Künstliche Intelligenz verändert den Fußball und wirkt nun auch bei Transfers und im Management der Profiklubs mit. Aufstiegsgarantie gefällig?

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Die neue Macht im Fußball denkt in Wahrscheinlichkeiten. Sie misst Trainerleistungen, bewertet Kaderstrukturen und prognostiziert Erfolge. "Das ist Moneyball 4.0", verspricht Jan Wendt in Anlehnung an die gleichnamig von Hollywood verfilmte Erfolgsgeschichte aus dem Baseball.

Er ist Mitgründer des Hamburger Unternehmens Plaier, das laut Slogan die "KI-Revolution im Sport" vorantreibt. Es ist der Versuch, sportlichen Erfolg mathematisch berechenbar zu machen. Nicht mehr rückblickend, wie einst vor mehr als 20 Jahren bei den Oakland A's, sondern vorausschauend, dynamisch und automatisiert.

"Moneyball ist eine retrospektive Betrachtung – historische Leistungsdaten. Wir gehen viel weiter: Wir prognostizieren auch, gegen welchen Gegenspieler ein Spieler besonders effektiv wäre", sagte Wendt im Gespräch mit dem Sport-Informations-Dienst (SID).

Profivereine nutzen KI schon längst

31 Positionen. 140 Parameter pro Position. Millionen Datenpunkte pro Spieltag. Die Zahlen sind beeindruckend, das Unternehmen analysiert Kader, Spieler und Vereinsstrategien in einer bislang nicht gekannten Tiefe und Präzision.

Das ist auch längst bei den Profivereinen angekommen. Knapp 50 Klubs arbeiten weltweit mit Plaier zusammen, auch aus den deutschen Top-Ligen. Sie binden KI-Instrumente bereits in die Trainingsoptimierung, die Spielgestaltung und Taktik ein - und nun auch ins Scouting und Management.

So liefert die KI etwa eine "Aufstiegsgarantie". Dafür erstellt die Maschine namens "EffectR" Bewertungen. Jeder einzelne Spieler erhält einen "Score". "Der durchschnittliche Premier-League-Spieler hat einen 5000er-Score bei uns, der durchschnittliche Bundesliga-Spieler ungefähr 4500. Es gibt etwa 200 Spieler weltweit über 6000", erklärt der Geschäftsführer.

Möchte ein Verein aufsteigen, "dann sagen wir dem Verein: Wenn du diesen Score erreichst, steigst du in sechs von zehn Jahren auf – oder du bekommst quasi eine Aufstiegsgarantie, wenn der Kader gut genug ist, was wiederum vom Budget abhängt", sagt Wendt.

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Nur der Trainer-Effekt soll der KI fehlen

Die Prognosen entstehen auf Basis der Analyse vergangener Jahre und der Ermittlung der Kaderqualitäten. "Wir können vor einer Saison genau sagen, wie stark ein Verein theoretisch sein müsste", sagt Wendt. Einzig der "kurzfristige Trainer-Effekt" sei schwierig vorherzusagen, "weil uns einfach bestimmte Daten aus der Kabine fehlen".

Mehr als 370.000 Spieler aus mehr als 200 Ländern sind im System integriert. Der immense Datenreichtum hilft auch bei Transferprognosen. "Neun von zehn Transfers funktionieren so, wie wir es vorhergesagt haben. Die Klubs schaffen zwischen 30 und 60 Prozent Genauigkeit", sagt Wendt: "Wir sind also wesentlich genauer als der Mensch. Das ist natürlich ein Riesensprung."

Die Maschine bewertet Transferkandidaten ausschließlich über den prognostizierten Effekt für das Team - und löst sich dabei von vermeintlichen Gegebenheiten: "Muss ein Stürmer köpfen können? Die Frage muss eben erlaubt sein, ob diese menschlich-intuitiven Selbstverständlichkeiten eigentlich immer richtig sind", sagt Wendt.

Wofür es trotzdem noch menschliche Scouts braucht

Und der Mensch? Verschwindet der klassische Scout? "Das ist ein großes Missverständnis, das mich ärgert", sagt Wendt: "Wir beseitigen nur die Grundunsicherheit: Ist der Spieler gut genug?" Für die Auswirkungen auf das Teamgefüge oder die Mentalität benötige es weiterhin Scouts und Expertise des Vereins.

Dass KI die Sportwelt aber reformiert wie einst Brad Pitt als Billy Beane in "Moneyball", scheint gewiss. "Die eigentliche Revolution passiert im Stillen: in Medizin, Vertrieb, Logistik – und eben auch im Fußball", sagt Wendt. (sid/bearbeitet von jum)