Hatespeech bleibt auch bei dieser EM der Rekorde ein Problem, dass man nicht kleinreden darf.

Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Mara Pfeiffer dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

"Fußball für alle", so lautet die stets aufs Neue wiederholte Vision. Zu den Spielen der EM in der Schweiz wurde ihr unter anderem durch einen Clip Ausdruck verliehen, den die Uefa bereits seit 2024 rund um ihre Wettbewerbe einsetzt.

Der Claim: "FootbALL: everybody is welcome" macht sich zunutze, dass im Englischen Wort "Football" das Wörtchen "all" steckt, also: alle. Damit wird die gutgemeinte Haltung unterstrichen, dass der Sport allen offenstehe.

Wobei "Haltung" schon zu viel ist – eher könnte man von einer routinierten Absichtserklärung sprechen. Inwieweit diese mit Leben gefüllt wird, muss erneut kritisch hinterfragt werden. Englands Nationalspielerin Jess Carter hat während des Turniers öffentlich gemacht, welch rassistischen Zumutungen sie ausgesetzt war.

Die Mitspielerinnen und der englische Verband stellten sich an ihre Seite, was ja gut und richtig ist, nur: Häufig entsteht so der Eindruck, es handle sich um eine Art privates oder persönliches Problem. Dem ist nicht so und das herauszuarbeiten und festzuhalten ist wichtig.

Wenn sich Diskriminierungen potentieren

Rassismus, wie andere Diskriminierungsformen, ist erstmal ein gesellschaftliches Problem, das zahlenmäßig zuletzt auch gewachsen ist. Es ist zum anderen eines, das im Fußball Ausdruck findet – durch sogenannte Fans, die ihren Frust an Spieler*innen auslassen. Nach dem Finale bekam das auch Spanierin Salma Paralluelo zu spüren, die übel rassistisch angegangen wurde, wobei den Täter*innen ihr verschossener Elfmeter als Anlass taugte.

Im Fußball der Frauen verbinden sich diese rassistischen Auslassungen, drittens, mit weiteren Diskriminierungsformen, speziell Sexismus - der wiederum auch als alleinige Deklassierung vorkommt, was Sydney Lohmann nach dem Halbfinale brutal zu spüren bekam.

Doch all dies ist weder ein Problem von People of Color noch von Frauen, weshalb es täter*innenorientiert debattiert werden sollte: Wieso werden die Täter*inen nicht häufiger ermittelt und welche Maßnahmen ergreift beispielsweise die Uefa, um Leute zur Verantwortung zu ziehen?

Es ist nicht das Problem der Betroffenen

Denn, zurück zum hübschen Videoclip: Zeichen sind wichtig, aber Zeichen alleine sind nicht genug. Die Uefa erklärte zu dem Spot letzten Sommer, er werde "neue gesellschaftliche Programme anregen" und zudem Initiativen wie "Outraged", ein Programm zur Sensibilisierung, stärken. In dessen Rahmen wiederum war 2020 ein Film veröffentlicht worden, in dem Akteur*innen des Fußballs wachsenden Rassismus adressieren.

Und seither, möchte man fragen? Was tun Uefa und Nationalverbände, um ihre Spieler*innen und andere Akteur*innen vor dem Hass zu schützen, der ihnen speziell online entgegenschlägt? Sich selbst hat die Uefa zu "null Toleranz" gegen Rassismus verpflichtet und will demnach mit gutem Beispiel vorangehen. Aber Diskriminierungen im Kontext des Fußballs finden nicht nur da statt, wo Schiedsrichter*innen – theoretisch – Spiele unterbrechen können.

In Sachen Online-Mobbing hat der Verband Lehrmaterialien entwickelt, um die Spieler*innen "dabei zu unterstützen, sich bestmöglich zu verteidigen" – aber Verantwortung so auszulagern auf die Betroffenen ist keine Lösung.

Empfehlungen der Redaktion

Diese EM war eine der Rekorde, den Spieler*innen sei Dank. Funktionäre betonen dann gern Momentum und Entwicklung des Sports, es muss aber auch daran erinnert werden, wie hart die Spielerinnen für diese Entwicklung und ihre Erfolge kämpfen. Es gehört zu den Aufgaben des Verbands, sie besser zu schützen.

Verwendete Quellen: