Der Frauensport hat von Hause aus nicht die finanziellen Mittel wie sein männlicher Konterpart. Deshalb trifft die aktuelle Krise ihn noch stärker und kann Vereine wie auch Athletinnen schneller in den wirtschaftlichen Ruin treiben. Allerdings passiert vieles davon abseits der großen öffentlichen Aufmerksamkeit.

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Bianca Rech befindet sich in einer komfortablen Lage – zumindest mit Blick auf die Konkurrenz. Die 39-Jährige ist die sportliche Leiterin der Frauenfußballabteilung des FC Bayern München. Genau wie in der Herren-Bundesliga steht auch bei den Frauen der Spielbetrieb seit Wochen still. Ob die Saison überhaupt noch einmal angepfiffen wird, ist bis auf Weiteres ungewiss.

Der aktuelle Tabellenzweite kann sich aber glücklich schätzen. "Das Gute ist: Wir beim FC Bayern haben frühzeitig Gespräche geführt und unsere Planungen abgeschlossen", berichtet Rech. Erst vor wenigen Tagen wurde die Verpflichtung der jungen Stürmerin Klara Bühl zur neuen Saison bekanntgegeben. Die Bayern können also mit einer gewissen Entspannung in die ungewisse Zukunft blicken.

Aber Rech weiß, dass sich nicht jeder in einer solch glücklichen Lage befindet. In der Frauen-Bundesliga gibt es sechs Teams, die ein erfolgreiches Pendant in der Herren-Bundesliga haben. Neben den Bayern sind das Tabellenführer VfL Wolfsburg, TSG Hoffenheim, Bayer Leverkusen, der 1. FC Köln sowie der SC Freiburg. Um sie muss man sich in aller Regel keine Sorgen machen, auch wenn es wegen der Coronakrise zu Einnahmeverlusten kommt, weil kein Spielbetrieb stattfindet.

Zukunftssorgen bei den Fußballerinnen

Aber selbst im Oberhaus des Frauenfußballs kann es düster aussehen. "Innerhalb der Bundesliga gibt es Spielerinnen, die mit einem anderen Job ihren Lebensunterhalt verdienen", erklärt Rech. Nicht jeder hat den Luxus, eine Vollprofispielerin zu sein, die sich einzig und allein auf den Fußball konzentrieren kann. Es gibt Bürokauffrauen, Fitnesstrainerinnen oder auch Lehrerinnen in der 1. Liga. Bereits vor der Krise war die finanzielle Lage des Frauenfußballs in Deutschland folglich keineswegs rosig.

Nun kommt noch eine nie zuvor dagewesene Krise und stellt alles auf den Kopf. Die Spielergewerkschaft FIFPro hat zusammen mit der Universität von Amsterdam vor wenigen Wochen eine Umfrage bei männlichen und weiblichen Fußballern in 16 Ländern durchgeführt und versucht, deren psychischen Zustand zu erfragen. Die Studie kam zum Ergebnis, dass 13 Prozent der Spieler und 22 Prozent der Spielerinnen erste Symptome zeigen, die Hinweise für eine sich anbahnende Depression sein können.

Als Hauptgrund geben die Macher der Studie an, dass sich die Fußballer um ihre Zukunft sorgen. Denn nicht jeder kann sich wie die großen Stars der Herren-Bundesliga über Millionenverträge und angesparte Vermögen erfreuen. Bei manchen geht es jetzt schon ans Eingemachte.

"Es wird zu Veränderungen in der Landschaft des Profifußballs kommen", analysiert Bayern-Managerin Rech. Ihre Kollegin Emma Hayes sieht das ganz ähnlich. Die Trainerin des FC Chelsea, dem Zweitplatzierten der Premier League, geht sogar noch einen Schritt weiter.

"Die Sorge ist, dass Klubs zu Personal- und Etatkürzungen in allen Abteilungen gezwungen werden. Das würde sich auf den Frauenfußball auswirken, der ohnehin schon nur mit einem geringen Budget in Relation zum gesamten europäischen Fußball zurechtkommen muss", berichtet Hayes im Podcast des britischen Fußballanalyse-Unternehmens "Statsbomb".

Sie hofft, dass rund eine Milliarde Euro, welche die FIFA dem Frauenfußball zugesagt hat, in den nächsten Jahren gerade kleinen Ligen und Klubs helfen kann, wieder auf die Beine zu kommen.

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"Durch Corona ist es eine Katastrophe"

So problematisch die Situation im Fußball auch erscheinen mag, in anderen Frauenteamsportarten sind das alles noch Luxusdiskussionen. Still und leise wurden reihenweise Saisons abgebrochen. Der Spielbetrieb in der Handball- wie auch der Basketball-Bundesliga ist zu Ende. Für viele Spielerinnen ist das eine Katastrophe, denn ohnehin erhalten sie oftmals nur Geld während der neunmonatigen Saison und müssen im Sommer anderweitig über die Runden kommen.

"Die Klubs selbst sind nicht so stark von Insolvenz bedroht", erklärt Christoph Breuer von der DHSH Köln. Die Vereine im Frauensport sind zumeist so aufgestellt, dass die Ausgabenlast durch eine Einstellung des Spielbetriebs erheblich zurückgeht. "Die Gefährdungslage liegt eher bei den Spielerinnen", sagt der Sportökonom. "Es geht um die Frage: 'Verliere ich meinen Job?'"

Dass es für viele Athletinnen bereits wenige Wochen nach der Spielunterbrechung an die Substanz geht, kann Katharina Fikiel nur bestätigen. "Im Frauen-Basketball, auch auf höchster Ebene, ist es nicht so, dass man Tausende Euro zur Seite legen kann", berichtet die 1,95 Meter große Centerin des Herner TC. "Die Situation war schon vorher schwierig. Durch Corona ist es eine Katastrophe geworden." Fikiel gehört zu den Top-Spielerinnen in der Basketball-Bundesliga und macht keinen Hehl daraus, dass ihr der aktuelle, aber auch grundsätzliche Zustand ihres Sports Kopfzerbrechen bereitet.

Förderung abseits des Fußballs

"Aus der Coronakrise müssen wir alle lernen: Sportförderung und Politik, die uns aus gesellschaftlichen Gründen unterstützen sollten. Aber auch wir Sportler: Die jetzige Lage zeigt, dass wir womöglich in jungen Jahren nicht alles nur auf eine Karte, den Profisport, setzen sollten – und dann kommt die Krise, und wir stehen vor dem Nichts", sagt Fikiel. Im Endeffekt kann die Misere dazu führen, dass sich potenzielle Talente gegen eine Karriere im Profisport entscheiden, weil einfach nicht genug Geld zu verdienen ist. Fikiel selbst wird die freie Zeit nun nutzen, um ihre Ausbildung zu Ende zu bringen.

Gleichzeitig wünscht sie sich strukturelle Veränderungen. "Es muss insgesamt in unserer Gesellschaft vielmehr Geld in den Sport investiert werden – ich meine damit auch die Förderung des Spitzensports jenseits des Fußballs, dem es zumindest in der Bundesliga noch relativ gut geht", fordert die 32-Jährige.

Die Allmacht des Fußballs ist etwas, dass nicht nur im Vergleich zwischen Frauen und Männern im Fußball selbst, sondern ebenso unter den Sportarten immer wieder zur Sprache kommt. Auch aktuell diskutiert Deutschland vornehmlich über die Rückkehr von Marco Reus und Thomas Müller, aber nicht über die Rückkehr von Katharina Fikiel auf den Court oder von Alex Popp auf den grünen Rasen.

"Im Frauensport ist es in Deutschland leider allgemein schwierig, Sponsoren zu finden – auch wegen der geringen Medienpräsenz", gibt Fikiel zu Bedenken. Die Probleme im Frauensport waren schon vor Corona spürbar. Deshalb glaubt aktuell eigentlich niemand an eine baldige Besserung der Situation. Stattdessen geht es wie überall im gesellschaftlichen Leben vor allem um Schadensbegrenzung. Im Frauensport passiert das allerdings ohne großes Aufsehen und wie so oft abseits der Öffentlichkeit.

Verwendete Quellen:

  • Studie von FIFPro und der Universität von Amsterdam
  • Podcast von Statsbomb mit Emma Hayes
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