• Er war der Größte aller Zeiten, "el pibe de oro", der Goldjunge
  • Diego Armando Maradona hat die Fans verzückt und den Fußball verändert.
  • Einen wie ihn wird es vielleicht nie wieder geben.

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Die Geschichte von Diego Armando Maradona ist eine Geschichte vom Aufstieg und vom Fall. Und von einem, der den Fußball für immer veränderte. Maradona wuchs auf im Slum Villa Fiorito im Speckgürtel Buenos Aires', in einer aus losen Backsteinen und etwas Wellblech gezimmerten Hütte.

Kein Strom, kein fließendes Wasser, der Vater Lagerarbeiter im Hafen, die Mutter Putzhilfe, sieben Geschwister. Als Kleinkind soll Diego einmal in eine Jauchegrube gefallen sein, sein Onkel Cirilo half ihm heraus und gab ihm den Rat mit auf den Weg: "Halt den Kopf immer über der Scheiße!" Es sollte so etwas wie Maradonas Lebensmotto werden.

Mit elf Jahren schon nationale Berühmtheit

Mit fünf, sechs Jahren jonglierte er Orangen und Mangos durchs Barrio, mit elf war er eine nationale Berühmtheit.

In den Halbzeitpausen unterhielt er die Fans bei den Spielen der Argentino Juniors mit seinen Kunststücken, jonglierte in TV-Shows. Die Karriere war programmiert, das Land wartete auf einen wie ihn. Schon damals kam Maradona mit Medikamenten in Kontakt, Wachstumspräparate, die den Hänfling schneller erwachsen machen sollten.

Dann ging alles ganz schnell: Profi-Debüt mit 15 Jahren, fünf Mal Torschützenkönig bei den Juniors, der Wechsel zu Boca, dort argentinischer Meister und die große Verheißung des Weltfußballs.

Diese Leichtigkeit gepaart mit einer Straßenkötermentalität und der unbedingte Drang zu spielen, spielen, spielen: Maradona war schon früh einzigartig. Auch die ersten Dellen in seiner Zeit in Barcelona konnten ihm nichts anhaben, der völlig überraschende Wechsel zu Napoli ließ die Fachwelt verstört zurück - Diego aber sollte Recht behalten.

Maradona wird zum Gott

In Neapel wurde Maradona zum Gott, er führte den sportlichen Aufstand des armen Süditalien gegen den Bonzen-Norden an. Das San Paolo war seine Kathedrale, Napolis Spiele wie Messen für seine Jünger. Es sollten die besten Jahre seiner Laufbahn werden. Meister und UEFA-Cup-Sieger mit Napoli und dazwischen "seine" WM 1986 in Mexiko.

Maradona packte das Endturnier voll mit zahllosen Geschichten und Momenten für die Ewigkeit. Fünf Tore und fünf Assists, bis heute eine unerreichte Quote bei Weltmeisterschaften, sind nur der nüchterne Beleg.

Maradona veränderte die Geschichte des Fußballs und wer kann das schon von sich behaupten? Radio-Ikone Victor Hugo Morales kommentierte das Viertelfinale gegen England, für viele die Verlängerung des Falkland-Konflikts auf dem grünen Rasen. Maradona schlug die Engländer mit List und Schummelei und DEM Tor. Morales fand dafür Worte, die für immer nachhallen. "Genie, Genie, Genie, ta-ta-ta-ta-ta-ta, Goooooooool! Ich möchte weinen, heiliger Gott. Lang lebe der Fußball! Diegooool… Maradona… ich muss jetzt weinen. Unglaublicher Lauf von Maradona, der Beste aller Zeiten. Kosmischer Drache! Von welchem Planeten bist du gekommen?"

... dann kamen die Drogen

In dieses Spiel gegen England packte Maradona sein ganzes Leben. Genie und Wahnsinn, aber auch schon diesen latenten Schuss Tragik. Was Maradona wie kein anderer schaffte, war die Symbiose aus Zauberei und Zielstrebigkeit. Er spielte nicht nur für seine Tricks oder für die Fans und schon gar nicht nur für sich. Sondern immer für die Mannschaft und den größtmöglichen Erfolg. Der war mit dem WM-Titel erreicht - und dann kamen die Drogen. Maradona versank in Neapel immer mehr in den Fängen der Camorra, sein Leichtgläubigkeit und Naivität wurden ihm außerhalb des Platzes immer mehr zum Verhängnis.

Hätte Maradona als Profi gelebt wie beispielsweise Cristiano Ronaldo - er hätte noch viel mehr schaffen können. "Was für ein Spieler ich hätte werden können, wenn ich keine Drogen genommen hätte! Was für einen Spieler haben wir dadurch verloren!", sagte er selbst. Seine Faszination bestand aber eben auch daraus, immer ein labiler Bengel geblieben zu sein, ein Hallodri und Draufgänger, der im Heute lebte und das Morgen Morgen sein ließ.

Das macht Maradona so einzigartig

Was Maradona auch in der Retrospektive so einzigartig macht, sind seine Unverwüstlichkeit und seine Nehmerqualitäten. Maradona spielte zu einer Zeit, als kreative Spieler vom Regelwerk und von den Schiedsrichtern nicht so geschützt wurden, wie das heute der Fall ist. Im WM-Zwischenrundenspiel gegen Italien 1982 wurde er unglaubliche 23 Mal gefoult. 23 Fouls in 90 Minuten, die meisten durch Gegenspieler Claudio Gentile, der Maradona trat, stieß und mehrfach auch schlug. Italien beendete die Partie trotzdem zu elft, Gentile kam mit einer Gelben Karte davon.

Drei Mal in Folge wurde er zum meist gefoulten Spieler einer Weltmeisterschaft, bei der WM in Mexiko wurden 53 Fouls notiert. Und doch hat er sich nie einschüchtern lassen von der Härte und Brutalität seiner Gegenspieler. Nur einmal traf ihn einer aus dem Hinterhalt. Beim Attentat von Andoni Goikoetxea, dem Schlächter von Bilbao, zersplitterte Maradonas Sprunggelenk. Es hätte das Ende seiner Karriere werden können. Aber der Künstler zeigte in dieser dunklen Phase, dass er auch kämpfen und beißen kann.

Der FC Bayern war mal nah dran an Maradona

Der FC Bayern wollte Maradona Ende der 1980er Jahre mal verpflichten, angeblich sei man sich bei Verhandlungen schon recht nahe gekommen. Uli Hoeneß hätte sich sehr gut eine eigene TV-Show für seinen neuen Star vorstellen können, beim Bayerischen Rundfunk. Maradona mit hübschen Damen im Dirndl und interessanten Gesprächspartnern und am Ende wird im Studio dann doch nur gekickt. Man hätte es nur zu gerne erlebt...

Stattdessen ging die aktive Karriere begleitet von allerhand Getöse langsam zu Ende, sein Leben war längst ein einziger großer Spießrutenlauf. Die Liebe der Tifosi erdrückte Maradona beinahe, das Ende in Neapel erschien letztlich wie eine Flucht. Wie ihn, den alternden Dopingsünder, dann bei der WM 1994 eine Krankenschwester vom Platz führte: Auch dieses Bild ging um die Welt.

Ein letztes Mal Ekstase

Bei Boca beendete er mit Mitte 30 seine Laufbahn, ein letztes Mal versetzte Maradona die legendäre Bombonera der Boca Juniors in Ekstase und sagte nicht unbedingt seinen berühmtesten, aber seinen besten Satz: "Ich habe vieles falsch gemacht. Aber der Ball lässt sich nicht beschmutzen!" Will heißen: Außerhalb des Platzes lief vieles, fast alles, schief. Dafür dürft ihr mich kritisieren. Für die Vaterschaftstests und Steuerprozesse, für seinen Drogenkonsum, die Schüsse auf Journalisten, seine Fressattacken. Aber mit dem Ball an seiner Seite war das alles vergessen. Und so soll das immer bleiben. Auf seinem Grabstein soll einmal stehen: Danke für den Ball! So hat es sich Maradona immer gewünscht.

"Jetzt ist die Zeit für Tränen", twitterte Napoli am Mittwochabend. Der Größte ist von uns gegangen, Diego Armando Maradona wurde nur 60 Jahre alt. Er ist jetzt in den Händen Gottes.




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