Mit der Last-Minute-Qualifikation zur Champions League beseitigte Trainer Niko Kovac alle Zweifel. Aber soll Borussia Dortmund seinen Vertrag jetzt vorzeitig verlängern? Es kommt auf das richtige Signal an.
Von Platz elf auf vier und 22 von 24 Punkten in acht Bundesliga-Spielen: Das kann erstens kein Zufall sein und braucht zweitens einen Urheber. Und weil er die einzige größere Veränderung war, die sich Borussia Dortmund während dieser Saison zugetraut hat, gebührt die Anerkennung allein Niko Kovac.
Es kann nicht an seinem blauen Pullover gelegen haben, den der BVB-Trainer zu seinem Glücksbringer erklärt und zuletzt bei jedem Spiel getragen hatte. Sonst würde ja jeder Kollege dieses Luxus-Sweatshirt von Jacob Cohën für 255 Euro bei Breuninger ergattern und am Spielfeldrand zur Schau stellen.
Als die Aufholjagd geglückt war und die Qualifikation zur Champions League feststand, suchten Journalisten fast ängstlich die eigenen Überschriften zur Lage bei Borussia Dortmund heraus. Die kurze Rückschau meiner eigenen Kolumnen gipfelte in der Feststellung: Das kann nix mehr mit Europa werden.
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So kann man sich täuschen. Borussia Dortmund statt SC Freiburg in der Königsklasse und RB Leipzig komplett aus dem internationalen Geschäft: Schnell kann's gehen. Jetzt aber steckt die Vereinsführung im Dilemma. Einerseits hat Kovac die Mission Impossible erfolgreich gestaltet. Andererseits gab's ja durchaus Zweifel an der gemeinsamen Zukunft.
Es ist nicht lange her, dass Kovac beim BVB als Übergangslösung galt. Sein Arbeitsvertrag läuft zwar bis 2026. Aber der ist mit einer Abfindung problemlos zu beenden. Kann man diese Zweifel einfach ignorieren und jetzt, da die Saison im Soll endete, eine langfristige Zusammenarbeit vorzeitig vereinbaren? Vorsicht ist geboten.
Ähnliches Problem bei Kovac-Vorgänger
Auch bei Vorgänger
Kovac selbst drosselte die Emotionen, als der Heimsieg über Holstein Kiel alle Zweifel an einem versöhnlichen Saisonende beseitigt hatte, und erinnerte daran: Mehr als das Minimalziel, die Qualifikation zur Champions League, hat diese Mannschaft nicht erreicht. Dafür konnte Kovac nichts; er stieß zu spät dazu. Aber er musste die Suppe auslöffeln.
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Sportdirektor Sebastian Kehl will ihm jetzt eine Mannschaft hinstellen, die eben keine Formdellen während der Saison offenbart und Bayern im Nacken sitzt. Aber dieses Versprechen hat noch jeder BVB-Trainer Jahr für Jahr gehört. Der Einfluss auf die Kaderplanung ist für einen Fußballlehrer bei diesem Klub begrenzt.
Zum einen muss der Verein wirtschaftliche Interessen berücksichtigen (Wertentwicklung eines Spielers zum Weiterverkauf) und greift selten ins ganz hohe Regal. Zum anderen ist Kovac umringt von Führungsfiguren, die's im Zweifelsfall besser wissen wollen. Ricken, Sammer, Watzke, Kehl - die Liste ist bemerkenswert lang.
Kann Kovac seine Erfolge wiederholen?
Wer von ihnen hört auf Kovac, wenn er sagt: Der und der muss weg, der und der muss kommen? Von ihm ist bekannt, dass er eine Mannschaft sofort repariert und diszipliniert. Aber kann er auch eine Mannschaft aufbauen und zur Blütezeit - sprich: Meisterschaft - führen? Bei Bayern hat er das gemacht. Bei Frankfurt reichte es zum DFB-Pokalsieg. Und beim BVB?
Sportdirektor Kehl will mit ihm in die Saison gehen und sehen, wie sich die Dinge fügen, bevor Gespräche über eine Vertragsverlängerung beginnen. Das ist ein gefährliches Spiel. Macht er's gut, bestimmt Kovac die Konditionen oder ist interessant für andere Top-Klubs. Schwächelt sein Team, warum auch immer, wird Kovac zum Trainer auf Abruf.
Angebracht wäre jetzt ein Signal: eine Vertragsverlängerung bis 2027 mit den handelsüblichen Klauseln zur Vertragsauflösung, falls der Neubeginn anders als erwartet läuft. Der BVB hat ja ganz andere Baustellen (Umbau Abwehr und Mittelfeld sowie Außenpositionen) als die Trainerposition. Man muss das schleunigst klären.
Über den Autor
- Pit Gottschalk ist Journalist, Buchautor und ehemaliger Chefredakteur von SPORT1. Seinen kostenlosen Fußball-Newsletter Fever Pit'ch erhalten Sie hier.
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