Das Champions-League-Viertelfinale zwischen dem FC Bayern und dem FC Barcelona ist auch das Duell Messi gegen Lewandowski. Ist der Bayern-Stürmer inzwischen besser als der Superstar aus Argentinien?

Steffen Meyer
Eine Kolumne

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"Zeig der Welt, dass du besser bist als Messi!" Kaum ein Satz hat sich in der jüngeren Vergangenheit so sehr ins kollektive Gedächtnis der Fußballnation eingebrannt wie dieser. Jogi Löws motivierende Worte an Mario Götze kurz vor seiner Einwechslung im WM-Finale 2014, das der damalige Bayern-Spieler wenig später mit seinem Tor gegen Argentinien entschied, werden seitdem immer wieder rezitiert. Für Götze sind sie in den Jahren danach eine Belastung geworden. Denn in Wahrheit ist der Satz eine Anmaßung ‒ und das wird Löw auch damals schon gewusst haben. Denn besser, kompletter, dominanter als Lionel Messi ist zumindest in dieser Fußballergeneration niemand. Nicht mal Cristiano Ronaldo.

Duell der Topstars

Und so ist es sicher auch nicht ganz fair, das Duell des FC Bayern gegen den FC Barcelona am Freitag im Champions-League-Viertelfinale zu einem Duell der Topstars Messi und Lewandowski um die Vorherrschaft im europäischen Fußball hochzustilisieren. Auch wenn beide sich vor allem in ihrem Torhunger sehr ähnlich sind, kann man sie als Spielertypen nur schwer vergleichen. Zumal es jeder in einem direkten Vergleich mit einem Jahrhundertspieler wie Messi schwer hat. Es geht eher um eine Momentaufnahme.

Fraglos hat es Lewandowski mit seiner Konstanz in den vergangenen Jahren und vor allem seiner überragenden Saison 2019/20 inzwischen geschafft, in die Riege der absoluten Topstars des Weltfußballs vorzudringen. Passenderweise drückten Lewandowski und Messi in der vergangenen Woche den Rückspielen im Achtelfinale ihren Stempel auf. Messi beim 3:1 gegen Neapel mit einem Tor und einem herausgeholten Elfmeter. Lewandowski mit gleich zwei Toren und zwei Assists zum 4:1-Erfolg gegen Chelsea. So geht von dieser Momentaufnahme eine Signalwirkung aus - über das Machtgefüge im Weltfußball. Für die Klubs. Aber auch für die beiden Topstars.

Messi auch mit 33 Weltklasse

Auf den ersten Blick ist es in der jüngeren Vergangenheit ein weniger ruhiger um Messi geworden. Das liegt vor allem daran, dass der letzte Titel in der Königsklasse mittlerweile fünf Jahre her ist. Während Real Madrid danach mit drei Titeln in Folge Geschichte schrieb und Klopps Liverpool sich in die Herzen von Fans und Kritikern spielte, war Messi nicht mehr ganz so präsent. Auch, weil manche Wehwehchen dem 33-Jährigen immer mal wieder zusetzten. Messi ist vielleicht nicht mehr der gleiche Spieler wie zu Beginn der 10er Jahre, als er mit unfassbaren 50 Saison-Toren die Primera Division auseinandernahm. Doch Messi ist noch immer der alles überragende Fixpunkt im Spiel des FC Barcelona.

Vielleicht ist er heute insgesamt sogar noch wichtiger für das Spiel der Katalanen als früher, weil er noch mehr Verantwortung für das Offensivspiel tragen muss. Die Aufbauspieler Marc-Andre ter Stegen, Gerard Piqué und Ivan Rakitic suchen vor allem ihn. Weil sie wissen, dass er den Ball fast fehlerlos verarbeiten, verteilen und nach vorn treiben kann. Das liegt an der Qualität von Messi, aber auch daran, dass das restliche Team des umstrittenen Trainers Quique Setién vor allem seit der Wiederaufnahme der Saison spielerisch zu häufig erschreckend schwach und uninspiriert agierte.

Messi führt mal wieder Scorerliste an

Messi ist der wohl einzige Spieler der Welt, der jeden Gegner dazu zwingt, den eigenen Matchplan umzustellen - und auf Messis Spiel auszurichten. Das ist noch heute so. Es ist hoffnungslos, den Argentinier mit nur einem oder zwei Bewachern ausschalten zu wollen. Es braucht ein Kollektiv, das sich bei Ballbesitz Messi klug in seine Richtung verschiebt. Dass Messi trotz allem wieder einmal die Scorerliste der Primèra Division anführte, spricht für sich. Neben 25 eigenen Treffern legte Messi in der abgelaufenen Saison auch noch 21 Tore auf - so viele wie noch nie in seiner Karriere. Bei über 50 Prozent der Barcelona-Tore hatte er so seine flinken Füße im Spiel.

Der Treffer zum 2:0 gegen Neapel vor wenigen Tagen ist dabei bezeichnend für den Fußballer Messi: Sechs Gegenspieler versuchten, seinen Lauf vom rechten Flügel in den Strafraum zu stoppen. Zwischendurch lag Messi sogar am Boden. An den Ball kam trotzdem keiner, und am Ende seines Solos drehte er das Leder mit seinem linken Fuß aus dem Stand und im Fallen zum 2:0 ins lange Eck. Wer daran zweifelt, dass der Barca-Kapitän auch mit 33 noch das Außergewöhnlichste sein kann, das der Fußball hervorgebracht hat, sollte sich die Szene nochmal anschauen.

Lewandowski als Vollstrecker auf dem Höhepunkt

So abhängig wie Barca in dieser Phase ist der FC Bayern nicht von seinem Topstar. Robert Lewandowski hat mit 34 Toren in der Liga und bemerkenswerten 13 Toren in sieben Champions-League-Partien mit 31 Jahren den wohl besten Lauf seiner Karriere. Zwar ist Lewandowski als mitspielender Stürmer bekannt, doch sein Einfluss auf das Spiel ist insgesamt geringer als der von Messi.

Lewandowski profitiert als zentraler Stürmer vor allem von seiner herausragenden Physis und Beweglichkeit, die es ihm erlaubt, sich gegen jeden Innenverteidiger der Welt durchzusetzen. Weil er diese exzellenten körperlichen Voraussetzungen mit guter Ballbehandlung und inzwischen großer Ruhe in Tornähe kombiniert, braucht er für seine Tore und Vorbereitungen nicht viel Platz und noch nicht mal viele Ballkontakte. Das macht ihn so stark und effektiv.

Lewandowski agiert gern mit dem Rücken zum Tor und ist so auch im Kombinationsspiel sehr wertvoll für einen klassischen 9er. Dribbelstark wie Messi ist er nicht. Auch seine Assist-Rate ist nicht auf dem Niveau von Spielmacher Messi. Beide sind, trotz vergleichbarer Torquoten in den letzten Jahren, einfach sehr unterschiedliche Spielertypen.

Lewandowskis Chance auf einen großen Champions-League-Moment

Eigentlich dürfte Lewandowski nach den konstant starken Auftritten der vergangenen Monate über jeden Zweifel erhaben sein. Doch noch immer fehlt ihm zumindest im Trikot der Bayern ein ganz großer Moment in einer entscheidenden Champions-League-Partie. Das ist das einzige, was ihm die wenigen verbliebenen Kritiker noch immer vorwerfen. Das Spiel gegen den FC Barcelona ist also auch eine Chance für den Polen, sich dieses letzten Makels endgültig zu entledigen.

Hansi Flick, der 2014 als Co-Trainer von Jogi Löw beim Finalsieg gegen Messis Argentinier dabei war, braucht deshalb gar nicht erst in die Motivationstrickkiste zu greifen. Besser als Messi ist Lewandowski nicht. Und doch kann er im direkten Aufeinandertreffen der beiden Top-Stars am Freitagabend den Unterschied machen. Und damit unterstreichen, dass er inzwischen zu recht in einem Atemzug mit dem wohl besten Fußballer aller Zeiten genannt werden kann. Zumindest für diesen Moment.

Diese Kolumne stellt die Sicht des Autors / der Autorin dar. Hier finden Sie Informationen dazu, wie wir mit Meinungen in Texten umgehen.

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