Basel - Für Kapitänin Giulia Gwinn soll es bei den deutschen Fußballerinnen nun "Calle" richten. So nennen alle Carlotta Wamser. Die 21-Jährige ersetzt die verletzte Rechtsverteidigerin bei der EM in der Schweiz - und bringt dabei viel Schwung mit. Sie sei ein "unfassbares Energiebündel", sagte Laura Freigang über ihre Frankfurter Clubkollegin vor dem zweiten deutschen Vorrundenspiel am Dienstag (18.00 Uhr/ARD und DAZN) in Basel gegen Dänemark. Das Vertrauen in die unbekümmerte Flügelspielerin ist im gesamten Team groß.

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"Wir sind sehr begeistert von ihrer Entwicklung", sagte DFB-Sportdirektorin Nia Künzer über Wamser. "Sie ist ein spontaner, witziger Typ, den wir gerne im Team haben." Vor der EM hatte die künftige Leverkusenerin erst 55 Minuten für die deutsche Elf gespielt. Nach Gwinns Ausfall beim Auftaktsieg gegen Polen kam Wamser zur zweiten Halbzeit - und hatte einen mitreißenden Auftritt. Mit heruntergerutschten Stutzen wirbelte Wamser auf der Außenbahn.

Wück sieht sich bestätigt

Nun ist die gebürtige Herforderin von Anfang an gefordert. "Man kommt nicht gerne rein, wenn sich eine Mitspielerin verletzt", erklärte Wamser nach ihrem vielversprechenden EM-Debüt.

Dabei galt die U17-Europameisterin von 2019 vor der Nominierung noch als Wackelkandidatin. "Die, die sich gewundert haben, dass sie mit in diesen Kader kommt, die haben heute gesehen, warum", sagte Christian Wück nach dem 2:0 gegen Polen. "Man muss sich immer vorstellen, wie jung das Mädchen ist, dass sie ins kalte Wasser geworfen wird." Zu "100 Prozent" zufrieden war der Bundestrainer jedenfalls mit Wamser.

Als die Nationalspielerinnen beim Medientag während der EM-Vorbereitung in Herzogenaurach Interviews gaben, war die Nachfrage an Wamsers Tisch überschaubar. "Im Turnier kommen dann auch ganz, ganz viele andere Sachen, die da mit reinspielen, aber im Endeffekt sind wir, glaube ich, alle bei uns und vertrauen uns gegenseitig. Deswegen glaube ich, kann das ein sehr, sehr schöner Sommer werden", sagte sie damals.

Carlotta Wamser
Carlotta Wamser bereitet sich auf das Dänemark-Spiel vor. © dpa / Sebastian Christoph Gollnow/dpa

Gelernte Außenstürmerin überzeugt auch defensiv

Jetzt befördert Gwinns Knieverletzung Wamser in die Startelf. Linksverteidigerin Sarai Linder findet ihre Mitspielerin in der Bundesliga schon lange "sehr, sehr auffällig". "Durch ihren Spielwitz kann sie uns weiterhelfen. Ich glaube, sie ist keine Spielerin, die sich da mega Druck macht", sagt die Wolfsburgerin.

Eigentlich ist Wamser eine Außenstürmerin, beim DFB aber nach hinten gerückt. "Irgendwie verbindet diese Position auf magische Weise alle ihre Stärken: Sie macht vorne Dampf, gewinnt aber auch Eins-gegen-eins-Duelle nach hinten, ist unfassbar schnell", erklärt Freigang.

Wechsel von Frankfurt nach Leverkusen

In Frankfurt war Wamser in dieser Saison lange nur Joker. "Sie hat hinten raus in der Saison immer stärkere Leistungen gezeigt, ist gereift, auch taktisch", sagt Eintracht-Trainer Niko Arnautis. Ihre Einstellung sei top. Und: "Sie ist eine Spaßkanone, positiv verrückt."

Wamser könne "90 Minuten hoch und runter marschieren, Eins-gegen-eins-Situationen lösen. Nach vorn bringt sie alles mit." Taktisch und gegen den Ball müsse das Toptalent noch Dinge verbessern: "Gerade auf Top-Niveau – gegen Holland, Spanien, Frankreich – wird es darauf ankommen."

Janina Minge führt DFB-Team nun auf den Platz

Dass Wamser nach drei Spielzeiten bei der Eintracht, von denen sie ein halbes Jahr an den 1. FC Köln ausgeliehen war, den Club gen Leverkusen verlässt, tut den Frankfurtern richtig weh. "Wir haben in ihr eine Entwicklung gesehen, viel gesprochen, Wege aufgezeigt für die Zukunft. Natürlich hätten wir sie gerne weiter in Frankfurt gesehen", sagt Arnautis.

"Der Wechsel nach Leverkusen ist schade, aber sie hat sich schon vor ihrem Leistungshoch damit beschäftigt und dann letztlich für diesen Weg entschieden, auch um nochmal einen kompletten Neuanfang zu machen", erklärt der SGE-Coach weiter.

Carlotta Wamser und Giulia Gwinn
Tipps von Giulia Gwinn (r) an ihre Vertreterin Carlotta Wamser. © dpa / Sebastian Christoph Gollnow/dpa

Während Wamser der positionsgetreue Ersatz für Gwinn im Team des achtmaligen Europameisters ist, wird ihre Funktion als Kapitänin auf dem Platz Janina Minge übernehmen. Die Wolfsburgerin, die bislang auf 22 Länderspiele kommt, trägt gegen Dänemark erstmals von Beginn an die Kapitänsbinde.

Minge macht einen "überragenden Job"

Ein steiler Aufstieg: Bei Olympia war die heute 26-Jährige erst nachträglich in den Kader von Horst Hrubesch reingerutscht, etablierte sich aber im Eiltempo als Stammkraft. Zunächst im Mittelfeld für Lena Oberdorf, Wück schätzt sie aber längst als neue Abwehrchefin.

"Wenn man bei Janni sieht, wie sie in die Rolle der Innenverteidigerin reingesprungen ist - da macht sie einen überragenden Job", sagt Spielmacherin Linda Dallmann. "Sie lässt jede Energie auf dem Platz, geht über Grenzen hinaus. Da mache ich mir gar keine Sorgen, wenn sie die Mannschaft anführt."  © Deutsche Presse-Agentur