Baustellen gab es in der letzten Saison mehr als genug, der Kader war maximal auf Kante genäht. Auch dank der Klub-WM sollte nun eigentlich genug Geld übrig sein. Und trotzdem bleibt Borussia Dortmund auf dem Transfermarkt erstaunlich passiv. Warum?
Der letzte Eindruck zählt, heißt es immer. Und der war bei Borussia Dortmund ja ziemlich positiv: Der BVB schaffte es in der abgelaufenen Bundesliga-Saison auf den letzten Drücker doch noch irgendwie in die Champions League, das sportliche Abschneiden bei der Klub-WM vor wenigen Wochen war ordentlich und brachte dem Klub einen ganzen Haufen Geld ein.
Es hätte wahrlich schlechter laufen können. Allerdings gehört zur Wahrheit auch, dass trotz der guten Zahlen einige Probleme im Hintergrund weiter existieren und die Zweifel an der Kaderstärke der Borussia in den letzten Wochen des Transfersommers nicht eben kleiner geworden sind.
Mit der Verletzung von
Damit kann es aus Dortmunder Sicht aber eigentlich noch nicht getan sein. Bisher ist jedenfalls kaum etwas passiert auf der Zugangseite, was angesichts der Erfahrungen aus der letzten Saison und den teils obligatorischen Problemen auf einigen neuralgischen Positionen zumindest bemerkenswert erscheint.
Dortmunder Rumpftruppe – warum holt der BVB keine Spieler?
Wie im vergangenen Sommer bleibt die Tatsache bestehen, dass es die Borussia auch für die anstehende Saison mit einem vergleichsweise kleinen Kader versuchen will. Derzeit stehen in der Theorie 27 Spieler zur Verfügung, darunter die Talente Filippo Mane, Cole Campbell und Almugera Kabar.
Zieht man die aktuell vier Torhüter ab, bleiben noch 20 Feldspieler mit Profierfahrung – von denen wiederum Süle,
Das wäre selbst für einen Wettbewerb schon deutlich zu wenig - das Pensum dreier Wettbewerbe wäre damit auf keinen Fall zu stemmen. Auch deshalb wird die Unruhe um den BVB größer, werden die Fans langsam ungeduldig. Die Verantwortlichen verweisen aber weiter vehement auf den Klassiker: einen deutlich überhitzten Transfermarkt.
"Für uns geht es darum, die richtigen Entscheidungen zu treffen und nicht in Aktionismus zu verfallen, nur um Menschen, die sich meist anonym via Social Media beklagen, zu zeigen, dass wir aktiv sind. Es geht um viel Geld, deshalb müssen die Dinge sorgfältig vorbereitet werden. Darüber hinaus haben wir aktuell nicht zu wenige Spieler", sagte Lars Ricken vor rund zwei Wochen in einem "Kicker"-Interview.
Andeutungen, aber noch keine Transfers
Der Geschäftsführer ließ allerdings auch durchblicken, dass die Personalplanungen noch nicht abgeschlossen seien. "Und dennoch kann es gut sein, dass in den nächsten Tagen und Wochen an zwei, drei Stellen auf der Zugangsseite noch etwas passiert - falls wir der Meinung sind, dass uns diese Transfers sportlich weiterhelfen und wirtschaftlich sinnvoll sind. Noch einmal: Es gibt einen klaren Plan, unser Sportdirektor Sebastian Kehl befindet sich gerade mitten in der Umsetzung."
Passiert ist allerdings seitdem noch nichts und in wenigen Tagen steht der Start in die Pflichtspiel-Saison an mit der Pokal-Partie bei Rot-Weiss Essen. Die Idee, mit einer nahezu kompletten Mannschaft in die ohnehin schon deutlich verkürzte Vorbereitung zu gehen, hat sich jetzt schon zerschlagen. So sie denn jemals existiert hat.
Die verspätete Saisonvorbereitung wegen der Klub-WM wird sogar als kleines Plus eingeordnet: Weil die Spieler anders als nach großen Turnieren mit ihren Landesverbänden nicht scheibchenweise wieder zum Kader stießen und ins Training einstiegen, sondern auf einen Schlag. Und Trainer
Kleiner Kader, große Hoffnung in Kovac
Jobe Bellingham und Patrick Drewes sind Mitte August die einzigen beiden Zukäufe. Die Personalie Bellingham ist auch aufgrund der engen Beziehungen zur Familie des Engländers und den großen Fußstapfen seines Bruders beim BVB ausgiebig besprochen, Drewes dürfte in der Torhüter-Hierarchie lediglich Platz drei einnehmen. Die mittlerweile fest verpflichteten Yan Couto und Daniel Svensson waren bereits in der letzten Saison Bestandteil eines Kaders, der einige Lücken aufwies und nach einer regelrechten Verletzungsmisere teilweise auf der letzten Rille daherkam.
Und trotzdem betonen die BVB-Macher, dass an der reinen Quantität nichts zu beanstanden sei. "Was wir stattdessen benötigen, sind Spieler, die belastungsstabil sind - so wie Jobe Bellingham, der in der Championship die härteste Ausbildung durchlaufen hat, die man sich vorstellen kann", hofft Ricken offenbar auf besonders resiliente Spieler, die der Mehrfachbelastung trotzen.
Verletzungen gehören dazu und lassen sich nicht prognostizieren, dass aber besonders junge Spieler - wie unter anderem Bellingham - auch mal ein Leistungstal durchschreiten werden, ist zumindest anzunehmen. Ricken vertraut mit seinem Sportlichen Leiter Sebastian Kehl nicht nur in der Beziehung voll auf seinen Trainer. "Niko hat bewiesen, dass er die Spieler in kurzer Zeit - selbst während des laufenden Spielbetriebs - auf ein hohes Fitnesslevel bringen kann."
Der Kader benötigt Verstärkungen
Da entbehrt es nicht einer gewissen Ironie, dass Kovac in der aktuellen Ausgabe der "Sport-Bild" unter anderem sagt: "Wir brauchen einen großen Kader mit hoher Qualität. Wenn man auf drei Hochzeiten tanzt - die Länderspiele nicht mitgezählt -, benötigt man das. Wir haben einiges aufzuholen. Wir sind als Vierter gerade so in die Champions League hereingerutscht."
Kovac arbeitet zwar grundsätzlich gerne mit einem eher kleineren Kader. Die Erfahrungen der letzten Saison aber haben offenbar auch zu erhöhter Vorsicht geführt, die sich durch die Verletzungen Süles und davor auch schon Duranvilles und dem Abgang von Jamie Gittens noch verstärkt haben dürfte.
Ob ein Ersatz für den Flügelspieler kommt, ist ebenso offen wie Duranvilles Rückkehr und ob der Belgier dann auch mal mehrere Monate am Stück verletzungsfrei bleiben kann. Nach dem vergeblichen Werben um Arsenals Ethan Nwaneri ist die Stelle hinter der Dortmunder Lebensversicherung Serhou Guirassy immer noch offen. Nun soll sich der BVB für Fabio Silva von den Wolverhamptopn Wanderers interessieren. Wie allerdings auch RB Leipzig oder AS Rom.
Auch Carney Chukwuemeka bleibt ein Thema, allerdings wäre die ehemalige Leihgabe bei einer festen Verpflichtung vom FC Chelsea zu teuer, dem BVB schwebt auch aufgrund der Verletzungshistorie des Spielers ein erneutes Leihgeschäft vor. Die Planstelle im Mittelfeld wäre jedenfalls zu besetzen, in der Konstellation der Rückrunde war Chukwuemeka trotz einiger gesundheitlicher Probleme einer der Spieler, die letztlich den Unterschied zwischen Champions-League- oder Europa-League-Qualifikation ausgemacht hatten.
Undurchsichtige Kommunikation
Was genau der BVB nun also in den verbleibenden Tagen bis zum Transferschluss macht, ist schwer einzuschätzen: Für die Fans und für alle Beobachter. Nach außen bleibt der Eindruck einer erratisch und undurchsichtig kommunizierten Politik. "Die Vereinskasse ist gut gefüllt. Vielleicht gelingt uns auf dem Transfermarkt bald etwas. Um die finanzielle Lage von Borussia Dortmund muss sich derzeit niemand Sorgen machen", hatte Patron Hans-Joachim Watzke Anfang Juli bei "RTL" gesagt, verbunden mit der Hoffnung auf "einen jungen, hochtalentierten Spieler", der zusätzlich dazustoßen könnte.
Dem steht die Aussage von Sportchef Kehl gegenüber, der rund um die Saisoneröffnung gegen Juventus bei "Sky" weiter deutlich zurückhaltender klang. "Der Transfermarkt ist aktuell sehr hitzig, deshalb müssen wir wohl und überlegt agieren. Wir sind vorbereitet, aber wir sind auch wirtschaftlich ein Stück weit limitiert."
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Für eine erhebliche Kurskorrektur in den Personalfragen dürfte es jetzt ohnehin zu spät sein. Punktuelle Verstärkungen stehen im Raum, einen Umbruch nach einer sehr komplizierten letzten Saison hat Ricken spätestens im "Kicker"-Interview final abgeräumt. "Wir haben in den letzten Jahren viele Millionen Euro in Spieler investiert, während der Saisons leider immer wieder teure Korrekturen vornehmen müssen. Diese Mannschaft muss wachsen, benötigt Ruhe, Fitness, eine gemeinsame Spielidee, insbesondere: Automatismen. Und ja, definitiv punktuelle Verstärkungen. Aber nicht wieder 10. Nicht 8. Nicht 6."
Immer mal wieder geistert der Name Jadon Sancho durch die Medien. Also kein Zehner, kein Achter und kein Sechser. Aber ein möglicher dritter Transfer des Engländers zum BVB. Spätestens dann wäre dieser Dortmunder Transfersommer noch merkwürdiger.