Jeden Tag Corona-Nachrichten, das hält kein Mensch aus. Viel schöner ist es da doch, in Erinnerungen zu schwelgen. Genau deshalb erzählen uns verschiedene Persönlichkeiten des Fußballs von ihrem persönlichen "Spiel meines Lebens". Als Nächster an der Reihe: Doppelpass-Moderator Thomas Helmer.

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Es ist ein fester Termin im Wochenplan vieler Fußball-Fans in Deutschland: Sonntag, 11:00 Uhr, der "Doppelpass" auf "Sport1".

Seit fast fünf Jahren führt Thomas Helmer, einst Abwehrspieler von Borussia Dortmund und des FC Bayern, durch den Bundesliga-Talk und diskutiert mit prominenten Gästen aus der Branche die aktuellen Spieltage.

Thomas Helmer: BVB-Spiel bedeutender als Siege mit dem FC Bayern

Bei der Frage nach dem liebsten Spiel seiner eigenen Karriere muss der 55-Jährige derweil nicht lange überlegen.

Es handelt sich aber etwa nicht um das Uefa-Cup-Finale 1996 mit den Bayern. Es geht auch nicht um das EM-Endspiel im selben Jahr. Sondern um den ersten Titel von Borussia Dortmund nach 23 Jahren. Welche Partie ihm besonders in Erinnerung geblieben ist, erzählt Helmer in unserer Serie "Spiel meines Lebens":

Das liebste Spiel meiner Karriere war das DFB-Pokal-Finale 1989 mit Borussia Dortmund gegen Werder Bremen in Berlin. Viele werden sich fragen, warum. Ganz einfach: Es war der erste Titel meiner Karriere. Ich kam aus einer Verletzung, war fürs Endspiel aber fit. Auch wegen meines besten Freundes Nobby Dickel (Norbert Dickel, heute Stadionsprecher BVB, Anm. d. Red.) denke ich gerne daran zurück. Denn mit Nobby lag ich damals in der Sportschule Wannsee auf dem Zimmer. Wir haben davor lange diskutiert, ob er überhaupt spielen darf und sollte, weil wir alle wussten, dass sein Knie (Knorpel- und Meniskusschaden, Anm. d. Red.) das vielleicht nicht durchhält. Dann hat er im Endspiel zwei Tore gemacht und wir sind Pokalsieger geworden. Mehr geht einfach nicht.

Für Borussia Dortmund bedeutete der DFB-Pokal-Sieg 1989 einen Wendepunkt. Es war der erste Titel für die Westfalen seit 1966. Es folgten die goldenen 1990er Jahre für den BVB unter Ottmar Hitzfeld mit der Final-Teilnahme im Uefa-Cup 1993, zwei deutschen Meisterschaften (1995 und 1996) und dem Champions-League-Sieg 1997.

Ex-BVB-Star Thomas Helmer: "Bei Werder Bremen hat der Glaube gefehlt"

Besonders in Erinnerung geblieben ist mir eine Szene kurz vor Schluss. Ich habe den Ball mit rechts in die andere Hälfte geschlagen. Ich dachte zuerst, dass ich gar nicht soweit komme. Ich habe den Ball einfach ‚rausgepöhlt‘, wie man so schön sagt. Also einfach nur rausgeschossen. Mein Freund Michael Lusch, der Luschi, der kurz vorher erst eingewechselt worden war, hat ihn zweimal tippen lassen und dann ganz trocken an Oliver Reck vorbei zum 4:1 ins Tor geschossen. Ich habe mich für ihn besonders gefreut.

Leider hatte das Spiel so angefangen, wie wir es befürchtet hatten. Werder Bremen war der große Favorit. Sie sind durch Kalle Riedle (Weltmeister Karl-Heinz Riedle, Anm. d. Red.) 1:0 in Führung gegangen. Doch wir hatten einen sehr guten Teamspirit, haben den Ausgleich gemacht, die Führung, und dann haben wir gemerkt, dass bei Werder der Glaube fehlt. Mit den ganzen BVB-Fans im Rücken, das war dann ein Traum. Wir haben uns richtig ins Spiel hineingesteigert.

Werder Bremen ging als Meister von 1988 und Dritter der Bundesliga-Saison 1988/89 als klarer Favorit ins DFB-Pokal-Finale gegen Borussia Dortmund (7.). Doch im Finale hatte die Mannschaft von Trainer Otto Rehagel mit Spielern wie Mirko Votava, Dieter Eilts und Frank Neubarth letztlich keine Chance gegen einen enthemmt aufspielenden BVB.

Ex-Bayern-Profi Thomas Helmer: Ganz Berlin war voll mit BVB-Fans

Vor dem Spiel war ich noch tierisch nervös, weil ich diese Kulisse so nicht kannte. Ich hatte gesehen, was in der Stadt los war. Ganz Berlin war mit Schwarz und Gelb gefüllt. Wir waren zwei Stunden vor Spielbeginn im Stadion und ich wusste nicht so recht, was ich so lange noch machen sollte. Ich war froh, als es endlich losging. Die Feier nach dem Sieg und am nächsten Tag – das habe ich alles vergessen. Ganz ehrlich. Es war einfach Freude pur. Das kann man nicht beschreiben, wenn man so viele Leute glücklich macht.

Ich habe viele meiner Trikots verschenkt, versteigert oder verlost, aber das 1989er-Trikot, mein Erinnerungsstück an das Spiel, gebe ich einfach nicht her. Das wollten schon sehr viele Leute gerne haben. Aber da bitte ich um Verständnis. Das war mein erster Titel, und es ist deswegen ein ganz besonderes Trikot. Das hüte ich, ebenso das 1996er-Trikot (EM-Titel mit Deutschland, d. Red.). Es gibt zwei Momente, bei denen ich sage: ‚Diese Trikots, nein, tut mir leid!‘

Über die Person: Thomas Helmer, Jahrgang 1965, war Bundesliga-Profi bei Arminia Bielefeld (1984 – ´86), Borussia Dortmund (1986 – ´92) und beim FC Bayern (1992 - ´99). Er wurde mit den Münchnern dreimal Deutscher Meister (1994, 1997, 1999) und je ein Mal DFB-Pokal-Sieger mit dem BVB (1989) und den Bayern (1998). Mit dem deutschen Rekordmeister gewann er 1996 den Uefa-Cup, im selben Jahr wurde der Ostwestfale Europameister mit Deutschland. Seit 2015 moderiert er für den TV-Sender Sport1 die Kult-Sendung Doppelpass.
Bildmaterial von imago/Kicker/Liedel/Ferdi Hartung/Buzzi/Zink/Nordphoto
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