• Durch die Wettkämpfe zuletzt in München kommt die Diskussion wieder auf, ob Deutschland eine Olympia-Bewerbung forcieren sollte.
  • In den letzten 50 Jahren waren solche Bewerbungen stets gescheitert.
  • Entscheidend wäre eine umfassende Nachhaltigkeitsstrategie - und so wenige Eingriffe in den Wettkampfstädten wie möglich.

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Die European Championships im August in München haben einen Hype ausgelöst, den wohl selbst die Veranstalter in dieser Form nicht erwarten konnten. Innerhalb von zehn Tagen trugen diverse Verbände ihre Europameisterschaften in München aus – und erlebten einen immensen Zuschauerzuspruch. Fast exakt 50 Jahre nach den letzten Olympischen Spielen auf deutschem Boden wird nun wieder heiß diskutiert, ob Deutschland eine weitere Bewerbung wagen sollte.

In der jüngeren Vergangenheit waren Versuche mehrfach gescheitert – entweder im Bewerbungsprozess selbst oder bereits bei Referenden vor Ort, die hinsichtlich einer möglichen Bewerbung abgehalten wurden. Doch trotz dieser Negativerlebnisse kann sich ein neuerlicher Hype nicht leugnen lassen, und die Fußball-Europameisterschaft im Jahr 2024 könnte das Ganze sogar noch verstärken.

Sicherheitskosten im Milliardenbereich

Nun stellt sich jedoch die Frage, welche Voraussetzungen ein Konzept für Olympische Spiele in Deutschland erfüllen müsste, um einerseits von der Bevölkerung und andererseits von den Entscheidern im Internationalen Olympischen Komitee (IOK) angenommen zu werden. Die Vorbehalte in Deutschland selbst gegenüber der Ausrichtung von Olympischen Spielen bezogen sich in den vergangenen Jahren vor allem auf die hohen Investitionen, die notwendig wären und in Zeiten steigender Kosten für Privathaushalte umso problematischer wirken, sowie die Nachhaltigkeit der Sportstätten.

Darüber hinaus führen die Spiele auch zu einem nicht zu unterschätzenden Eingriff ins öffentliche Leben. Die Sicherheitskosten liegen für Sommerspiele mittlerweile im Milliardenbereich. Bei den Wettkämpfen in London 2012 etwa waren 50.000 Sicherheitskräfte im Einsatz. Die Überwachung von Zuschauern und des öffentlichen Raums schien enorm. Das wäre in Deutschland keinesfalls anders.

Ökologische Mindeststandards zu wenig

Allerdings lässt sich an diesem "modernen" Element der Spiele wenig bis gar nichts ändern. Mehr Möglichkeiten hätten die deutschen Ausrichter bei Punkten wie Nachhaltigkeit. Seit rund zehn Jahren müssen Olympiabewerbungen ohnehin Nachhaltigkeitskriterien erfüllen, die würden aber nicht weit genug gehen, findet Henning Wilts vom Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie. "Wenn Deutschland die Spiele bekäme, dann müsste man die Mindeststandards des IOK nehmen und deutlich drüber gehen – und sich zur Einhaltung verpflichten", findet der Experte für Kreislaufwirtschaft.

Wichtig seien vor allem zwei Fragen: Was wird neu gebaut? Und wie ist die Verkehrsinfrastruktur? Der Vorteil von einer Stadt wie München, die sowohl Sommer- als auch in Kooperation mit nahegelegenen Orten Winterspiele austragen könnte, liegt darin, dass bereits einige Sportstätten vorhanden sind. Die Ausrichtung der European Championships kürzlich hat vor Augen geführt, wie selbst heute noch Anlagen und Infrastruktur von 1972 genutzt werden können. Auf ihre Weise waren die Spiele von damals nachhaltig konzipiert.

Wettkämpfe über viele Orte verteilen

Viele kennen die Bilder von vergammelnden Fußballstadien, die nach einer Weltmeisterschaft nicht mehr oder nur unzureichend genutzt und gepflegt werden. Jeder Neubau bedeutet in der Regel einen Eingriff in die Natur, die Versiegelung von Flächen und eine mögliche Enteignung von Grundstücksbesitzern. Genau daran könnte ein mögliches Referendum vor Ort bereits scheitern.

Wilts schlägt vor, "dass man verschiedene Sportarten an verschiedenen Orten austrägt" und somit die Eingriffe in einer Stadt verringert. Zudem plädiert er in diesem Zusammenhang für den Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs, von dem die Bevölkerung auch nach den Spielen noch profitieren könnte, sofern es politisch gewollt ist. Eine andere Idee bestünde in der Errichtung temporärer Wettkampfstätten, die anschließend wieder verschwinden würden. Auch das wird bereits praktiziert.

Zuschauerzahlen begrenzen

Was die Ausrichtung von Winterspielen betrifft, müsste zudem die Besucherzahl begrenzt werden. Natürlich sind Ruhpolding oder Oberstdorf für Wettkämpfe ausgestattet, nicht zuletzt, weil dort regelmäßig Weltcups oder auch Weltmeisterschaften stattfinden. Aber der Andrang wäre bei Winterspielen erheblich höher und könnte – nicht zuletzt ökologische – Konsequenzen haben. Das hat sich bereits bei Sestriere 2006 oder Whistler 2010 gezeigt.

Ohnehin müssen Olympische Spiele in Zukunft wohl anders verstanden werden. Die Stimmung im Stadion, in den Arenen oder an den Strecken ist sicherlich wichtig, wie die European Championships in München gezeigt haben, aber das Erlebnis für den Fernsehzuschauer ist gerade bei einem globalen Event umso wichtiger. Vor Ort dürfen nicht zu große Massen unterwegs sein, aber moderne Fernsehproduktionen können trotzdem alles mit ein paar Tricks und Kniffen gigantisch erscheinen lassen.

Sollte Deutschland die genannten Punkte beachten und klug vorgehen, stünde einer erfolgreichen Bewerbung nur das politische Ränkespiel innerhalb der internationalen olympischen Gemeinschaft im Weg - ökologische Gesichtspunkte jedoch nicht. "Was die ökologische Qualität von Sportstätten betrifft, wären wir vorn mit dabei", lautet das Urteil von Henning Wilts. "Das ist die große Chance, die Deutschland hätte."

Verwendete Quellen:

  • Interview mit Henning Wilts
  • Bericht des IOK zur Verwendung von ehemaligen Olympia-Sportstätten
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