• Am 9. Oktober wird in Österreich ein neues Staatsoberhaupt gewählt.
  • Gegen den Amtsinhaber treten sieben andere Männer an.

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Vor nicht ganz sechs Jahren gab es bei der Bundespräsidentschaftswahl in Österreich ein Herzschlagfinale: Im Mai 2016 konnte sich der grün-liberale Hochschulprofessor Alexander Van der Bellen in einer Stichwahl um Haaresbreite gegen Norbert Hofer von der rechtspopulistischen FPÖ durchsetzen. Aber der Triumph jener Linker, Liberaler und Bürgerlicher, die Van der Bellen unterstützt hatten, währte nur kurz.

Ein paar Wochen später hob der Verfassungsgerichtshof die Wahl wegen grober Schlampereien bei der Stimmzählung auf. Erst im folgenden Dezember gab es Gewissheit: Van der Bellen konnte auch die Wahlwiederholung für sich entscheiden.

Bundespräsidentschaftswahl in Österreich: Umfrage sieht Van der Bellen mit 66 Prozent weit vorne

Am 9. Oktober stellt sich Van der Bellen seiner Wiederwahl. Und diesmal rechnet kaum jemand in Österreich damit, dass es für den inzwischen 78-jährigen "Professor" gefährlich werden könnte. Wie es aussieht, könnte Van der Bellen das Rennen schon in der ersten Runde für sich entscheiden: Eine Umfrage des renommierten "Unique Research"-Instituts sieht den Amtsinhaber bei 66 Prozent.

Stärkster Gegenkandidat ist der frühere Volksanwalt Walter Rosenkranz, der für die FPÖ antritt. Ihm werden in der Umfrage 13 Prozent ausgewiesen, gefolgt von den beiden parteiunabhängigen Rechtskandidaten Gerald Grosz und Tassilo Wallentin mit jeweils sechs Prozent sowie dem linken Musiker, Unternehmer und Lokalpolitiker Dominik Wlazny, der es unter dem Pseudonym Marco Pogo zu einiger Bekanntheit gebracht hat.

Er käme demnach auf fünf Prozent. Hinter ihm liegt derzeit mit drei Prozent der Rechtsanwalt Michael Brunner. Er geht für die impfkritische Partei MFG ins Rennen. Noch keine Werte gibt es für den Unternehmer Heini Staudinger, der diese Woche die für eine Kandidatur notwendigen 6.000 Unterstützungserklärungen vorlegen konnte.

Dass Van der Bellen als haushoher Favorit in die Wahl geht, liegt nicht nur am Bonus des Amtsinhabers. Noch alle Bundespräsidenten haben in Österreich die Wiederwahl gleich beim ersten Mal haushoch für sich entschieden. Dazu kommt, dass die beiden großen Parteien ÖVP und SPÖ keine eigene Kandidatin oder keinen eigenen Kandidaten aufstellen.

Eine direkte Wahlempfehlung von Schwarz und Rot für Van der Bellen gibt es zwar nicht. Beide Parteien machen aber kein Geheimnis daraus, dass sie mit Van der Bellens Amtsführung insgesamt zufrieden waren. Die Grünen und die liberalen Neos unterstützen ihn ganz offiziell.

Van der Bellens Beliebtheitswerte deutlich gestiegen

Van der Bellens Beliebtheitswerte sind in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Als sein Sieg Ende 2016 endgültig feststand, war die Bevölkerung noch gespalten. Der einstige Grünen-Vorsitzende war schon damals in vorgerücktem Alter, vor allem von rechter Seite wurde ihm eine gewisse Schludrigkeit vorgeworfen:

Der starke Raucher ließ auch als Bundespräsident nicht von seinem Laster, kurz vor der Wahl machte ein Foto die Runde, das ihn mit einem Sixpack Bier zeigte. Derlei sei der Würde des Amts nicht angemessen, höhnte die FPÖ. Wie bei US-Präsident Joe Biden wurde auch beim ihm sein Alter immer wieder thematisiert. In den sozialen Medien warf man ihm gar Senilität vor.

Diese Kritik ist nun weitgehend verstummt. Van der Bellen war in seiner Amtszeit mit zwei großen Regierungskrisen und vielen kleineren politischen Verwerfungen konfrontiert. Als die türkis-blaue Bundesregierung unter Sebastian Kurz am Ibiza-Skandal zerbrach, behielt Van der Bellen die Nerven.

Er setzte binnen weniger Tage ein Expertenkabinett unter Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein ein, das die Amtsgeschäfte bis zur Neuwahl erledigte. Als Kurz, der daraufhin eine Koalition mit den Grünen schmiedete, im Vorjahr wegen einer Affäre um Inseratenkorruption zurücktreten musste, setzte sich Van der Bellen als Staatsoberhaupt erfolgreich für eine Weiterführung der Regierung mit einem neuen Kanzler ein.

Van der Bellen steht für Stabilität in stürmischen Zeiten. Gegnerinnen und Gegner von links wie von rechts kritisieren ihn hingegen für seine Zurückhaltung: Er hätte zu den zahlreichen Affären der Politik deutlichere Worte finden müssen.

FPÖ-Kandidat Walter Rosenkranz gilt in seiner Partei als moderat

Das verspricht FPÖ-Kandidat Walter Rosenkranz für den Fall, dass er die Wahl gewinnt. Der 60 Jahre alte Jurist und frühere Nationalratsabgeordnete wurde vor vier Jahren ausgerechnet von Van der Bellen als Volksanwalt angelobt. Seither setzt er sich für die Anliegen von Menschen ein, denen von Amts wegen Unrecht getan wurde.

Innerhalb seiner Partei gilt Rosenkranz als eher moderat: Anders als Parteichef Herbert Kickl hat er darauf verzichtet, allzu scharf gegen die Corona-Maßnahmen zu mobilisieren. Als Bundespräsident will er aber die Regierung stärker in die Mangel nehmen. Und wie die meisten anderen Rechtskandidaten lehnt er die Parteinahme Österreichs für die Ukraine strikt ab: Das vertrage sich nicht mit der Neutralität.

Der Meinung ist auch Tassilo Wallentin. Der Rechtsanwalt wurde in Österreich durch eine EU-kritische Kolumne für die auflagenstarke "Kronen"-Zeitung bekannt. Eigenen Angaben zufolge war er als offizieller Kandidat der FPÖ im Gespräch, ehe Kickl Rosenkranz den Vorzug gab.

Nun fischt er im selben Teich, mit ähnlichen Themen: Auch Wallentin fordert mehr Zurückhaltung der Regierung beim Ukraine-Krieg. Seine wöchentlichen Kommentare in der "Krone" sind zwar derzeit auf Eis gelegt, das mächtige Boulevardblatt bleibt ihm aber auffällig wohlgesonnen.

Finanziell wird er von dem Milliardär und ehemaligen Magna-Chef Frank Stronach unterstützt. Diese bezahlte eine dreiseitige Anzeige in der Krone mit einer vorgedruckten Unterstützungserklärung für Wallentin.

Auch der frühere FPÖ-Politiker und Blogger Gerald Grosz hat eine besondere Beziehung zu einem Boulevardblatt. Er gehört zu den populärsten Video-Kommentatoren der Mediengruppe "Österreich". Zudem betreibt er einen YouTube-Kanal, auf dem er wöchentlich mit der Bundesregierung abrechnet. Auch Grosz ist ein Gegner der Russland-Sanktionen und spricht sich gegen die Corona-Massnahmen aus.

Marco Pogo forderte kostenlose "Bierbrunnen"

Nicht so Marco Pogo, im Gegenteil. Der 36 Jahre alte Punk-Musiker ist der einzige dezidiert linke Gegenkandidat zu Van der Bellen. Er hat vor einigen Jahren in Wien die "Bier-Partei" gegründet, ursprünglich eine Liste, bei der Zoten über den Bierkonsum der Österreicherinnen und Österreich ganz oben im Parteiprogramm standen.

Pogo forderte kostenlose "Bierbrunnen" an öffentlichen Plätzen und schimpfte über Biermischgetränke. So wurde er Bezirksrat in Wien-Simmering. Mit Ausbruch der Corona-Pandemie zeigte sich der promovierte Mediziner von seiner verantwortungsvollen Seite:

Auf Konzerten rief er zum Impfen auf, einige Male griff er sogar selbst zur Spritze, um seine Fans zu immunisieren. Marco Pogo hofft auf Stimmen von Linken, die sich von Van der Bellen schärfere Worte gegen politische Korruption und Machtmissbrauch erwartet hätten.

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Bisher wenig bekannt ist der impfkritische Rechtsanwalt Michael Brunner. Er tritt für die Partei MFG an, die es mit scharfer Kritik an den Corona-Maßnahmen im Vorjahr in den Landtag von Oberösterreich geschafft hat. Brunner hält Maskenpflicht und ähnliches für menschenrechtswidrig, als Bundespräsident würde er bei solchen Maßnahmen ein Veto einlegen und die Regierung entlassen.

Darüber, wie er das Amt des Staatsoberhauptes anlegen würde, hat sich Heini Staudinger bisher noch nicht erklärt. Der 69 Jahre alte Unternehmer ist Gründer der Ökoschuh-Marke GEA, zudem Herausgeber des Magazins "brennstoff", das sich auf Themen der Nachhaltigkeit spezialisiert.

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