Wegen eines "diskriminierenden unsportlichen" Verhaltens der Fans muss Rot-Weiss Essen 20.000 Euro Strafe zahlen. Das Urteil ist wichtig. In Sachen Prävention und Lerneffekt muss Aufmerksamkeit weg von der Betroffenen und auf die Täter gerichtet werden.
Als im Drittligaspiel des SC Verl gegen Rot-Weiss Essen Ende März in Verl die Schiedsrichterin von Teilen des Essener Anhangs massiv sexistisch beleidigt wird, bleibt ein Aufschrei zunächst aus. Erst als die Journalistin Nora Hespers für die Sportschau recherchiert, kommt Bewegung in das Thema. Der DFB-Kontrollausschuss leitet Ermittlungen ein, der Verein äußert sich.
Ob die Schiedsrichterin die Diskriminierungen sowie Aufrufe zur sexualisierten Gewalt gehört hat oder nicht, dazu möchte sie nichts sagen, wie generell zu dem Thema – verständlich. Sie ist die einzige Frau, die im Männerbereich auf diesem Niveau pfeift. Auch ohne ihre persönlichen Aussagen ist ihr Name derzeit online fast ausschließlich mit dem Vorfall verknüpft. Dabei ist sie die Betroffene. Die Namen der Täter? Sie sind nicht bekannt. Eine klassische Konstellation. Der Name der Unparteiischen wird deshalb in diesem Text bewusst nicht erneut genannt.
"Diskriminierendes unsportliches Verhalten": Strafe für Essen
Das Sportgericht des DFB hat den Drittligisten aus Essen nun wegen "eines diskriminierenden unsportlichen Verhaltens seiner Anhänger" mit einer Geldstrafe von 20.000 Euro belegt, der Verein kann bis zu 6.650 Euro für präventive Maßnahmen verwenden. Die Schiedsrichterin hat zudem inzwischen auch auf zivilrechtlichem Wege Anzeige erstattet.
Der DFB hat zwei Dinge sehr klug gelöst bei der Kommunikation des Urteils: Bebildert ist es mit einem Logo des Vereins, der Name der Schiri ist nicht Teil der Überschrift. Natürlich war es – auch medial – zunächst geboten, diesen zu nennen, zumal er in Verbindung mit der Spiel-Ansetzung öffentlich ist. Der Verband tut aber gut daran, seine Mitarbeiterin nun zu schützen und dazu beizutragen, sie von dem Fall zu lösen.
Es geht niemals um die Rocklänge
Denn es handelt sich nicht um eine Causa der Schiedsrichterin, es handelt sich um eine Causa diskriminierender, übergriffiger Anhänger. Auf diese muss der Fokus gerichtet werden – nicht auf einen Verein bezogen, sondern ganz grundsätzlich –, wenn es um Aufarbeitung geht. Was heißt das aber? Es geht um Prävention, die bei potentiellen Tätern ansetzt, statt immer wieder die Betroffenen in den Fokus zu nehmen.
Zu oft wird bei Vorfällen sexualisierter Gewalt im Sport noch im übertragenen Sinne die Rocklänge diskutiert. Im vorliegenden Fall wäre das der Fehler, welcher der Schiedsrichterin in der Partie unterlaufen ist, der aber selbstverständlich die Ausfälle nicht rechtfertigt.
Die Verantwortung, Schiris generell und weibliche im Besonderen zu schützen, liegt bei Vereinen und Verbänden. Sie müssen effektivere Maßnahmen entwickeln und zur Anwendung bringen, mit denen Fans, aber auch Mitarbeitende geschult werden: Was ist Sexismus? Wo beginnt ein Übergriff? Wie verhalte ich mich, wenn ich sexualisierte Übergriffe mitbekomme? Das gilt auch an der Basis, wo die Klubs aber umso mehr auf Unterstützung des Verbandes angewiesen sind.
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Männer, werdet Teil der Lösung!
Fußball ist cis-hetero männlich dominiert. Was dazu führt, dass allein diese Aussage für viele in dem Sport ein Ärgernis darstellt, nach dem Motto: Wo ist das Problem? Dabei liegt es auf der Hand, denn andere Menschen erleben Fußball zu oft als nicht sicher, exkludierend und diskriminierend. Um das zu ändern, muss angesetzt werden bei jenen, die ihn dominieren, indem sie Dominanz und Privilegien erkennen, reflektieren und ihr Verhalten ändern.
Bei einem Vorfall wie dem, der nun bestraft wurde, darf man deshalb auch fragen: Wieso wird in Sachen Präventivmaßnahmen nicht viel mehr gefordert? Ganz grundsätzlich muss diskutiert werden, wie der DFB als Verband mit den Vereinen eine bessere Basisarbeit zu diesen Themen leisten kann. Notwendig ist außerdem eine gezieltere Förderung weiblicher Schiris.
So lange Frauen auf dem Feld die Ausnahme sind, werden sie es immer schwerer haben als die Kollegen. Von denen war übrigens öffentlich wenig bis gar keine Solidarisierung zu hören. Aber jeder Mann, der zu diesen Themen schweigt, ist Teil des Problems, statt Teil der Lösung.