Borussia Dortmund feiert den Einzug in die Königsklasse und seinen Trainer Niko Kovac. Dem ist auf den letzten Metern der Saison Außergewöhnliches gelungen – mit eigentlich ganz gewöhnlichen Mitteln.
Zur Sicherheit und damit es alle auch außerhalb des Dortmunder Stadions noch einmal mitbekommen, stimmte die Südtribüne Mitte der zweiten Hälfte einen Klassiker an: "Der BVB ist wieder da!", ließen 30.000 Fans wissen und tatsächlich war das ja so: Borussia Dortmund, vor wenigen Wochen noch mit zehn Punkten Rückstand auf die Champions-League-Plätze auf Rang elf notiert, hat den Sprung in die lebenswichtige Königsklasse doch noch geschafft.
Dank einer fulminanten Aufholjagd an den letzten acht Spieltagen, mit 22 von 24 möglichen Punkten, flogen die Schwarz-Gelben förmlich noch an der Konkurrenz vorbei und sicherten sich das Mandat für die zehnte Champions-League-Saison in Folge.
Zwar wurden die Verantwortlichen, allen voran Klub-Patron Hans-Joachim Watzke, mitten in der Krise nie müde zu betonen, dass der Klub auch mal ein oder vielleicht sogar zwei Jahre ohne die Einnahmen aus der Königsklasse würde durchhalten können. 30 bis 40 Millionen Differenz auf der Einnahmenseite hätte aber auch ein bestens situierter Klub wie der BVB nicht mal eben so weggesteckt.
"Was Niko geleistet hat, ist eine der größten Trainerleistungen des BVB."
Dass es nun erst gar nicht so weit gekommen ist, gilt in erster Linie als Verdienst von Trainer
"Wenn man bedenkt, wo wir am 26. Spieltag in der Tabelle standen - das kannst du eigentlich gar nicht schaffen", meinte Watzke und sein Sportchef Lars Ricken ging sogar noch einige Schritte weiter in seiner Analyse, die eher einer Eloge glich: "Was Niko geleistet hat, ist eine der größten Trainerleistungen des BVB!"
Was unweigerlich die Frage aufwirft: Wie hat Niko Kovac das geschafft, eine darbende Mannschaft in der Endphase einer bis dato ziemlich missratenen Saison doch noch in die Spur zu bekommen? Eine Analyse.
Einfach hält besser
"Keep it simple", war einer der wichtigsten Grundsätze von Kovac vom ersten Tag an. Der Routinier hatte von seinem Vorgänger
"Ich habe immer betont, dass die Dortmunder Mannschaft eine harte Hand braucht, weil die Spieler zu viel Macht hatten. Sie haben Trainer infrage gestellt, die relativ erfolgreich waren. Wenn jemand Disziplin in die Mannschaft bringt und vor Namen keinen Halt macht - und genau das hat Niko Kovac getan - funktioniert die Mannschaft", sagte Didi Hamann im Interview mit unserer Redaktion.
Das Durcheinander zuvor bei Sahin, der einen deutlich spielerischen Ansatz präferiert hatte, auf Grund ausbleibender Ergebnisse und der stockenden Entwicklung der Mannschaft aber erratisch in seinem Handeln wurde, versuchte Kovac mit einigen wenigen, aber sehr eindringlichen Botschaften zu entwirren. "Es wurde mal nicht über Spielideen gesprochen, sondern über Zweikämpfe, darum zu attackieren", so Watzke.
Dazu kam ein sehr überspitzter medialer Kuschelkurs: Kovac lobte die Mannschaft über die Maßen, appellierte an ihre Stärken - die damals allenfalls noch in Nuancen ersichtlich waren - und griff sich dabei auch einzelne Spieler heraus.
Die anfängliche Skepsis, die Kovac zumindest im Umfeld entgegenschlug, konnte er damit zwar nicht mildern. Im Umgang mit der Mannschaft aber schien der neue Trainer die richtigen Knöpfe zu drücken. Ein einfaches Rezept eigentlich. Und doch so effektiv. "Niko hat die Mannschaft am Anfang auch vor der Presse sehr stark geredet, hat alle gelobt. In dem Moment, als das Selbstvertrauen da war, hat er dann den Finger in die Wunde gelegt und Sachen eingefordert", erklärte Ricken.
Dortmunds Laufwerte explodierten
Für das letzte Drittel der Saison gilt zu konstatieren: Kovac hat die Mannschaft zum Laufen gebracht. Und zwar in der Gestalt, dass die Spieler wieder fitter, austrainierter, leistungsfähiger wirkten als in den Monaten davor.
Die mangelnde Fitness war ein sehr zentraler Punkt für Sahins Scheitern, den Kovac als eine seiner ersten Maßnahmen aufgriff und zu verbessern versuchte. Es ist eine der schwierigsten Disziplinen überhaupt, ein Team mitten in einer Saison auf ein besseres körperliches Level zu heben - Kovac und sein Team haben es aber offenbar geschafft.
In den letzten Spielen unter Sahin schaffte die Mannschaft zwei Mal 118 und ein Mal sogar nur 112 Kilometer Laufleistung. Bei Kovac explodierten diese Zahlen in den letzten Wochen regelrecht: Sukzessive schraubte die Mannschaft ihre Werte nach oben, erreichte über 120 und 122 Kilometer im Auswärtsspiel gegen Hoffenheim mit knapp 124 Kilometern einen neuen Spitzenwert.
Dazu kommt: Kürzere Erholungsphasen bedeuteten mehr Schärfe im Pressing und Gegenpressing und mehr Laufwege in der Offensive und damit in letzter Konsequenz in allen Spielphasen wieder mehr Aktivität und etwas dessen, was so gerne als BVB-Fußball bezeichnet wird.
Die taktischen Lösungen greifen
Ganz ohne Taktik und nur mit mehr Rennen und einer besseren körperlichen Konstitution ging es aber auch bei Kovac nicht. Als eine - für die Konstellation und Ausgangslage - perfekte Volte erwies sich die Wahl der Grundordnung in den letzten Wochen.
Kovac wich von seinem eigentlich präferierten 4-2-3-1 ab, mit dem die Mannschaft und einzelne Spieler offenbar nicht besonders gut zurecht kamen und konzentrierte sich auf eine Dreierkette plus Schienenspielern und zwei Sechser und ließ sich lediglich in der Offensive noch ein paar Variationsmöglichkeiten.
So hielt nicht nur eine deutlich verbesserte defensive Stabilität Einzug - der Gegentorschnitt verringerte sich von rund 1,6 auf "nur" noch 1,2 pro Spiel - sondern in letzter Instanz auch eine neue Leichtigkeit im Spiel mit dem Ball. Kovac brachte einzelne Spieler in die für sie deutlich angenehmeren Spielpositionen unter, Ramy Bensebaini etwa als halblinken Innenverteidiger, Julian Brandt wieder auf die Zehn oder Angreifer Maximilian Beier, der deutlich zentraler spielen durfte und nicht auf dem Flügel geparkt wurde.
Diese Maßnahmen haben mit etwas Anlaufzeit gefruchtet und waren für die Phase der Saison offenbar die exakt richtigen Lösungsansätze. Ob damit dann aber auch die neue Saison baugleich zu bestreiten ist, darf auch in der Stunde des Triumphs angezweifelt werden: In einigen Spielen waren die fast schon traditionellen BVB-Probleme gerade gegen tiefstehende Gegner nicht zu übersehen. Hier wird Kovac dann für die Zukunft eher als Entwickler denn als Nothelfer gefragt sein.
Der Faktor Glück
Ein wesentlicher Baustein für das Erreichen von Platz vier war auch der Faktor Glück. Das Ausscheiden in der Königsklasse spielte dafür gleich doppelt eine entscheidende Rolle: nach dem desaströsen 0:4 von Barcelona war die Reise für den BVB in der Champions League quasi zu Ende. Und weil auch der FC Barcelona das Duell mehr oder weniger abgehakt hatte, erschienen die Katalanen im Rückspiel in Dortmund nur noch im Verwaltungsmodus.
Barca ließ den Gegner gewähren und der BVB nahm die Einladung dankend an. Der 3:1-Sieg war für diesen Wettbewerb nur noch Makulatur, für die Köpfe der Dortmunder Spieler aber ganz besonders wichtig: Die Spieler konnten erfahren, dass mit "ihrem" Fußball auch gegen die ganz Großen zu bestehen ist, dass die Kovac-Maßnahmen greifen. Die Klatsche von Barcelona hatte für den restlichen Saisonverlauf also doch noch positiven Wert.
Plus: In einigen Spielen konnte sich die Borussia auch auf das notwendige Glück verlassen. Nicht nur Hoffenheims Trainer Christian Ilzer sah im späten Dortmunder Siegtreffer gegen seine Mannschaft eine "Skandalentscheidung", die der Borussia zwei zusätzliche Punkte einbrachte. In Leverkusen zuletzt wurde der BVB von Bayer förmlich an die Wand gespielt. Die gnadenlose Effizienz im Angriff, ein überragender Gregor Kobel im Tor und eine beträchtliche Portion Glück ließen die Borussia dennoch als Sieger vom Platz gehen.
Und weil die Konkurrenz sich plötzlich für ein Schneckenrennen um die Plätze drei und vier entschied und partout ihre Spiele nicht mehr regelmäßig gewinnen wollte, blieb die Tür zur Königsklasse überhaupt erst auf für die Borussia. Mit lediglich 57 Punkten haben die Dortmunder doch noch den letzten Schritt getan. So wenige Zähler reichten zuletzt vor acht Jahren noch für Platz vier. Profiteur damals: Borussia Dortmund, das sich mit 55 Punkten noch in die Königsklasse zitterte.