An diesem Wochenende beginnt für den TSV 1860 eine neue Zeitrechnung. Beim Traditionsverein aus München sagt Investor Ismaik Servus. Und noch ein Verantwortlicher muss seinen Stuhl räumen.

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Eines der turbulentesten Kapitel der jüngeren deutschen Fußball-Historie endet: Nach 14 Jahren zieht sich Hasan Ismaik überraschend als Investor des TSV 1860 München zurück. Was für den Jordanier 2011 mit Champions-League-Träumen begann, endet nach eineinhalb Jahrzehnten voll Chaos, Querelen und Zwists im Niemandsland der 3. Liga.

Die "Löwen" teilten mit, dass Ismaik seine Anteile am Traditionsverein an eine Schweizer Familienholding verkauft. Wer genau künftig an der Grünwalder Straße das Sagen hat, blieb dabei zunächst noch geheim.

Fans feiern Ismaik-Abschied mit spontanem Feuerwerk

Für die Sechziger soll nun alles besser werden. Einige Fans feierten die überraschende Nachricht vom Weggang Ismaiks. Noch in der Nacht zündeten sie unweit des Grünwalder Stadions auf der Straße ein kleines Feuerwerk.

Kommende Woche soll der Verkauf offiziell vollzogen werden. Das Präsidium des TSV 1860 tönte: "Gemeinsam werden wir jetzt unser großes Ziel 2. Liga angehen." Dem Verein werden den Angaben zufolge alle Kreditschulden erlassen außer der Finanzierungszusagen, die für die Lizenz der laufenden Saison erforderlich seien.

"1860 München schuldenfrei zu hinterlassen, ist eine wunderbare Erfolgsgeschichte und ich freue mich sehr, das Staffelholz an jemanden zu übergeben, der dem Verein derart helfen kann", wurde Ismaik in der Mitteilung zitiert. Die Höhe des Kaufpreises wurde nicht verraten.

Ein Ziel der neuen Hauptanteilseigner sei, das altehrwürdige Grünwalder Stadion auszubauen und zweitligatauglich zu machen. Darüber wird freilich schon seit Jahren gestritten – bislang ohne Ergebnis. Ismaik selbst hatte zwischendurch von einer neuen Arena geträumt, inklusive Raubtiergehege. Der Ausbau des Stadions wird aber nicht einfach. Baukosten in Millionenhöhe werden auf den Verein zukommen. Zudem ist das zukünftige Platzangebot begrenzt. Von derzeit 15.000 Plätzen kann es wohl nur auf etwas über 18.000 Plätze aufgestockt werden.

Kolossale Fehleinschätzungen und Kämpfe allerorten

Es war dies nur eine der vielen wilden Ideen, die aus der Zeit des Investors in München ein großes Missverständnis machten. Ismaik kaufte sich 2011 bei den Sechzigern ein und verhinderte eine Insolvenz. In der Hoffnung, dass die deutsche 50+1-Regel zur Machtbegrenzung von Investoren bald abgeschafft wird, fantasierte er von der Rückkehr des damaligen Zweitligisten in die Bundesliga und der Qualifikation für die Champions League.

Ismaik sollte sich kolossal verschätzen. Er in Abu Dhabi oder seine Statthalter in München stritten permanent mit den Bossen des Stammvereins. Er legte sich auch mit den Fans an, die ihn hassten und als "Scheich" verunglimpften.

Hasan Ismaik (l) und Trainer Vítor Pereira
Der jordanische Investor Hasan Ismaik (l.) stellte 2016 den neuen Trainer des Fußball-Zweitligisten TSV 1860 München, vor. In der selben Saison ging es gleich zwei Ligen runter. © picture alliance/Tobias Hase/dpa

Selbst prominente Neuverpflichtungen wie etwa Star-Manager Ian Ayre vom FC Liverpool oder Trainer Vitor Pereira führten nicht zum Erfolg – im Gegenteil: Just unter den beiden Top-Funktionären stieg 1860 im Frühjahr 2017 aus der 2. Liga ab. Weil Ismaik dann die Zahlung von elf Millionen Euro verweigerte, ging es für die "Löwen" nicht nur in die 3. Liga, sondern sogar in die Regionalliga: Memmingen statt Madrid, Pipinsried statt Paris, Bayreuth statt Barcelona.

Die Sechziger stiegen zwar sofort in die 3. Liga auf – dort aber dümpeln sie immer noch vor sich hin. Aber ganz ohne Investor ging es auch in der 3. Liga nicht. Immer wieder musste Ismaik Geld zuschießen, um die Lizenz in der dritten Liga halten zu können und die Gehälter der Spieler zu bezahlen.

Erst der Investor, dann der Präsident

Dieses Wochenende läutet nicht nur das Ende des Investors bei 1860 ein, sondern auch die des langjährigen Präsidenten Robert Reisingers. Reisinger übernahm die Löwen nach dem Zwangsabstieg in die 4. Liga 2017. Seitdem hatten er und der mächtige Verwaltungsrat an der Grünwalder Straße das Sagen. Immer wieder kam es zwischen seiner Seite und der Ismaik-Seite zu Streitereien. Häufiger wurde die 50+1-Karte gespielt und Entscheidungen trotz des Vetos des Investors durchgedrückt.

Die Frontlinien schienen lange Zeit abgesteckt bei den Blauen aus München. Doch der mächtige Verwaltungsrat und Präsident Reisinger überwarfen sich in der vergangenen Saison. Der Rückhalt bröckelte.

Bezeichnenderweise findet ausgerechnet an diesem Wochenende in München die Mitgliederversammlung des Vereins statt. Reisinger wird als Präsident abgewählt. Sein Nachfolger steht schon fest. Für ihn übernimmt Gernot Mang, ein Unternehmer aus München.

Kommt ohne den Investor und Präsident nun der Erfolg? Bei den Buchmachern ist 1860 dank namhafter Neuzugänge wie Kevin Volland und Florian Niederlechner der Aufstiegsfavorit in die 2. Bundesliga. Es bleibt also spannend, ob es die Münchner Löwen schaffen, endlich in ruhigeres Fahrwasser einzutauchen. (dpa/bearbeitet von the)