Die deutsche Basketball-Nationalmannschaft holt sich nach dem WM- auch den EM-Titel und präsentiert sich in einem schwierigen Turnier als die mit Abstand beste Mannschaft. Das ist jetzt der neue Standard - und ein Versprechen für die Zukunft.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Stefan Rommel sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Als alles vorbei war, nur noch die deutschen Fans in der Halle waren, das Licht längst an und der Boden übersät mit goldenen Konfettistreifen, gönnte sich Dennis Schröder auch ein paar Momente ausgelassener Freude.

Der deutsche Spielmacher hatte wenige Minuten davor eines der besten Basketballspiele der jüngeren Vergangenheit entschieden, sich selbst zum besten Spieler des Turniers damit gekrönt und darf sich nun wie die meisten seiner Teamkollegen amtierender Welt- und Europameister nennen.

Mehr geht nicht im FIBA-Basketball, das gilt für Schröder ebenso wie für diese - im wahrsten Sinne - goldene deutsche Generation. In einer Sportart, in der deutsche Auswahl- und Klubmannschaften jahrzehntelang bis auf wenige Ausnahmen eine Randerscheinung waren, hat sich der Deutsche Basketball-Bund (DBB) an die Spitze gesetzt.

Der EM-Triumph von 1993 im eigenen Land schien eine einmalige Sache. Die Mannschaft damals nutzte die Gunst der Stunde einer schwächelnden Konkurrenz und den Heimvorteil, zweite und dritte Plätze in den Nullerjahren schafften Mannschaften um den herausragenden Einzelkönner Dirk Nowitzki.

Was diese Generation aber auszeichnet, ist ein völlig neues Verständnis für das Kollektiv und die Gewissheit, dass es für jedes Problem eine Lösung geben kann.

Beste Mannschaft des Turniers

Die deutsche Nationalmannschaft verfügt nicht nur über ein breites Spektrum an hochbegabten Spielern, sondern auch über Trainerteams und den sogenannten Staff drumherum, der sich nahtlos einfügt in diese verschworene Gemeinschaft. Rückschläge in Form von Verletzungen kompensiert die Mannschaft mit noch mehr Teamgeist und Wir-Gefühl.

Dass vor der EM Moritz Wagner wegen einer schweren Verletzung und dann quasi mit Turnierstart auch Cheftrainer Alex Mumbru krankheitsbedingt absagen mussten, ließ sich an der Art und Weise, wie die Mannschaft Basketball spielt, zu keiner Sekunde ablesen.

Dafür ist das Selbstverständnis in die eigene Leistungskraft mittlerweile zu ausgeprägt und der Kader trotz einiger Ausfälle immer noch hochwertig besetzt. Oft setzen sich bei großen Turnieren die Teams mit den zwei, drei herausragenden Einzelspielern durch, werden Mannschaften von diesen Ausnahmeathleten bis ins Ziel getragen. Bei dieser Europameisterschaft aber hat definitiv die beste Mannschaft das Turnier gewonnen.

Das Kollektiv gewinnt

Das Balanced Scoring der DBB-Auswahl mit vielen unterschiedlichen Schützen, die treffen, hat nicht nur gegen die Türkei den Ausschlag gegeben. Wo sich andere Mannschaften auf ihre Superstars verlassen konnten – oder eben auch mussten – hatte Deutschland eine Art Rotation im High Scoring: Mal schlüpfte Schröder in die Rolle des besten Werfers, dann Franz Wagner. Im Finale wurde plötzlich Isaac Bonga zum Spieler für die wichtigen Punkte.

Diese Liste lässt sich auch bei den Drei-Punkt-Würfen, bei Rebounds, Steals oder Blocks beliebig weiterführen: Immer wieder sprang ein Spieler für den anderen ein, kompensierte die Mannschaft so einen Durchhänger oder ein etwas schlechteres Spiel eines Einzelnen.

Im Finale standen Aushilfs-Cheftrainer Alan Ibrahimagic nur noch zehn spielfitte Spieler zur Verfügung. Aber auch diese kleine Rotation genügte, um bärenstarke Türken am Ende doch noch in die Schranken zu weisen. So wie es zuvor schon gegen Slowenien um Luka Doncic oder die Finnen mit ihrem Superstar Lauri Markanen gelang.

Oder im - in der Nachbetrachtung - gefährlichsten Spiel, gleich zu Beginn der K.o.-Phase: Gegen den krassen Außenseiter Portugal erzielte die deutsche Mannschaft "nur” 85 Punkte und lag über weite Strecken des Spiels hinten. Kein Dreier wollte fallen, die Wurfstatistik blieb bis zum Schluss mager. In früheren Jahren wäre eine deutsche Auswahl an einem solchen Spielverlauf vielleicht gescheitert, hätte die Ruhe und damit die Balance verloren. Diese Mannschaft aber war und ist anders.

Deutschland hat den Killerinstinkt

Die Erfolge der Mannschaft haben ein Selbstverständnis der eigenen Stärke geschaffen, wie es nur alle paar Jahre ein Team im Welt-Basketball entwickelt. Und vielleicht hat auch die "Enttäuschung” von Platz vier beim Olympia-Turnier im vergangenen Jahr letztlich geholfen, die Gier und den Hunger nach noch mehr Erfolgen hochzuhalten.

Gegen die Türkei war Deutschland jedenfalls lange Phasen der Partie zurückgelegen, im Viertelfinale gegen hart spielende Slowenen mit der Gangart des Gegners und den Schiedsrichtern nicht zufrieden. Aber in beiden Partien hatte Deutschland nicht nur die größeren Kraftreserven, sondern auch den nötigen Killerinstinkt, um in den entscheidenden Phasen der Spiele zuzuschlagen.

Empfehlungen der Redaktion

"Deutschland war das mit Abstand beste Team. Eine Basketball-Maschine, bei der alle Teile passten und gut geölt waren. Sie sind über ihre Gegner hinweggewalzt”, schrieb die spanische Sportzeitung "Marca” voller Ehrfurcht, in anderen internationalen Publikationen war von einer "Dynastie" die Rede.

Tatsächlich könnte diese Mannschaft auch mit einigen älteren Spielern wie Schröder (32) oder Daniel Theis (33) noch ein paar Turniere spielen und die Welle weiter reiten.

"Wir sind jetzt da, wo wir hingehören!”, hat Franz Wagner Sonntagnacht am Mikrofon von "Magenta Sport” gesagt. Ein beeindruckend selbstbewusster Satz, der aber nicht mehr vermessen oder schlicht verrückt klingt. Sondern einfach nur wahr ist.

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