Lange lebte der Traum der Palästinenser von der ersten WM-Teilnahme, dann kam der Videobeweis. Die Geschichte einer Fußballnation, die sich gegen alle Widrigkeiten stemmt und knapp am Wunder vorbeischrammt.

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Mehr als eine Stunde lang sah es am Dienstagabend (10. Juni) im King Abdullah II Stadion in der jordanischen Hauptstadt Amman danach aus, als dürfte sich die Fußballwelt im Sommer 2026 auf einen spektakulären WM-Debütanten freuen. Dann kam der Videobeweis.

Die palästinensische Nationalmannschaft stand dicht davor, sich erstmals für eine Fußball-Weltmeisterschaft zu qualifizieren. Erst ein denkbar später Gegentreffer durch einen umstrittenen Strafstoß in der 97. Minute zerstörte den palästinensischen Traum von der Reise nach Nordamerika, wo im Sommer 2026 die WM-Endrunde stattfindet.

Bis tief in die Nachspielzeit hatte im Spiel gegen das zuvor favorisierte Oman alles für Palästina gesprochen. Nach einer ausgeglichenen ersten Halbzeit gingen die "Lions of Canaan" kurz nach der Pause durch Oday Kharoub in Führung. Sein Teamkollege Michel Termanini hatte zuvor schon mit einem Kopfball die Latte getroffen. Wessam Ali erzielte sogar ein weiteres Tor für die Palästinenser, das allerdings wegen einer knappen Abseitsposition aberkannt wurde.

Die Fifa erkennt Palästina erst seit 1998 offiziell als Fußballnation an

Die Hoffnungen beim Außenseiter stiegen weiter, als Omans Harib Al-Saadi in der 73. Minute nach einer Gelb-Roten Karte vom Platz musste. Doch in der Nachspielzeit folgte das dramatische Finale: Nach VAR-Einsatz wertete der Schiedsrichter ein Halten von Ahmed Taha gegen Omans Spieler Muhsen Al-Ghassani als elfmeterwürdig.

Essam Al-Subhi verwandelte sicher und brachte Oman in die nächste Qualifikationsrunde – und ließ Palästinas Spieler fassungslos auf dem Rasen zurück.

Für Palästina hätte ein Sieg gegen Oman den historischen Sprung in die vierte Runde der WM-Qualifikation bedeutet, noch nie zuvor ist die Nation, die erst 1998 offiziell vom Weltfußballverband Fifa anerkannt wurde, im Streben um die WM-Teilnahme so weit gekommen.

Riesen-Jubel beim Asien Cup, nachdem Palästina in der Gruppenphase gegen Hongkong gewinnt.
Riesen-Jubel beim Asien Cup, nachdem Palästina in der Gruppenphase gegen Hongkong gewinnt. © Sebastian Frej/IMAGO

Der Traum von der Reise zur Weltmeisterschaft 2026 war greifbar nah, das Drehbuch schien schon vorab geschrieben. Immerhin hatten sich die Palästinenser stark präsentiert in den vergangenen Jahren, in den sie unter anderem ihren ersten Sieg überhaupt beim Asien-Cup feierten – und erstmals das Achtelfinale des kontinentalen Turniers erreichten.

Seit Beginn des Gaza-Kriegs sind 270 palästinensische Fußballer gestorben

Eine Fußballmannschaft als Symbol der Hoffnung in einem furchtbaren Krieg, den die islamistische Terrororganisation Hamas mit ihrem brutalen Angriff am 7. Oktober 2023 ausgelöst hatte. Seit diesem Tag hatten die Palästinenser kein echtes Heimspiel mehr, sondern tragen ihre Länderspiele aufgrund des Gaza-Kriegs und der angespannten Lage im Westjordanland in Jordanien und Katar aus.

Kinder in Gaza spielen am Strand Fußball.

Ablenkung vom Krieg: So hilft Fußball Kindern in Gaza

Während des Fußball-Trainings am Strand von Al-Mawasi vergessen Kinder in Gaza ihre Angst und den Krieg. Fußball-Trainer Muayad Abu Afash hat die Initiative ins Leben gerufen.

Doch der Krieg forderte auch im Fußball mehr Opfer als nur den Heimvorteil bei Länderspielen. Laut dem nationalen Fußballverband Palestine Football Association starben seit Beginn des Gaza-Kriegs im Oktober 2023 über 400 palästinensische Athleten, darunter 270 Fußballspieler. Zahlen, die auch internationale Nachrichtenportale wie CNN angeben.

"Jetzt warte ich hier nicht auf den Anpfiff, sondern auf Wasser."

Der frühere Fußballer Yousef Abu Shawarib im Gespräch mit "Al Jazeera"

In Gaza wurde eine Großteil der Sportanlagen entweder zerstört oder beschädigt. Andere ehemalige Stadien wie das Khan Younis Stadium, wo früher Erstliga-Spiele ausgetragen wurden, dienen heute als Zelt- und Flüchtlingslager. Wo ehemals eine Ersatzbank stand, ist nun eine Trinkwasseranlage für Geflüchtete, schildert der 20 Jahre junge Profi-Torwart Yousef Abu Shawarib im Gespräch mit "Al Jazeera".

"Jetzt warte ich hier nicht mehr auf den Anpfiff, sondern auf Wasser", sagt der Fußballer aus Rafah dem pan-arabischen Nachrichtenportal. Vor dem Krieg träumte der 20-Jährige von einem Sportmedizin-Studium in Deutschland und einer Profi-Karriere. "Jetzt träume ich nur noch davon, morgen etwas zu essen", sagt Shawarib.

Großer Erfolg beim Asien-Cup 2023: Die besten Nationalspieler kicken im Ausland

Derweil besteht die palästinensische Nationalmannschaft vor allem aus Spielern aus der Diaspora, die oftmals im Ausland als Kinder palästinensischer Eltern aufgewachsen sind. Oder aus Fußballern, die seit Jahren in Europa oder den Golfstaaten spielen und daher kein Probleme mit der Ein- und Ausreise aus den palästinensischen Gebieten haben.

Fußballer wie Oday Dabbagh. Der 26 Jahre junge Mittelstürmer ist Palästinas Torjäger der Stunde. Dabbagh ist in Jerusalem geboren, spielt jedoch in Schottlands erster Liga für Aberdeen, wo er zuletzt zum Pokalheld wurde. In 42 Länderspielen hat er 16 Tore erzielt, unter anderem beim Asien-Cup 2023, wo Palästina erst im Achtelfinale (1:2) gegen den späteren Gewinner Katar ausschied.

Oday Dabbagh im Januar 2024 beim Torjubel für die palästinensische Nationalmannschaft.
Oday Dabbagh im Januar 2024 beim Torjubel für die palästinensische Nationalmannschaft. © NurPhoto/IMAGO/Noushad Thekkayil

Für Palästinas Nationalmannschaft rund um Dabbagh endet mit dem 1:1 gegen Oman der WM-Traum, nur mit einem Sieg hätten die "Lions of Canaan" Oman noch in ihrer Quali-Gruppe überholt.

Trotz allem bleibt der Sport für die kriegsgebeutelte Nation ein Symbol der Beharrlichkeit und Hoffnung auf bessere Tage – wie in so vielen Region auf der ganzen Welt.

Verwendete Quellen