Der Rechtsextremismus grassiert wieder. In den USA, in Europa, in Deutschland. Aber er ist nicht unaufhaltsam. Doch ausgerechnet dort, wo Kinder und Jugendliche von Lehrern stark gemacht werden sollen für die Demokratie, werden diese Lehrer von Rechtsextremen angegangen, wie Jan Böhmermann in der neuesten Ausgabe seines "ZDF Magazin Royale" zeigt.
Die Absetzung der US-Late-Night-Show "Jimmy Kimmel Live!" ist nicht einfach nur eine Schlagzeile in dieser Woche. Sie ist auch, ob durch direkte Einmischung oder aus vorauseilendem Gehorsam, ein Angriff auf die Meinungsfreiheit in den USA. Ein weiterer. Man muss
Verächtlichmachung der Wissenschaft, Einschüchterung von Institutionen, Denunzierung politischer Gegner, Besetzung von Gerichten zum eigenen Vorteil und nicht zuletzt: Attacken auf Journalisten und Medien, um unliebsame Meinungen, Kritik und Kontrolle zu unterbinden – all das hat System.
Und in Deutschland? Da verarbeitet
Demokratie zu lehren ist auch ein Auftrag der Schulen
"Hakenkreuze im Klassenzimmer, menschenverachtende Chats, radikale Parolen auf dem Pausenhof – an vielen Schulen in Deutschland scheint etwas gekippt zu sein", zitiert Böhmermann aus einem Bericht auf stern.de vom Mai 2025, seine eigenen Worte dazu lauten so: "Schule ist ungeil geworden – aber nicht auf die geile Art." Es folgen Schlagzeilen über Lehrer, die von Beleidigungen gegen Juden, Schwarze oder Transgender-Jugendliche berichten, eine Lehrerin erzählt in einem Einspieler von massenhaft eingeritzten Hakenkreuzen in Schulstühlen.
Um die gekippte Atmosphäre in deutschen Schulen zu verdeutlichen, zeigt Böhmermann Meldungen aus den letzten Monaten: "Wie Rechtsextreme nach Schülern fischen", "Neurechte Bewegungen in Deutschland […] richten sich gezielt auf Bildungsangebote, um ihre politischen Positionen gesellschaftlich anschlussfähig zu machen" oder: "[…] die Bildungspolitik ist die zentrale Kampfarena der AfD. Denn in den Schulen können die jungen Menschen am frühesten und zeitlich umfassend erreicht und geprägt werden."
"Was Adi nicht lernt, lernt Adolf nimmermehr. Das wissen die Rechtsextremen natürlich, das weiß die AfD und geht darum rein in die Schulen mit ihrer ganzen Nazi-Scheiße", fasst Böhmermann die Lage zusammen, nimmt aber auch die Schulen in die Pflicht: "Man soll auch Demokratie lernen. Das ist der Auftrag von Schulen." Dazu zitiert er aus dem Schulgesetz aus Baden-Württemberg: "Über die Vermittlung von Wissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten hinaus ist die Schule insbesondere gehalten, die Schüler […] zur Anerkennung der Wert- und Ordnungsvorstellungen der freiheitlich-demokratischen Grundordnung zu erziehen […]."
Lehrerin im Visier der AfD
In der Praxis sieht die Vermittlung demokratischer Werte aber nicht immer ganz so einfach aus, wie mehrere Lehrer berichten, mit denen das Team des "ZDF Magazin Royale" in Kooperation mit den Krautreportern gesprochen habe. Dort berichtet unter anderem eine Lehrerin, die auf ihrem iPad anti-rassistische Sticker hatte, dass ein AfD-Abgeordneter deshalb eine kleine Anfrage im Landtag gestellt habe. Der Fall ging an Schulaufsicht und Schulleitung, mit dem Ergebnis, dass die Lehrerin sich weder falsch verhalten habe, noch Antifa-Aufkleber auf dem iPad waren, wie der AfD-Politiker behauptet hatte.
Bei dem handele es sich, so Böhmermann, um Joachim Paul, einen Landtagsabgeordneter der AfD in Rheinland-Pfalz. Der habe Oberbürgermeister in Ludwigshafen am Rhein werden wollen, wurde aber vom Wahlausschuss nicht zur Wahl zugelassen. Den Grund zitiert Böhmermann aus dem "Spiegel": "Der Kandidat Joachim Paul soll den White-Power-Gruß gezeigt haben, eine Geste aus der Neonazi-Szene. Sein Koblenzer Wahlkreisbüro soll ein Treffpunkt der Neuen Rechten sein. […] Paul selbst bestreitet die Vorwürfe teilweise […]."
"Wegen Zweifel an der Verfassungstreue nicht zur Wahl zugelassen werden – das hat noch nicht mal Hitler hinbekommen", resümiert Böhmermann und zeigt mit knallharten Worten, warum das "ZDF Magazin Royale" auch eine Satiresendung ist. Doch das soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass Böhmermanns Befund zur Situation an deutschen Schulen beunruhigend ist: Hetze von AfD-Politikern gegen Lehrer, auch über ein Online-Portal, Druck auf Schulleitungen, einen AfD-Politiker zu einer Podiumsdiskussion einzuladen, obwohl es keine Pflicht dazu gibt und all das vor dem Hintergrund eines falsch- oder zumindest missverstandenen Neutralitätsgebot für Lehrer.
Nicht nur in Schulen ist etwas gekippt
Denn Lehrer müssen in der Schule zwar tatsächlich parteipolitisch neutral sein, aber nicht wertneutral. Im Gegenteil, Lehrer seien sogar dazu verpflichtet, für die freiheitlich-demokratische Grundordnung einzustehen und damit zum Beispiel auch gegen Rassismus – was rechtsextremen Parteien natürlich nicht gefällt. Böhmermanns Fazit dazu: "Die Rechtsextremen wollen über die Schulen und über die Parlamente Einfluss nehmen auf die Kinder."
Aber was ist Böhmermanns Botschaft hinter diesem Fazit? Auch wenn er es nicht ausspricht, geht Botschaft eins an die Schulleitungen und lautet: Stärkt den Lehrern den Rücken! Denen, die sich für Demokratie starkmachen, denen, die es wollen und besonders denen, die deshalb Anfeindungen von Eltern oder Rechtsextremen ausgesetzt sind. Botschaft zwei geht an die Politik und heißt: Helft ihnen dabei! Wo ihr nur könnt. Botschaft drei: Auch wenn das alles zusätzlich zum eigentlichen Job noch mehr Kraft erfordert: Demokratie zu lehren ist kein Oben-drauf, sondern ein Unten-drunter. Es ist die Basis, ohne die alles andere nichts ist. Und damit sind wir bei der Eingangsschlagzeile und einen Schritt später auch wieder beim Fall Jimmy Kimmel.
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Denn der Befund des "Stern", dass an vielen Schulen in Deutschland etwas gekippt sei, mag stimmen. Er stimmt aber nur, weil an anderer Stelle etwas gekippt ist: in der gesamten Gesellschaft. Hier haben nämlich all die Versuche Rechtsextremer bereits ihre Wirkung entfaltet, rennen Menschen wieder Demokratiefeinden hinterher. Und wenn Kinder und Jugendliche hören, wie im Elternhaus wieder der Rassismus blüht, muss man sich nicht wundern, wenn in der Schule wieder Hakenkreuze in Stühle geritzt werden. Dann sieht man, dass es schon längst wieder angefangen hat.