Am Sonntagmittag wurde der "ZDF-Fernsehgarten" wegen der Amtseinführung des neuen Papstes um eine halbe Stunde gekürzt. Andrea Kiewel brachte trotzdem eine Menge Schweiz und ESC in ihrem Motto "Schweiz (ESC)" unter. Aber ausgerechnet der deutsche Beitrag von Abor & Tynna wurde im Schnelldurchgang abgewickelt.
Der Übergang hätte kaum härter sein können. Gerade sah man im ZDF noch dabei zu, wie die katholische Kirche ihrem neuen Papst, Leo XIV., mit all ihrem Prunk den ersten Arbeitstag bereitete, da wummern im nächsten Augenblick schon die Bässe von DJ Bobos 1995er Song "Freedom" durch die Lautsprecher, als der Off-Sprecher Moderatorin
Das muss man erst einmal setzen lassen, aber Andrea "Heidi" Kiewel erklärt zeitnah die zahlreichen Andeutungen: "Heute sind wir Schweiz. Warum? Weil gestern Abend in Basel der 69. Eurovision Song Contest stattgefunden hat."
Naheliegenderweise hat man sich deshalb für das Thema "Schweiz (ESC)" entschieden, doch es sollte viel mehr Schweiz als ESC drin stecken. Vielleicht wäre das Verhältnis umgekehrt gewesen, hätte man die deutschen Vertreter
Kiewel erklärte kürzlich, sie finde das "zum Kotzen", aber man könne die beiden ja nicht zwingen. Ein Schnütchen zog sie trotzdem, daher ist es reine Spekulation, warum sie den Auftritt der Geschwister und deren 15. Platz erst nach gut zehn Minuten erwähnt und dann auch nur in einer kurzen Rückschau auf ausgewählte Auftritte des gestrigen Abends.
Stattdessen plaudert Kiewel mit ihrem Gast,
Viel Schweiz (-Klischees) im "Fernsehgarten"
Aber weil die sich ja nicht im "Fernsehgarten" sehen, sieht der "Fernsehgarten" eben sie nicht, sondern Luca Hänni, der kein Problem mit der Show zu haben scheint, vielleicht ja aus diesem Grund: "Die Tickets sind jetzt erhältlich", verrät der Schweizer über seine anstehende Tour. Aber man will sein Erscheinen nicht als reinen Promo-Auftritt abtun, denn beim Thema "Schweiz (ESC)" ergibt Hännis Anwesenheit durchaus Sinn, schließlich fällt der Berner Song-Contest-Teilnehmer von 2019 gleich in beide Bereiche.
Dennoch liegt der Schwerpunkt am Sonntagabend eindeutig auf der Schweiz, das "ESC" steht also nicht umsonst nur in Klammern. Und tatsächlich nimmt man das Motto der Show auch ernst, was beim "Fernsehgarten" ja nicht immer der Fall war, nicht selten wurde alles ein bisschen arg hingebogen. Diesmal aber ist man voll bei der Sache und damit voll in der Schweiz und das fängt bei der musikalischen Auswahl an. Neben Hänni sieht man unter anderem die Schweizer Francine Jordi, Linda Fäh, Remo Forrer, Veronica Fusaro oder die Schweizer Band Pegasus.
Mindestens genauso eidgenössisch sieht das Rahmenprogramm aus, auch wenn man hier alles an Schweiz-Klischees bediente, was man nur konnte. Ein älterer Herr spielt auf Chlefeli, einem traditionellen Schweizer Instrument aus zwei Holzbrettchen, ein Chocolatier bedient die Schweizer Schokoladen-Schublade, ein Comedian scherzt über die sprachlichen Unterschiede zwischen Hochdeutsch und Schweizerdeutsch, Spieler der Schweizer Eishockey-Nationalmannschaft sausen mit Luca Hänni und Andrea Kiewel über eine Plastik-Eisfläche und ein Schweizer Koch brät Rösti am "Fernsehgarten"-Herd.
Andrea Kiewel: "Ist da jetzt Deutsch, ja?"
Das kann man natürlich alles so machen, es ist eben der "ZDF-Fernsehgarten" und kein Kulturfestival. Schwierig wurde es nur immer dann, wenn Andrea Kiewel unpassende Bemerkungen zur passenden, aber auch zur unpassenden Zeit machte. Das geht los, als sie zum kulinarischen Teil der Show überleiten will und dafür einen Mann im Publikum anspricht: "Sie sehen so aus, als würden Sie gerne essen", sagt Kiewel mit Blick auf dessen Körper und es wäre spannend gewesen, wenn der Mann auf diese Übergriffigkeit mit einem "Ja, leider bin ich schwer erkrankt" geantwortet hätte.
Aber das nächste Fettnäpfchen ist nicht weit und steht am Herd bei dem Schweizer Koch, der für Kiewel Rösti zubereiten soll. Nach ein wenig Vorlauf fragt Kiewel den Mann: "Welche Sprachen sprichst du?" Da fängt der Mann an, aufzuzählen, wird aber nach "Deutsch" bereits unterbrochen: "Ist da jetzt Deutsch, ja?" Der Koch lacht den "Spaß" weg, aber man braucht sich manchmal nicht fragen, warum manche Deutsche in der Schweiz oder Österreich als arrogant wahrgenommen werden.
Wenig später versucht Kiewel den Spruch ein zweites Mal anzubringen, als der Schweizer Comedian Loris Zimmerli seine Scherze über Schweizerdeutsch und Hochdeutsch macht.
Da nimmt ihn Kiewel im Anschluss in den Arm und fragt, ob seine Zeit in Hannover der Grund sei, warum sein "Deutsch, was du selbst als Hochdeutsch beschreibst – ist es nicht – dass das so gut klappt?" Das zündet alleine schon deshalb nicht, weil Witze nicht besser werden, wenn man sie zweimal hintereinander erzählt, passt aber im Gegensatz zum ersten Mal an dieser Stelle.
"Ihr seid blass wie Schweizer, ich komm zu euch"
Denn es ist ein Unterschied, ob man sich über die Aussprache eines Gastes lustig macht, der sich alle Mühe gibt, dass ihn das deutsche Publikum, für das er gerade kocht, versteht oder ob man den Spruch bei einem Comedian bringt, dessen Thema genau diese Sprachunterschiede sind und der kurz zuvor noch gescherzt hat, er sei "der einzige Schweizer, der noch nicht die Nerven verloren hat, euch Deutschen unsere Sprache zu erklären".
Manchmal ist eben das Timing entscheidend, wenn man etwas sagt, manchmal aber auch der Inhalt und da hatte Kiewel noch ein paar Sprüche parat. "Ihr seid blass wie Schweizer, ich komm zu euch", spricht Kiewel ein paar Zuschauer an, als sie ein Schweiz-Quiz spielen will und als sie mit Luca Hänni über die Erfolge der Schweizer Eishockey-Nationalmannschaft plaudert, haut sie ein "Ich dachte, ihr könnt nur Schokolade und Uhren" raus.
Wie gesagt: Das kann man alles lustig finden – muss es aber nicht. Und vielleicht meinten Abor & Tynna ja genau das, als sie sagten, sie würden sich im "Fernsehgarten" nicht sehen.