Nach rassistischen Vorfällen im DFB-Pokal ruft Antwi-Adjei zu mehr Zivilcourage in den Stadien auf. Rassismus beim Fußball ist nicht neu, der aktuelle Fall zeigt: Der Kampf dagegen darf nicht aufhören.

Pit Gottschalk
Eine Kolumne
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Christopher Antwi-Adjei hat verstanden, was viele nicht wahrhaben wollen: Rassismus im Stadion ist kein Versehen, sondern kalkulierte Feigheit. Der Schalker Profi fordert nach den Vorfällen in der ersten DFB-Pokalrunde mehr Zivilcourage von den Fans. Sein Appell trifft ins Schwarze, weil er die Mechanismen durchschaut hat. "Manche Fans glauben, dass sie sich in einer größeren Gruppe mehr erlauben dürfen", sagt der 31-Jährige. Das ist der Kern des Problems: Die Anonymität der Masse wird zur Lizenz für Hass.

Rassismus: Die Verantwortung der schweigenden Mehrheit

Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache. In mehreren Stadien wurden während der ersten Pokalrunde Spieler rassistisch beleidigt. Antwi-Adjei selbst traf es bei Lokomotive Leipzig. Seine Reaktion war konsequent: Anzeige beim Schiedsrichter, Anzeige bei der Polizei. Doch seine eigentliche Botschaft richtet sich an die schweigende Mehrheit. Wenn Fans Zeugen von Rassismus werden, sollen sie handeln. Den Täter identifizieren, Hinweise geben, Position beziehen. Das klingt selbstverständlich, ist es aber offenbar nicht.

Was Antwi-Adjei hier anspricht, geht über den Fußball hinaus. Es ist die Frage nach individueller Verantwortung in der Gruppe. Der Rassist im Stadion verlässt sich darauf, dass niemand eingreift. Er spekuliert auf die Trägheit der Masse, auf das Wegschauen, auf die Ausrede, man habe nichts mitbekommen. Antwi-Adjei entlarvt diese Ausrede als das, was sie ist: eine Lüge. "So ehrlich muss man sein. Wir kriegen in den großen Arenen ja nicht alles mit", räumt er ein. Aber in Leipzig war es anders. Da war es laut genug, dass es alle hören konnten.

Stolz statt Opferrolle

Der in Hagen geborene Profi macht noch etwas anderes: Er verweigert sich der Opferrolle. "Ich bin stolz auf meine Hautfarbe", sagt er. Das ist keine Phrase, sondern eine Kampfansage an die Rassisten. Er lässt sich nicht kleinmachen, nicht einschüchtern. Für ihn war Leipzig der erste Vorfall "in diesem heftigen Umfang" im Profibereich. In der Jugend gab es "kleinere Vorfälle", Sprüche von Gegenspielern. Er geht "locker" damit um, ohne es zu verharmlosen.

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Diese Haltung ist bemerkenswert, aber sie darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass Antwi-Adjei hier etwas einfordert, was eigentlich selbstverständlich sein sollte: Anstand. Seine Forderung nach Zivilcourage ist berechtigt und dringend. Denn solange die schweigende Mehrheit schweigt, fühlen sich die Rassisten sicher. Es braucht mehr Menschen, die den Mund aufmachen. Nicht nur auf dem Platz, sondern auch auf den Rängen.

Über den Autor

  • Pit Gottschalk ist Journalist, Buchautor und ehemaliger Chefredakteur von SPORT1. Seinen kostenlosen Fußball-Newsletter Fever Pit'ch erhalten Sie hier.
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