Beobachter meinen, europäische Mittelmeerländer würden die Bedrohung durch Wladimir Putins Russland anders wahrnehmen. Ein Experte erklärt, was Italien der Nato bietet. Und wie groß die Motivation in Rom ist.
US-Präsident
Wegen Donald Trump: Nato vereinbart Fünf-Prozent-Ziel
Doch: Rom zog mit. Dabei ist die Nato-Ostflanke von Sizilien, Kalabrien oder Apulien sehr weit weg. Spanien, ein anderes Mittelmeerland, beteuerte, besagtes Ziel nicht erreichen zu können. Fünf Prozent des Bruttoinlandproduktes (BIP) sollen jährlich in die Verteidigung gehen. So wollen es die USA, damit die europäischen Partner im Angesicht der Bedrohung durch Wladimir Putins Russland Aufgaben der Vereinigten Staaten im Militärbündnis übernehmen.
Italien wird sich an die Trump-Abmachung halten, glaubt ein Experte. "Die Regierung Meloni sieht ein gutes Verhältnis mit den USA als essenziell und sollte damit über Fragen des Vertrauens als Nato-Partner erhaben sein. Gerade die schwierige Umgebung Italiens, russische und türkische Aktivitäten in Libyen, machen italienische Sicherheits- und Außenpolitik besonders schwierig", erklärt der Politikwissenschaftler Roman Maruhn auf Anfrage unserer Redaktion.
Ukraine-Krieg: Italien lieferte Radpanzer Puma und Flugabwehr
Der 53-jährige Münchner gilt als Kenner der italienischen Politik, lebt seit Jahren in Palermo. Der frühere wissenschaftliche Analyst des Centrum für angewandte Politikforschung (CAP) der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München bewertet die Rochaden zwischen Mailand, Rom und Neapel unter anderem für den "BR". Gerade, was die nationalkonservativ-rechtspopulistische Regierung unter Ministerpräsidentin
"Aus der Solidarität mit der Ostflanke kann sich Italien nicht herausziehen. Entsprechend unterstützt – in bescheidenem Maß – auch Italien die Ukraine militärisch", erzählt Maruhn. Konkret: Bis zu 60 Panzerhaubitzen M109 gingen an die ukrainischen Streitkräfte, dokumentiert zum Beispiel durch ein Video aus dem Bahnhof Udine. Weniger öffentlich über die Bühne ging die Lieferung mehrerer Flugabwehrpanzer Sidam-25 und Transportpanzer Puma 6x6. Laut Open-Source-Intelligence-Website Oryx wurden (Stand: 14. Juli 2025) vier dieser Puma-Radpanzer und fünf Sidam-Panzer in den Gefechten zerstört.
Streitkräfte Italiens: Das Heer hat großen Nachholbedarf
Ein Grund für begrenzte Waffen-Lieferungen: Der italienischen Armee fehle es an Material, so Maruhn. "Gerade beim Heer gibt es großen Nachhol- und Finanzierungsbedarf. Im Rahmen der Nato-Verteidigung würde auch das italienische Heer die Ostflanke verstärken", schildert er: "Italien gibt sehr wenig für die Verteidigung aus, deutlich unter zwei Prozent des BIP. Rom versucht jetzt den geplanten Brückenbau in der Straße von Messina miteinzurechnen. Fünf Prozent wird, wann auch immer, ein großer Kraftakt."
In Zahlen: 2024 hatte Italien 38 Milliarden Euro und rund 1,49 Prozent seins BIP für Verteidigung ausgegeben. Große Rüstungsprojekte zur Modernisierung der Streitkräfte laufen. Etwa die Beschaffung von 115 F-35-Kampfjets. Zum Vergleich: Die Bundeswehr soll 35 der US-Kampfflugzeuge erhalten. Ein Fokus Roms liegt auf dem Mittelmeer, wo laut Maruhn "schon jetzt russische Schiffe massiv beobachtet und kontrolliert werden. Italien verfügt im Mittelmeer über eine der größten und schlagkräftigsten Marinen, hat diese in den letzten Jahren umfassend modernisiert", erklärt der Politikwissenschaftler: "Das Heer ist die Teilstreitkraft, die am stärksten hinterherhinkt. Die Landstreitkräfte bleiben die größte Achillesferse."
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Aufrüstung in Italien: Panzerverbände sollen neu aufgestellt werden
Insbesondere die Panzerverbände sollen deshalb künftig aufgerüstet werden. Maruhn nennt die geplante Beschaffung des neuen Kampfpanzers Panther KF 51 als Beispiel. Die Panzer sollen in einem Joint Venture aus dem deutschen Rüstungskonzern Rheinmetall und dem italienischen Waffenbauer Leonardo produziert werden. Laut Fachzeitschrift "Europäische Sicherheit & Technik" sollen 132 hochmoderne Kampfpanzer beschafft werden und die veralteten C1 Ariete ersetzen. Dazukommen 1050 neue Schützenpanzer Lynx KF 41.
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Und eine große personelle Ausstattung. Denn: Die Carabinieri (rund 110.000 Frauen und Männer), die Guardia di Finanza (über 60.000) und die Küstenwache (über 10.000) haben sogenannten Kombattantenstatus. Sie werden den Streitkräften zugerechnet und würden im Falle einer Landesverteidigung dafür aktiviert.
Italien kommt somit auf 340.000 Männer und Frauen unter Waffen – theoretisch. Maruhn: "Italien hat in Fragen äußerer Sicherheit mit dem Balkan im Osten und Afrika im Süden keine besonders ruhige Umgebung. Aber es geht ja auch um die Ausrüstung – und die ist für 340.000 Soldaten nicht da. Dass mehr Geld für die Verteidigung nötig ist, ist in Rom nicht bei allen beliebt, aber es ist nicht wegzudiskutieren."
Verwendete Quellen
- schriftliche Fragen an den Italien-Experten Roman Maruhn
- politco.eu: Italy’s grand plan to meet NATO target
- Handelsblatt: Spaniens Premier lehnt Fünf-Prozent-Ziel der Nato barsch ab
- Oryx: Documenting Ukrainian Equipment Losses During The Russian Invasion Of Ukraine
- esut.de: Italien wird Nutzer von Panther und Lynx