Queerfeindlichkeit könnte und müsste man im Jahr 2025 eigentlich mit ein bisschen Aufklärung erledigen können. So, wie es Jan Böhmermann am Freitagabend in der neuesten Ausgabe seines "ZDF Magazin Royale" macht. Doch hinter Queerfeindlichkeit steckt mehr als nur Ignoranz.
"Es ist 2025 und es braucht wieder Mut, auf die Straße zu gehen und dafür zu demonstrieren, die Person sein zu dürfen, die man eben ist", erklärt
Hunderte Faschos hätten dort gegen den CSD demonstriert, erklärt Böhmermann und erkennt die Absurdität dieser Demonstrationen: "Demos gegen Grundrechte – auf die Idee muss man erstmal kommen." Das muss man, aber ganz so absurd, wie es scheint, sind diese Demos dann doch nicht. Denn hinter diesen queerfeindlichen Demonstrationen steckt eine Strategie, wie Böhmermann im Folgenden erklären wird, doch kommt er zunächst zu den Hintergründen.
"Kinder werden nicht queer, wenn sie eine queere Figur im Fernsehen sehen."
So sei die Anzahl queerfeindlicher Straftaten in den vergangenen Jahren stark gestiegen, alleine 2024 gab es 2.092 queerfeindliche Straftaten in Deutschland. Das sind fast sechs Straftaten pro Tag. Queerfeindlichkeit sei aber kein deutsches, sondern ein weltweites Problem. So habe die US-Regierung unter
Und damit ist Böhmermann beim Kern der rechten Strategie gegen queere Menschen. "Victor Orban denkt: Wenn Kinder nichts mehr über Queerness lernen, dann können sie auch nicht queer werden", erklärt Böhmermann diese absurde Gedankenwelt. Auch Pride-Paraden könnten in Ungarn einfach verboten werden und das Prinzip dahinter sei ganz einfach: "Rechtsextreme und andere Freiheitsfeinde sagen nicht offen, dass sie queere Menschen hassen. Sie sagen stattdessen, dass sie Kinder lieben und dass sie Kinder schützen wollen. Ach was, sie müssen Kinder schützen."
So habe es gegen den Auftritt von Riccardo Simonetti in der "Sesamstraße" Hasskommentare gegeben oder auch gegen die Figur des Herrn Ingeborg beim "Sandmännchen". "Kinder werden nicht queer, wenn sie eine queere Figur im Fernsehen sehen", muss Böhmermann an dieser Stelle allen Ernstes im Jahr 2025 noch erklären. Aber hinter dem Hass steckt nicht nur Unwissenheit, sondern auch Boshaftigkeit, wie Böhmermann am Beispiel der AfD-Abgeordneten im niedersächsischen Landtag, Vanessa Behrendt, erklärt.
Lange Tradition der Diffamierung
Gegen die werde nämlich wegen des Verdachts der Volksverhetzung ermittelt, weil sie beispielsweise dies beim sozialen Netzwerk X gepostet hatte: "Die Regenbogenfahne steht für Machenschaften pädophiler Lobbygruppen, die Gefährdung von Kindern durch LGBTQ-Propaganda, das Bedrängen von Kleinkindern mit Transsexualität, …." "Vanessa Behrendt setzt Queerness gleich mit Pädophilie. Das, liebe Kinder und liebe Eltern, nennt man Hetze", fasst es Böhmermann zusammen. Aber diese Hetze ist auch eine Strategie mit trauriger, aber langer Tradition, die mindestens bis ins Nazi-Reich zurückreicht und auch heute wirkt.
"Durch den Vorwurf der Pädophilie können in der Folge weitere Feindbilder des Rechtsextremismus (wie z.B. Homosexuelle oder Personen mit Migrationsgeschichte) legitimiert werden", schreibt etwa das Bundesamt für Verfassungsschutz als Antwort auf eine Anfrage der "ZDF Magazin Royale"-Redaktion. So sollen etwa Jugendliche mit rechter Gesinnung in einem Fall aus Hessen gezielt Jagd auf Homosexuelle gemacht haben. Es geht aber auch wesentlich niedrigschwelliger und vielleicht deshalb umso perfider.
Denn im Koalitionsvertrag habe man sich auf eine Evaluation des Gesetzes über die Selbstbestimmung geeinigt und dort heißt es: "Bei der Evaluation legen wir einen besonderen Fokus auf die Auswirkungen auf Kinder und Jugendliche." Damit wird suggeriert, dass es irgendwelche Auswirkungen gebe, wenn man Kinder darüber informiert, dass es mehr gibt, als nur die Liebe zwischen Mann und Frau. "Okay, weird", sagt Böhmermann dazu und erklärt, dass dieses "Evaluieren" bedeute, dass die Union das Gesetz nicht wolle, die SPD aber nerve und in einem Jahr werde man gucken, "ob wir vielleicht queeren Kindern eventuell dann doch ihre Rechte wegnehmen können".
Die Strategien der Rechtsextremen
Nun könnte man tatsächlich verzweifeln, dass 2025 immer noch Menschen Queerfeindlichkeit mit noch so absurden Vorstellungen rechtfertigen oder ihren Hass auf Dummheit aufbauen. Daher ist es Böhmermanns Verdienst, hier noch einmal Aufklärung betrieben zu haben, zumindest für die, die dafür überhaupt offen sind. Noch erschreckender ist allerdings das Eingeständnis, dass all das nicht nur auf Dummheit, Angst oder Vorurteilen beruht, sondern dass hinter Queerfeindlichkeit Strategien stecken.
Überraschend ist das allerdings nicht, fügt es sich doch ein in die Strategien der Rechtsextremen, die man in den vergangenen Jahren beobachten konnte: Wissenschaft diffamieren, Presse beschimpfen, Gerichte nicht akzeptieren, Verfassungsschutz anzweifeln und sich dabei immer in die Opferrolle fabulieren. Nicht, weil man wirklich verfolgt und zu Unrecht beschuldigt wird, sondern weil man so versucht, all die demokratischen Kontrollinstanzen und damit die Feinde der eigenen Sache aus dem Verkehr zu ziehen. Damit man danach leichtes Spiel mit seinen menschenverachtenden Inhalten hat.
Und genau so erklärt sich auch die Strategie der Rechtsextremen, wenn sie Queerfeindlichkeit unter dem Deckmantel des "Kinderschutzes" betreiben. "Kinderschutz ist ein Totschlagargument", fasst es Böhmermann zusammen und bringt es danach auf den Punkt: "Die einzigen, die wirklich weird und ungesund obsessiv auf Kinder fixiert sind, das sind nicht queere Menschen, sondern diejenigen, die mit ihrer eigenen verdrehten Idee von 'Kinderschutz' Politik machen. Aber wirklicher Kinderschutz, der geht anders. Wer Kinder wirklich schützen will, der investiert zum Beispiel in Bildung. Der unterstützt Kinder dabei, sich mit den Themen Identität und Sexualität auseinanderzusetzen." Traurig, dass man das 2025 immer noch erklären muss.