Nach der neuerlichen 0:3-Heimniederlage gegen Hertha BSC scheint Miroslav Klose als Trainer beim 1. FC Nürnberg gescheitert. Doch liegt es wirklich nur an ihm?

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Julian Münz sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Wenn in den vergangenen Jahren mal wieder alles schieflief beim 1. FC Nürnberg, dann zog man im Frankenland gerne die These des schwierigen Umfelds heran. Vorschnelle lautstarke Kritik der Fans und überzogene Erwartungen, so die Argumentation, der sich unter anderem auch Ex-Sportvorstand Dieter Hecking bediente, würden es in Nürnberg schwer machen, erfolgreich zu arbeiten.

Nürnbergs aktueller Trainer Miroslav Klose ist kein Trainer, der nach solchen Ausreden sucht. Und auch deshalb passte der 47-Jährige bislang eigentlich perfekt zum 1. FC Nürnberg. Statt öffentlich über den Abgang von Spielern zu lamentieren, gab Klose jungen Nachwuchskräften die Chance. Und wenn seine taktischen Vorgaben nicht funktionierten, dann stellte der Weltmeister von 2014 sein System unaufgeregt um. Mit dieser pragmatischen Herangehensweise mischten Klose und der FCN 2024/25 nach einem schwierigen Start sogar kurzzeitig im Aufstiegsrennen mit.

Pfiffe und Klose-raus-Rufe? Fehlanzeige

Dass der Weltmeister von 2014 mit seiner Art einen hohen Kredit bei den Nürnberger Fans hat, konnte man auch bei der enttäuschenden 0:3-Heimniederlage gegen Hertha BSC beobachten. Auch wenn zu keinem Zeitpunkt wirklich Hoffnung auf einen Punktgewinn bestand, hörte man keine Klose-raus-Rufe, nicht einmal Pfiffe. Wenn es das schwierige Umfeld in Nürnberg jemals gegeben haben sollte, dann übt es sich aktuell in beeindruckender Geduld.

"Das ist Wahnsinn, wie mich die Club-Fans vom ersten Tag an empfangen und dass sie an den Weg und an mich auch in schwierigen Phasen geglaubt haben", hatte Klose den Fans nach dem ersten Sieg gegen Bochum gedankt. "So, wie ich bin, werde ich auch wahrgenommen. Es macht mir unheimlich Freude, für den Club zu arbeiten." Allerdings steht es um den 1. FC Nürnberg unter Klose sportlich aktuell so schlecht wie schon lange nicht mehr und viel spricht dafür, dass seine Zeit als Trainer in Nürnberg bald vorbei sein wird.

Mit nur vier Punkten findet sich der 1. FC Nürnberg nach sieben Spieltagen auf dem 16. Platz wieder, in der 1. Pokalrunde scheiterten die Clubberer am Regionalligisten Illertissen. In manchen Spielen trat der FCN überzeugend auf und verlor nur durch Unkonzentriertheiten. In anderen Spielen schaffte er nicht mal das. So auch gegen die Hertha, wo Kloses Mannschaft zu keinem Zeitpunkt den Eindruck machte, wenigstens einen Punkt aus dem Spiel mitnehmen zu können.

Klose muss radikalen Umbruch bewältigen

Was besonders auffällt: Bei Kloses Mannschaft hakt es genau da, wo der Trainer in seiner Spielerkarriere für Kaiserslautern, Bremen, Bayern und Lazio Rom zur Weltklasse reifte. Genau ein Stürmer-Tor hat der Club in seinen Zweitligaspielen aktuell erzielt, vier sind es insgesamt. Und das trotz sechs neuer Stürmer im Team. Oder ist die Spielerfluktuation nicht viel mehr das große Problem beim FCN? Dass bei einem Fehlstart dieses Ausmaßes der Trainer Mitverantwortung trägt, ist selbstverständlich. Dass Klose klammheimlich einen der schwierigsten Umbrüche im deutschen Profifußball bewältigen muss, darf dabei aber nicht vergessen werden.

Für seine klugen Verkäufe mit hohen Erlösen wurde der 1, FC Nürnberg in den vergangenen Transferfenstern hochgelobt. Über 70 Millionen Euro erzielten die Nürnberger dadurch in den vergangenen drei Jahren. Eine enorme Summe für einen Zweitligisten, auch wenn ein Großteil der Einnahmen in den Schuldenabbau und den geplanten Stadionneubau geht. Der Nachteil dieser Transferpolitik: Die Mannschaft, die Klose in der vergangenen Saison trainierte, gibt es in der Form schlichtweg nicht mehr.

Unter den Abgängen war Rekordtransfer Stefanos Tzimas, der wenig überraschend in Richtung Premier League weiterzog, ebenso wie sein Sturmpartner Emreli, der zum 1. FC Kaiserslautern ging. Sechser Jens Castrop wechselte in die Bundesliga, sein nicht minder begabter Gegenpart Casper Jander in die englische Championship zum FC Southampton. Abwehrtalent Finn Jeltsch verschwand schon in der Winterpause, Rechtsverteidiger Oliver Villadsen ging im Sommer zurück nach Dänemark und der designierte Abwehrchef Robin Knoche ist zwar noch in Nürnberg, aber sportlich längst nicht mehr auf dem Level wie noch vor einem Jahr.

FCN hatte Kader spät zusammen

Die Konsequenz: Zwei Drittel der Profis, die gegen Hertha BSC im Nürnberger Kader standen, waren Neuzugänge, Jan Reichert und Julian Justvan die einzigen verbliebenen Stammspieler aus der vergangenen Saison. Mit Markhiev, Becker und Diop bestand die Mittelfeldzentrale ausschließlich aus Spielern, die erst Ende August, also vor knapp einem Monat, zum Verein gestoßen waren.

Auch abgesehen davon war die Transferpolitik von Sportvorstand Joti Chatzialexiou, der im wichtigen Transfersommer ganz ohne hauptverantwortlichen Sportdirektor agierte, nicht immer glücklich. Nur vier Neuzugänge (Grimaldi, Becker, Telalovic, Drexler) hatten vor der Saison überhaupt schon nennenswerte Erfahrung in der 2. Bundesliga gesammelt.

In der Offensive planten die Nürnberger zu Beginn gar mit dem erst 18-jährigen Leihspieler Artem Stepanov - ein Spieler, der zuvor bei Bayer Leverkusen gerade einmal zwei Kurzeinsätze im Herrenbereich bestritten hatte. Dass sich ein so junger Spieler nicht gleich in der 2. Bundesliga durchsetzen kann, ist nicht wirklich verwunderlich. Klose selbst, dem der Durchbruch im Profifußball erst mit Anfang 20 gelang, müsste das am besten wissen.

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Herausforderung war für Klose kaum lösbar

Die Herausforderung, eine komplett neu zusammengestellte Mannschaft in kurzer Zeit zu einem schlagkräftigen Team zu entwickeln, ist Klose misslungen. Es war aber auch eine Aufgabe, die von Anfang an kaum lösbar war. Erst recht nicht mit der von der sportlichen Führung ausgerufenen Erwartung einer Top-Sieben-Platzierung.

Die Frage, ob Klose für den Absturz der Nürnberger hauptverantwortlich ist, lässt sich deshalb nur mit einem Jein beantworten. Ja, weil die Leistungen seines Teams in den vergangenen Wochen, auch gegen deutlich schwächere Mannschaften, klar gegen ihn sprechen. Nein, weil die Probleme beim 1. FC Nürnberg mal wieder deutlich tiefer liegen als bei der Trainerbesetzung. Und das liegt sicher nicht am schwierigen Umfeld.

Verwendete Quellen: