Jeden Tag nur Corona-Nachrichten und kein Fußball, das hält kein Mensch aus. Viel schöner ist es da doch in Erinnerungen zu schwelgen. Genau deshalb erzählen uns verschiedene Persönlichkeiten des Fußballs von ihrem persönlichen "Spiel meines Lebens". Als nächster an der Reihe: die bayerische Fußballlegende Manni Schwabl.

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Manfred Schwabl ist dreimaliger Deutscher Meister mit dem FC Bayern geworden. Er hat den DFB Pokal 1986 gewonnen, hat beim TSV 1860 München und dem 1. FC Nürnberg gespielt, ist inzwischen Präsident der Spvgg Unterhaching und darf zurecht als bayerische Fußballlegende gelten. Bei "Spiel meines Lebens" fällt ihm jedoch zuallererst eine Schafkopfpartie ein. Weil die Autorin vom Schafkopfspiel - trotz der Bemühungen ihres Vaters - nichts versteht, erzählt Schwabl dann doch vom Fußball und wählt dabei eine ganz besondere Partie als "Das Spiel meines Lebens". Schwabl erzählt natürlich in tiefstem Bayerisch, zum besseren Verständnis wurde das Protokoll etwas eingedeutscht und an manchen Stellen von Herrn Schwabl weiter ergänzt:

"Für mich als kleinen Jungen gab es damals ja nichts Anderes als Fußball. Ich bin 500 Meter vom Fußballplatz entfernt aufgewachsen. Nach der Weltmeisterschaft 1974 gab es einen Fußball-Boom in Deutschland und dann haben sich die ersten Schüler- und Jugendmannschaften in Holzkirchen entwickelt. Ich war da immer vorne mit dabei und auch immer Kapitän. Und: Ich war schon von klein auf Bayern-Fan, habe in Bayern-Bettwäsche geschlafen und wenn Bayern verloren hat, habe ich geweint, als würde die Welt zusammenbrechen.

Und wenn sie in Rottach-Egern am Tegernsee im Trainingslager waren, bin ich schon als Achtjähriger mit dem Zug hingefahren und habe mir die Autogrammkarte mit der persönlichen Unterschrift vom Beckenbauer geholt, der übrigens total nett war zu mir.

Dann kam es eines schönen Tages im Mai 1977, und zwar am Fronleichnamstag zu einem Freundschaftsspiel FC Holzkirchen gegen den großen FC Bayern. Aber es gab ein Riesenproblem: die Fronleichnams-Prozession im erzkatholischen Holzkirchen. Und von unserer Mannschaft mussten da natürlich viele dabei sein. Wir haben das Spiel ohnehin schon so gelegt, dass es sich zeitlich gerade so ausgeht, aber ich habe mir gedacht, "Jetzt spielen wir schon mal gegen Bayern, da nutzt es mir nichts, wenn ich erst kurz vor Anpfiff am Platz ankomme, ich muss mich doch mental vorbereiten und auch schauen, ob am Platz auch alles hergerichtet ist". Also habe ich mit meiner Mama geredet und wir haben ausgemacht, dass wir das schon hinkriegen. Ich bin dann auf ein Handzeichen von der Mama hin im richtigen Moment aus dem Fronleichnamszug ausgeschert.

Übrigens: Meine Mama ist auch mit abgebogen und hat mich zum Fußballplatz gebracht. Der Papa war ein bisschen weiter vorne, das haben wir schon clever gemacht. Das wäre bei ihm nämlich nicht so gut angekommen. Aber meine Mama wusste einfach, dass ich ein total Fußballverrückter bin und mich nicht mal eine Fronleichnams-Prozession aufhalten kann.

Ich als Kapitän war also so früh am Platz oben, da war noch überhaupt niemand da. Die anderen sind brav die Prozession mitgegangen und sind dann gerade rechtzeitig zum Anpfiff gekommen.

Das Spiel ging 1:1 aus und ich höchstpersönlich habe in der letzten Minute den Ausgleich geschossen. Ich war nach einem Solo-Lauf allein vor dem Torwart und hab den Ball dann locker reingeschoben. Das war schon eine gute Einzelleistung, soweit ich mich erinnern kann.

Die Krönung war allerdings, dass während des Spiels – das hat sich später herausgestellt – der Trainer der Bayern einfach jemand x-beliebigen von den zahlreichen Zuschauern gefragt hat, wer denn der Kleine wäre. Ich war natürlich damals schon immer mit Abstand der Kleinste. Und der Trainer erwischt ausgerechnet meinen Papa, der mittlerweile auch am Fußballplatz war. Mein Papa sagt: "Das ist meiner" und war natürlich auch sehr stolz.

Und nach dem Spiel ist dann auch noch der Trainer von den Bayern zu mir gekommen und hat mich gefragt, ob ich nicht einmal bei Bayern spielen will. Ich dachte, ich fange an zu träumen. Ich habe dann ganz perplex gesagt, dass ich mit meinen Eltern reden werde und wir uns das dann überlegen. Ich konnte ja nicht einfach ja sagen. Also haben wir überlegt wegen der Schule und wie ich da mehrmals die Woche nach München kommen soll, weil bis dato hatte ich wahrscheinlich noch nie eine S-Bahn von innen gesehen. Was wird dann dabei herausgekommen sein: Ich bin natürlich hingegangen und dachte, es ist erstmal nur für ein Jahr.

Gefahren hat mich übrigens immer mein Papa, der sein Fuhrunternehmen dementsprechend organisiert hat und die Mama war natürlich auch immer mit dabei. Und so ging Jahr ums Jahr ins Land und ich bin dann am Ende als einziger meines Jahrgangs nach oben durchgekommen und habe sieben Jahren später meinen ersten Profivertrag mit Udo Lattek als Trainer und Uli Hoeneß als Manager bei den großen Bayern bekommen. Die absolute Krönung war dann aber noch, dass ich meine vier A-Länderspiele bei Franz Beckenbauer als Bundestrainer absolviert habe. Zum Glück war ich damals am Tegernsee freundlich zu ihm, als ich mir sein Autogramm geholt habe.

Hätte es das Spiel an diesem Fronleichnamstag nicht gegeben, oder hätte ich mit meiner Mama nicht den Deal gemacht, dass ich früher ausscheren darf, hätte ich vielleicht nicht so eine total aufregende Karriere erlebt. Das war schon sehr schicksalshaft alles. Vielleicht hat der Fußballgott gesagt, da machen wir mal eine Geschichte draus."

Bildmaterial von imago/Fred Joch/Kicker/Liedel/foto2press
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