiger auch auf dem Holocaust-Mahnmal in Berlin "Sieg Heil!" brüllen könnte – und anschließend behaupten, man wäre bloß unschuldiger Fußballfan und hätte seinen Herzensverein Heilbronn zum Sieg schlachtenbummeln wollen.

"Auslandsluft macht frei" - das wird man ja wohl noch sagen dürfen. Vor allem, wenn man seine lupenreine Demokratiefähigkeit bereits mit Sätzen wie "Rassismus gegen Weiße nicht anzuerkennen ist Ausdruck einer grün-roten Rassenlehre, nach der Weiße als minderwertige Rasse angesehen werden und man deshalb arabische und afrikanische Männer ins Land holen müsse" manifestiert hat. Auch seine Einschätzung der dem Reichsbürger-Spektrum zuzuordnenden "Ketzer der Neuzeit" bestätigt seine Liebe zum Grundgesetz: "Diese klugen und mutigen jungen Leute sind unsere Zukunft!" Von seiner Nähe zu Corona-Leugnern und regelmäßigen Treffen mit AfD-Chefs während seiner Amtszeit als Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz mal ganz abgesehen.

"Frauen100" (und ich) in Berlin

Zum Glück gibt es aber auch Lichtblicke in der ansonsten trüben intellektuellen Diaspora der letzten Juliwoche. Das Event "Frauen100" etwa, bei dem sich regelmäßig einige der wichtigsten, interessantesten, mächtigsten, klügsten und erfolgreichsten Frauen unseres Landes zusammenfinden. Aus unerfindlichen Gründen (ich tippe auf einen schweren Fehler im Einladungs-Management) war auch ich wieder geladen und durfte mich am vergangenen Donnerstag zwischen Politikerinnen, Sportlerinnen, Künstlerinnen, Journalistinnen, Schauspielerinnen, Multiplikatorinnen, Sängerinnen, Autorinnen, Unternehmerinnen und Aktivistinnen auf der Dachterrasse des Berliner Hotel de Rome (für mich alkoholfreien) wohlschmeckenden Cocktails und inspirierenden Reden und Gesprächen hingeben.

Das Faszinierende an starken und klugen Frauen ist: Sie können zwischen Meinungen und Werten unterscheiden. Und das Partei- und Ideologieübergreifend. An Abenden wie diesen kann ich meinen Zuversicht-Akku stets umfassend aufladen, denn es ist gleichsam sehr stimulierend und auch kraftgebend, in einer Atmosphäre der Gemeinsamkeiten zu Lösungen zu kommen, anstatt in einem Fegefeuer der Anschuldigungen. Frauen mit unterschiedlichsten Standpunkten, Bubbles und Interessen kommen zusammen und ermutigen sich gegenseitig, die übergeordneten Ziele nicht aus den Augen zu verlieren. Eine bessere Welt für alle, wenn man es mal heroisch ausdrücken möchte.

Schwerter zu Flugtaxen

Als konkretes Beispiel möchte ich zwei Frauen nennen, die ich für äußerst inspirierend für mich persönlich halte und die man sicherlich nicht in meinem unmittelbaren Umfeld vermutet hätte. Jedenfalls, wenn man lediglich in Kategorien wie Schwarz und Weiß, wie Freundin und Feindin denkt. Es ist kein großes Geheimnis, dass man mich nicht zwangsläufig als großen Fan der Politik der Union einordnen würde. Aus diesem Grund habe ich mich bereits häufig – vor allem auf Twitter – mit Frauen wie Julia Klöckner oder Dorothee Bär gestritten. Intensiv, wortreich, spitz und durchaus auch vorlaut und leidenschaftlich sarkastisch. Das gehört für mich zum politischen Diskurs dazu. Liest man diese Tweets, könnte man davon ausgehen, dass mich Klöckner und Bär bei erstbester Gelegenheit brutal abgrätschen wie einst Jürgen Kohler (BVB-Fußballgott). Das Gegenteil ist der Fall. Beidseitig.

Ich freue mich ausnahmslos jedes Mal, wenn ich Julia Klöckner oder Doro Bär persönlich treffe. So wie etwa bei "Frauen100" Viele fragen sich, wie das zusammenpasst. Einige attackieren mich dafür sogar sehr wortreich – und bisweilen auch sehr beleidigend. Menschen, die offenbar nie das Glück hatten, zu erleben, dass es Wichtigeres gibt, als sich bei der Beantwortung jeder Einzelfrage vor Rührung in den Armen zu liegen. Man kann in den Details auseinander liegen und dennoch gemeinsame, größere Ziele verfolgen. Rassismus, Sexismus, Frauenrechte. Säulen einer funktionierenden Demokratie, einer gesunden Gesellschaft, die zu erreichen und zu stärken viel wichtigere Aufgaben sind als die Frage danach, ob man jeden Euro aus dem Bundeshaushalt in 100 Prozent der Fälle gleich verwenden würde.

Dazu muss man natürlich bereit sein. Und fähig. Es ist ein schwieriges Spiel mit dem eigenen Ego. Aber wenn man auf kluge Menschen trifft, dann wissen die: Es kann nicht alles, was man selbst sagt und jeder Standpunkt, den man vertritt, unzweifelhaft der einzig möglich richtige sein. Immer mit allem dogmatisch Recht zu behalten, das ist empirisch betrachtet nicht mal dem Papst gelungen. Wenn man uneitel genug ist, sich das einzugestehen, ist man auf eine parteiübergreifende Art und Weise frei, die das Leben sehr viel angenehmer macht.

Who the F**k is Tichy?

Mal ein kleines, aber sehr plakatives Beispiel. Haben Sie gewusst, dass Dorothee Bär (damals Staatsministerin für Digitales) im Jahr 2020 ihre Mitgliedschaft in der renommierten Ludwig-Erhard-Stiftung aus Protest gegen den Vorsitzenden Roland Tichy überraschend beendet hatte? Als Grund für ihre Entscheidung nannte sie seinerzeit "eine Publikation in dem Magazin 'Tichys Einblick', die frauenverachtende und in höchstem Ausmaß sexistische Äußerungen gegenüber meiner Kollegin Sawsan Chebli enthält." Die Sozialdemokratin Chebli und die CSU-Staatsministerin – auf dem Papier eine Kombination, bei der der gemeine Twitter-Nutzer womöglich erwartet hatte, Frau Bär würde Roland Tichy für seine Diffamierungen Sawsan Chebli gegenüber eher sogar Beifall klatschen. Frau Bär tat das Gegenteil. In durchaus drastischer Form, die ihr in den eigenen Reihen nicht nur Wohlwollen brachte.

Das ist es, was ich mit größeren Zielen meine. Man kann über tausend Dinge streiten – aber nicht darüber, ob Sexismus oder Rassismus oder Frauenverachtung in irgendeiner Form tolerierbar wären. Diesen Gedanken nicht nur zu propagieren, sondern auch konsequent zu leben, dafür sind Frauen wie Dorothee Bär oder Sawsan Chebli Vorbilder für mich. Schöne Woche!

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