Die EM in der Schweiz ist vorbei, die Engländerinnen krönten sich abermals zu den Königinnen Europas. Die Geschichte einer Titelträgerin dürfte noch lange im Gedächtnis der Fans bleiben, ebenso wie die zweier weiterer Spielerinnen, bei denen Freude und Trauer nicht weiter voneinander entfernt sein könnten.
Englands Frauen sind Europameister, wieder einmal. Nach 2022 verteidigten die "Lionesses" im Juli ihren Titel beim Turnier in der Schweiz. Was bleibt von der Europameisterschaft, die etliche Zuschauerrekorde gebrochen und den Fußball der Frauen auch damit auf ein neues Level gehoben hat? Auf jeden Fall diese drei Geschichten:
Giulia Gwinn: Kapitänin durch und durch – trotz schwerer Verletzung
Mit großen Ambitionen startete die deutsche Nationalmannschaft Anfang Juli in die EM. Den ersten und bis zum Halbfinalaus wahrscheinlich größten Dämpfer mussten die DFB-Frauen dann aber schon nach nur 40 gespielten Turnier-Minuten hinnehmen: Im ersten Gruppenspiel gegen Polen (2:0) verletzte sich mit Kapitänin Giulia Gwinn eine der wichtigsten Säulen des Teams schwer.
Schon nach kurzer Zeit war klar: Gwinn kann bei der EM nicht mehr auflaufen. Der Bayern-Star erlitt eine Innenbandverletzung im Knie und fällt mehrere Monate aus.
Doch das Team von Bundestrainer
Die Mannschaft vergaß ihre Kapitänin nicht. Unvergessen bleibt die Tape-Aktion (GG7) von Bühl, Brand und Co. – auch beim offiziellen Teamfoto vor dem Anpfiff im zweiten Gruppenspiel gegen Dänemark (2:1) dachten die Spielerinnen an ihre verletzte Kollegin.

Für Gwinn war die EM trotz ihrer schweren Verletzung nicht gelaufen. Nachdem sie sich in München behandeln lassen hatte, kehrte sie bereits für das letzte Gruppenspiel gegen Schweden wieder zurück zum Team, um ihre Mitspielerinnen von der Bank aus zu unterstützen. Auch bei den K.o.-Duellen gegen Frankreich und Spanien war die 26-Jährige ganz nah dran am Team. Nach dem bitteren EM-Aus gegen Spanien vergoss Gwinn selbst einige Tränen, war als Kapitänin in erster Linie aber für ihre niedergeschlagenen Kolleginnen da.

Hannah Hampton: Trotz Augenkrankheit auf Europas Fußballthron
Englands Torhüterin Hannah Hampton konnte am Ende mit den "Lionesses" über den Titel jubeln. Auch im Finale gegen Spanien ging es ins Elfmeterschießen, wie schon im Viertelfinale gegen Schweden. Im Endspiel von Basel avancierte Hampton mit ihren Paraden sogar zur "Spielerin des Spiels".

Dass Hampton Profifußballerin und Europameisterin ist, grenzt schon fast an ein Wunder. Denn die 24-Jährige kam mit einer Augenerkrankung auf die Welt, sie leidet an einer Störung der Tiefenwahrnehmung. Die Folge: Hampton hat Schwierigkeiten damit, Entfernungen richtig einzuschätzen. Als Kind wurde sie deshalb dreimal operiert, vollständig geheilt werden konnte sie allerdings nicht.
Ärzte sollen der jungen Hampton damals mitgeteilt haben, dass sie aufgrund ihrer Erkrankung nie Profisportlerin werden könne – zu groß seien die Einschränkungen durch ihre Sehschwäche. Mit dem EM-Erfolg hat sie den Ärzten von damals und sämtlichen Kritikern nun eindrucksvoll das Gegenteil bewiesen.
Riola Xhemaili: Ein Schuss, der ein ganzes Land in Ekstase versetzte
Was wäre ein EM-Rückblick ohne eine Geschichte über den Gastgeber? Riola Xhemaili aus der Schweiz sorgte wohl für den emotionalsten Nati-Moment bei dieser Europameisterschaft. Die Schweizerinnen legten einen Fehlstart nach Maß hin: Das Team von Trainerin Pia Sundhage verlor das Auftaktspiel gegen Norwegen mit 1:2 – mit der anfänglichen Euphorie im Land war es kurzzeitig erstmal dahin.
Doch die Schweizerinnen rappelten sich wieder auf und erfüllten ihre Pflichtaufgabe gegen Island im zweiten Gruppenspiel (2:0). Jetzt war alles wieder möglich, im Entscheidungsspiel gegen Finnland ging es um den Einzug in die K.o.-Runde – das Minimalziel der Gastgeberinnen.
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Sowohl die Schweiz als auch Finnland hatten vor dem direkten Duell jeweils drei Punkte. Und lange sah es danach aus, als würden die Skandinavierinnen überraschend ins EM-Viertelfinale einziehen. Natalia Kuikka schoss den Außenseiter in der 79. Minute per Elfmeter in Führung. Plötzlich stand die Schweiz vor dem Aus beim Heim-Turnier. Doch dann, in der zweiten Minute der Nachspielzeit, schlug die Stunde von Riola Xhemaili: Erst kurz zuvor eingewechselt, hielt die 22-Jährige nach einer Hereingabe den Fuß rein und sorgte so für den Ausgleich kurz vor Schluss.

Mit ihrem Treffer brachte Xhemaili das Stadion in Genf zum Beben – und versetzte ein ganzes Land in pure Ekstase. Denn dank des besseren Torverhältnisses zog die Schweiz letztendlich doch noch ins Viertelfinale ein.
Es sind Geschichten wie diese, die den Fußball zu dem machen, was er nun mal ist. Die EM in der Schweiz hat wieder einige davon geliefert.