Es ist nicht unüblich, dass Frauen vor einem Turnier auch gegen männliche U-Teams testen. Weil die Schweizerinnen deutlich verlieren, stehen Gegnerinnen des Fußballs der Frauen vor Begeisterung Kopf. Ihr Abgesang ist zutiefst misogyn.

Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Mara Pfeiffer dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Nächste Woche beginnt die EM in der Schweiz, da spielen Frauen gegeneinander Fußball und so langsam kommt das auch an den Stammtischen dieser Welt an. Klingt sehr salopp? Sicher, aber trotz über hundertjähriger Bemühungen, dies zu ändern, ist Fußball eben auch heute ein männlich dominiertes System, und nicht nur das: Viele Herren der Schöpfung finden es nach wie vor unnötig, dass Frauen spielen – oder werten den Sport ab, wenn diese kicken.

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Es ist eine Diskussion, die von außen betrachtet völlig unverständlich ist, und die vor allem im Fußball geführt wird – obwohl auch andere Sportarten von ihr betroffen sind. Wo Männer am Ball sind, ist oben, deswegen ist "Fußball" automatisch jener der männlichen Profis, mit den Beilagen Frauenfußball, Amateur*innenfußball, Jugend- und Kinderfußball.

Aber um in dem Bild zu bleiben: Keine Kartoffel und kein Salat nimmt den Männern ihr Steak weg, will heißen, sie verlieren nichts dadurch, dass andere auch Fußball spielen. Im Gegenteil gewinnen alle, weil Sport, weil Fußball, eben etwas ist, das große Gefühle entfacht, die teilbar sind.

Die Häme ist so erwartbar wie problematisch

Wo also liegt das Problem? Offensichtlich unter anderem darin, dass Frauen sich erdreisten, für ihren Sport bezahlt werden zu wollen. Und zwar – sofern sie ihn als Beruf und in Ligen mit profiähnlichen Bedingungen ausüben – so, dass sie davon leben können. Frechheit! Schließlich ist Frauenfußball allenfalls ein Hobby. Denn es interessiert doch niemanden, wenn die kicken – eine Behauptung, die trotz Rekorden bei Turnieren und Highlightspielen bestehen bleibt.

Es sei denn, die Schweizer Nati verliert in einem Testspiel mit 1:7 gegen die U15 des FC Luzern. Dann sind die Kommentarspalten auf Social Media plötzlich voll mit Expert*innen, die Häme und Hass über die Spielerinnen ausgießen, allen voran Alisha Lehmann, die sowieso besonders von Misogynie betroffen ist. Die spielt nämlich nicht nur Fußball, die schminkt sich auch noch! Und fordert faire Bezahlungen für Spielerinnen – wo kommen wir denn da hin?

Dieselben Spezis, die sonst in Leserbriefen und sozialen Medien wortreich erklären, man dürfe den Fußball der Frauen und den der Männer nicht vergleichen – dann nämlich, wenn es um bessere Strukturen und Gehälter geht – sind plötzlich ganz vorne dabei, Vergleiche zu ziehen. Die dann in Abwertung münden: Ein Team, das gegen eine U15 verliert, stellt schließlich unter Beweis, warum Spielerinnen keine ordentliche Bezahlung bekommen und das auch richtig ist.

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Kein Wort davon, dass Jungs bis heute besseren Zugang zum Fußball haben, ab einem frühen Alter gezielt gefördert werden. Kein Wort darüber, dass Mädchen – auch die, die mithalten können – im Teenagerinnenalter aus den Jungsteams fliegen, in denen sie bis dahin vielleicht waren, und das einen brutalen Abstieg in den Strukturen bedeutet. Kein Wort dazu, wie diese Testmatches ablaufen – im konkreten Fall: zweimal 45 Minuten, mit zwei längeren Pausen und 28 eingesetzten Spielerinnen – oder welchen Sinn sie erfüllen, nämlich Wettkampfhärte zu simulieren. Das funktioniert mit den männlichen Jugendlichen prima.

Man könnte bezüglich der Schweizer Nati darüber sprechen, dass die seit acht Länderspielen ohne Sieg ist, was die Fans berechtigterweise besorgt. Man könnte angesichts der EM verstärkt darauf schauen, wo der Fußball der Frauen bei aller derzeitigen Begeisterung nach wie vor eklatant stockt, wie mehr Mädchen in den Sport kommen und was an den Strukturen getan werden muss, die weiter zu wenig Raum für Frauen lassen, von Vereinen über Verbände bis hin zu fast allen dem Sport angeschlossenen Umfeldern. All das passiert trotz Notwendigkeit zu wenig.

Stattdessen halten sich Theken-Günther und Kommentarspalten-Manfred die kenntnisfreien Bäuche vor Lachen angesichts eines Ergebnisses, das gar nicht öffentlich werden sollte. Nicht, weil das Spiel verloren ging, sondern, weil das Ergebnis keinerlei Wert hat. Die Diskussion darum beweist lediglich eins: Diejenigen, die sich hämisch beteiligen, haben immer noch mehr Freude daran, Frauen niederzumachen, als sich seriös mit Fragen von Förderung, Zugang und Gleichberechtigung zu beschäftigen. Darin wiederum liegt die eigentliche Dramatik.