Der SPÖ-Chef wurde von vielen Genossen im Wahlkampf bereits abgeschrieben, Verteidigungsminister Hans-Peter Doskozil als logischer Nachfolger gesetzt. Nun ist die Wahl geschlagen und die Revolution abgesagt.

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"Das Problem heißt Kern", war im Wahlkampf von manchen desillusionierten sozialdemokratischen Wahlkämpfern zu hören. Der habe zwar als Bundeskanzler zu glänzen gewusst, als Parteichef sei er jedoch ungeeignet.

In der Tat hat sich elegante Ex-Manager nach einem fulminanten Start im Frühjahr 2016 zahllose Fehler geleistet: Tal Silberstein, der mittlerweile in Israel unter Hausarrest stehende Spin Doctor, dessen dubiose Facebook-Seiten die Partei in eine tiefe Krise stürzten, war bloß der augenscheinlichste.

Hans-Peter Doskozil die bessere Wahl?

Verstärkt wurde das Unbehagen nach der Veröffentlichung jenes unvorteilhaften Psychogramms über Kern, das im September über den Boulevard den Weg an die Öffentlichkeit fand: Kern sei eitel und entscheidungsschwach, er habe ein Glaskinn.

Besser, so wurde unter vorgehaltener Hand geraunt, sei Hans-Peter Doskozil, der populäre Verteidigungsminister aus dem Burgenland, der als law-and-order-Politiker einen guten Draht zu ÖVP-Chef Sebastian Kurz habe.

Vor allem der mächtige Gewerkschaftsflügel innerhalb der SPÖ machte sich für Doskozil als neuen Parteichef stark. Nur er, so hieß es, könne der Partei nach der erwarteten Totalniederlage als neuer Parteichef und Vizekanzler eine weitere Regierungsbeteiligung als Juniorpartner der ÖVP sichern.

Kern konnte noch aufholen

Besonders laut wurden die Rufe nach Doskozil Ende September, als die Facebookaffäre die SPÖ in ihrem Innersten erschütterte und manche Genossen mit Platz drei und einem Ergebnis unter 20 Prozent rechneten.

Die Wahl endete für die SPÖ zunächst mit einem blauen Auge, Kern konnte auf den letzten Metern noch aufholen und für seine Partei das Ergebnis der letzten Wahl 2013 halten.

In einer emotionalen Rede rechnete Kern vor Parteifreunden mit den Boulevardmedien ab, mit dem er in den letzten Wochen auf Kriegsfuß stand: "Wir werden nicht auf die Knie gehen. Ich würde es genauso wieder machen", rief er unter starkem Beifall in den Saal.

Dann kündigte er an, dass er nicht vorhabe, sich zurückzuziehen: Er plane, sagte Kern, noch weitere zehn Jahre in der Politik zu bleiben. Erneut applaudierten ihm die Genossen begeistert.

Zwei Gründe für Kern

Zumindest fürs Erste dürfte Kern jedenfalls Parteichef bleiben. Das liegt zum einen daran, dass die Sozialdemokraten allen Umfragen zum Trotz besser als erwartet abgeschnitten haben. Es gibt aber auch zwei weitere Gründe, die sich erst bei näherem Blick auf das Wahlergebnis erklären.

Da wäre das Wahlergebnis der SPÖ im Burgenland, wo Doskozils großer Mentor Hans Niessl Landeshauptmann ist und in einer Koalition mit der FPÖ regiert. Niessl steht am rechten Rand der Sozialdemokratie, er fährt in seinem Land einen harten Kurs gegen Zuwanderer und Flüchtlinge.

Innerhalb der SPÖ ist Niessl ein Gegenspieler des Wiener Bürgermeisters Michael Häupl. Doch ausgerechnet im Burgenland musste die SPÖ bei der Nationalratswahl besonders herbe Verluste von mehr als vier Prozentpunkten hinnehmen.

Königsmacher Häupl

Dann lohnt sich ein Blick nach Wien, wo die SPÖ wider Erwarten das Ergebnis von 2013 deutlich verbessern konnte. Das starke Wien-Ergebnis hat der Partei den zweiten Platz vor der FPÖ gesichert. Das stärkt die Position von Bürgermeister Michael Häupl, der von einem Parteichef Doskozil – und dem damit verbundenen Rechtsschwenk der Partei – nichts wissen will.

Mit dem Wien-Ergebnis hat der von vielen bereits abgeschrieben Häupl seine Position als sozialdemokratischer Königsmacher zumindest vorläufig wiedererlangt.

Und Häupl hat nach der Wahl umgehend klar gemacht, dass Kern als Parteichef für ihn "unumstritten" sei, ebenso wie der Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser. Dass Kern nun als klare Nummer zwei eine rot-blaue Koalition zimmern kann, ist unwahrscheinlich.

Er selbst rechnet laut ersten Aussagen in den TV-Auftritten nach der Wahl mit Schwarz-Blau. In diesem Fall würde er als Kanzler abtreten und die SPÖ in die Opposition führen. Zumindest vorläufig wird ihm wohl niemand in seiner Partei die Rolle des Oppositionsführers streitig machen.

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