Noch weiß niemand außerhalb des Vereins wie der FC Bayern mit Noussair Mazraoui verfahren wird. Ein erstes Indiz gibt es zwar, doch noch scheint alles in der Schwebe. Sicher ist nur: Die Causa Mazraoui überschattet alle anderen Themen beim deutschen Rekordmeister.

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Es waren Szenen wie bei einer Verbrecherjagd. Als Noussair Mazraoui am Mittwoch beim Verlassen der Zentrale des FC Bayern an der Säbener Straße die wartenden Reporter zu Gesicht bekam, nahm er sein Handy vom rechten Ohr und sprintete los. Sekunden später sprang er in ein wartendes Auto, und weg war er. Zurück blieb zunächst die Frage: Wie würden die Verantwortlichen der Münchner nach dem Gespräch mit dem Marokkaner reagieren? Am Donnerstag absolvierte Mazraoui auf dem Klubgelände Lauftraining. Ein erstes Indiz?

Als gäbe es nicht andere Themen: Der bei der Länderspielreise erkrankte und vorzeitig heimgekehrte Joshua Kimmich stand am Donnerstag schon wieder auf dem Trainingsplatz, Dayot Upamecano kann nach seiner Verletzung nur individuell trainieren - und Manuel Neuer steht allem Anschein nach vor seinem Comeback. Tatsächlich aber beschäftigten den FC Bayern, und nicht nur ihn, seit Sonntag vor allem die pro-palästinensischen Mitteilungen, die Noussair Mazraoui während des Aufenthalts bei der Nationalmannschaft über Soziale Netzwerke verbreitet hatte.

Mazraoui treibt Bayern in eine Zwickmühle

Der Rechtsverteidiger, angesichts der Personalsituation der Münchner sportlich wertvoller denn je, hat die Bayern durch seine Posts in eine Zwickmühle getrieben. Am 12. November findet die Jahreshauptversammlung der Bayern statt, dabei soll eine Satzungsänderung verabschiedet werden. Durch sie würde sich der Verein dazu verpflichten, antisemitischem Verhalten entgegenzutreten. Und: Das "Offenbaren einer Gesinnung", die mit den Klubwerten nicht zu vereinbaren ist, kann explizit zum Vereinsausschluss führen.

Mazraoui hatte am Wochenende bei Instagram unter anderem einen Post geteilt, in dem es heißt, die "unterdrückten Brüder in Palästina" sollten im Konflikt mit Israel "den Sieg erringen". Den Post löschte er wenig später, zudem gab er via Bild eine einordnende Erklärung ab. Allerdings: Von einer Entschuldigung oder Verurteilung des Terrors sah er dabei ab, was unter anderen beim Zentralrat der Juden und mehreren Politikern für harsche Kritik und den Ruf nach Konsequenzen sorgte.

Beim FC Bayern werde "jedes Gramm Nudeln abgewogen, aber auf dem Social-Media-Gebiet sind Spieler nicht geschult. So ein Posting kann immens viel Schaden anrichten", sagte Alon Meyer, Präsident des Sportverbandes Makkabi Deutschland, bei Sky. Viele Profis könnten "nicht abschätzen, welche Wirkung ihre Beiträge" hätten. Ein Problem sei, dass viele Spieler "den Sinn von 'Free Palestine' nicht verstehen", so Meyer weiter. Der Ausdruck steht für die Zielsetzung eines freien Palästina vom Fluss Jordan bis zum Meer - damit wird Israel das Existenzrecht abgesprochen.

Bayern solidarisiert sich mit Israel

Der FC Bayern, einst groß gemacht von seinem jüdischen Präsidenten Kurt Landauer, hatte sich unmittelbar nach den Hamas-Angriffen mit dem überfallenen Land solidarisiert und auf der Plattform X (dem früheren Twitter) erklärt, es gebe "keine Rechtfertigung für die Tötungen und brutale Gewalt gegen die Zivilbevölkerung". Entscheidend hinzu kommt: Der FC Bayern hat seit wenigen Wochen einen Israeli im Kader, Ersatztorwart Daniel Peretz.

Peretz war und ist eine Verpflichtung für die Zukunft. Der FC Bayern will den 23-Jährigen, der sich in den Sozialen Medien mit emotionalen Posts geäußert hat und dabei zur Hilfe für sein Heimatland und zum Kampf gegen den Terror aufruft, zum Nachfolger von Manuel Neuer aufbauen. Neuer wiederum, so hat es den Anschein, wird nach monatelanger Reha wegen seines Beinbruchs am Samstag in Mainz (18.30 Uhr/Sky) wohl sein Comeback geben.

Die Mainzer haben am Dienstag in einer ähnlichen Situation wie der FC Bayern entschlossen gehandelt. Angreifer Anwar El Ghazi wurde wegen eines deutlich pro-palästinensischen und antisemitischen Posts entlassen. Und die Bayern? Am Freitagvormittag hält Thomas Tuchel seine obligatorische Pressekonferenz zum Spieltag ab. Spätestens dann sollte klar sein, ob Mazraoui eine Zukunft in München hat. (sid/ska)

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