Wer lügt? Wer kann wem vertrauen? Die ARD will mit ihrer neuen Show "Werwölfe – Das Spiel von List und Täuschung" im Reality-TV-Kosmos mitmischen. Wie gut das Genre zu dem Sender passt, erklärt Comedian Michael Kessler im Interview mit unserer Redaktion. Er moderiert das neue ARD-Format aus dem Off.

Ein Interview

Mit "Werwölfe – Das Spiel von List und Täuschung" wagt sich die ARD auf neues Terrain: Reality-TV. Tief im Herzen eines geheimnisvollen Waldes müssen 13 Kandidaten und Kandidatinnen das geheime "Werwolf"-Trio unter ihnen entlarven, bevor sie selbst aus dem Spiel scheiden. Am Ende winken 25.000 Euro Preisgeld. Produziert wird in Frankreich, nach dem Vorbild des französischen Erfolgs "Les Loups-Garous". Los geht es mit den ersten Folgen am 25. September in der ARD Mediathek, im linearen Fernsehen am 2. Oktober, um 22:50 Uhr.

Das Format, das auf dem Kultspiel "Die Werwölfe von Düsterwald" basiert, wird aus dem Off von Michael Kessler begleitet. Der Comedian und Schauspieler erklärt im Interview mit unserer Redaktion, wie dieses Genre zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk passt und warum die ARD nun im Reality-Kosmos mitmischen will.

Außerdem spricht er über die entscheidenden Unterschiede zur verblüffend ähnlichen Show "Die Verräter" auf RTL und verrät, warum der "Werwölfe"-Cast deutlich mehr bietet als typische Reality-Kost.

Michael Kessler, ein Reality-Format bei der ARD – das kennt man sonst eher von RTL oder ProSieben. Haben Sie auch kurz gestutzt, als die Anfrage kam?

Michael Kessler: Ja, natürlich habe ich gestutzt. Dann habe ich aber auch gleich gedacht: "Guter Schachzug von der ARD, das Feld nicht immer nur den anderen zu überlassen." Das ist ja ein Genre, das unglaublich beliebt ist bei den Fernsehzuschauern. Deswegen war immer schon meine Frage: "Warum findet das eigentlich nie bei den Öffentlich-Rechtlichen so richtig statt?" Hier ist es jetzt passiert - endlich mal, muss man sagen. Und das Gute ist: Wenn ein Sender, von dem wir Qualität gewohnt sind, sich einem solchen Format annimmt, dann ist das ein echter Fortschritt. Hier ist es inhaltlich und visuell wahnsinnig hochwertig gemacht.

Aber warum will die ARD das auf einmal?

Viele Zuschauer und Zuschauerinnen wollen das, viele Zuschauer und Zuschauerinnen gucken das. Und es heißt auch immer wieder, die ARD wäre zu wenig innovativ und hätte kein Programm für jüngere Menschen. Reality ist ein modernes Genre, ein modernes Format. Es gibt einen Bedarf: Viele Menschen möchten sich mit solchen Formaten unterhalten lassen. Warum sollte die ARD das jetzt nicht tun? Wenn ich ARD-Chef wäre, würde ich das genauso machen.

"Man muss diese Berührungsangst zwischen Öffentlich-Rechtlich und Reality ein Stück weit ablegen und über seinen Schatten springen."

Michael Kessler

Aber wie passt das zwischen den ganzen Krimis, Politik-Talkshows etc. rein?

Die ARD ist die Heimat von Thriller, Krimi und Family-Entertainment. Da passt dieses Format eigentlich gut rein. Ich finde es komisch, wenn die Menschen fordern, dass die öffentlich-rechtlichen Sender sich modernisieren sollen und dann aber - wenn zum Beispiel so ein Reality-Format kommt – sagen: "Moment mal. Warum machen die das? Was soll das? Dürfen die das überhaupt?" Ich sage: "Natürlich dürfen die das!" Die ARD und das ZDF müssen, wie im Theater, einen Spielplan haben, der für alle ist. Und dadurch, dass so viele Menschen Reality gucken, ist es doch auch ein logischer Schritt zu sagen: "Wir machen das jetzt auch, aber anders als die anderen."

Das sieht man schon an dem Cast für diese Show: Die haben sich Leute mit Köpfchen geholt. Die haben sich Leute mit Hobbys oder Jobs geholt, bei denen man sagt: "Das ist irre, dass die jetzt genau in so einem Format mitspielen." Ein Psychologe, ein Schauspieler, ein Mentalist, eine Pokerspielerin. Die sind prädestiniert dafür, Täuschung zu erkennen und Wahrheiten zu überprüfen. Man muss diese Berührungsangst zwischen Öffentlich-Rechtlich und Reality ein Stück weit ablegen und über seinen Schatten springen. Denn es steht nirgendwo geschrieben, dass nur Privatsender Reality machen dürfen, sollen, können, müssen.

Michael Kessler: Das unterscheidet "Werwölfe" von "Die Verräter"

Ist bei dem Cast jemand dabei, den man von anderen (Reality-)Shows kennt?

Man kennt keinen dieser Menschen. Es sind Menschen wie du und ich, nur teilweise mit etwas spezielleren Berufen, Hobbys oder Professionen. Aber es ist nicht das gängige Reality-Personal, das wir aus anderen Sendern kennen. Das sind ganz andere Leute, quer durch die Republik gecastet. Und das macht es so sympathisch und für den Fernsehzuschauer wieder neu und frisch. Man folgt diesen Menschen gerne.

Sie haben vorhin gesagt, die ARD macht Reality mit "Werwölfe – Das Spiel von List und Täuschung" anders als die anderen. Inwiefern?

Die Kulisse von "Werwölfe – Das Spiel von List und Täuschung" wirkt ganz schön gruselig. © ARD / BR / SWR / Homayoun Fiamor

Anders als andere vielleicht das Genre bedienen und herstellen. Hier wird Wert auf Visualität, Inhalt und Authentizität gesetzt. Zum Beispiel kennen die Kandidaten und Kandidatinnen ihre Rolle vorher nicht. Das hätte man locker von außen steuern können. Aber hier muss sich jeder Spielende selbst eine Box aussuchen, in der ein Zettel mit der Rolle liegt. Dadurch ist es für die Produktion überhaupt nicht vorhersehbar, wer Werwolf oder Dorfbewohner wird. Das finde ich sehr wichtig. Denn es geht in diesem Format wahnsinnig viel um Lüge, um Täuschung, um Wahrheit, um Manipulation, um Taktik. Da müssen die Grundparameter schon in der Herstellung authentisch sein. Wenn man das jetzt auch noch alles faked und täuscht, dann funktionieren die Formate beim Zuschauer nicht so gut.

"Werwölfe – Das Spiel von List und Täuschung" erinnert konzeptionell stark an "Die Verräter" auf RTL. Was unterscheidet die beiden Sendungen?

Bei "Die Verräter" wissen wir bereits von Anfang an, wer die Bösen sind. Und das wissen wir bei "Werwölfe" nicht. Wer hat welche Rolle? Darüber bleiben die Zuschauer und Zuschauerinnen bis zum Schluss im Ungewissen. Dadurch kann man viel mehr mitraten und mitfiebern.

Michael Kessler über Fakes

Warum sind solche Formate bei den Zuschauern aktuell so beliebt? Worin liegt der Reiz?

Wir spielen alle sehr gerne. Und wir lassen uns, wenn es auf einer Unterhaltungsebene ist, gerne an der Nase herumführen. Und wir rätseln gerne. Wir sind eine Krimi-Nation, die Deutschen gucken wahnsinnig gerne Krimis. Und warum? Weil sie mitraten, mitüberlegen können. Darum werden auch gerne Formate wie "Wer wird Millionär?" angeguckt.

Und es ist momentan sehr aktuell, einer Gruppe von Menschen zu folgen, die versucht, in dem ganzen Fake die Wahrheit zu finden. Eigentlich sind wir nur noch umgeben von Fake, falschen Nachrichten und Lügen. Auf Social Media spielt jeder vor, dass er reich ist, jeden Tag in den Urlaub fährt und Hummer isst. Es fällt uns immer schwerer, zwischen Wahrheit und Fake zu unterscheiden.

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Michael Kessler missfällt oft die Qualität des Reality-TVs

Wenn Sie selbst mitspielen müssten, wie gut wären Sie im Lügen? Könnte man Ihnen gut den "Werwolf" abnehmen?

Da ich gelernter Schauspieler bin, würde ich versuchen, alle Register zu ziehen und die ganze Bande an der Nase herumführen. Aber ich glaube, dass das gar nicht so leicht ist, weil das hier nicht nach einem Drehbuch funktioniert. Man weiß nie, was die anderen anstellen, was sie mitkriegen und was sie für eine Sensibilität haben und wie man selbst verunsichert wird.

Welches Reality-TV-Format schauen Sie am liebsten privat?

Ich gucke das Genre, muss ich ehrlich gestehen, relativ wenig, da mir die Qualität oft nicht auf dem Stand ist, den ich gerne hätte. Ich gucke aus Neugier - weil das mein Job ist - teilweise in Formate rein, um zu wissen, was da passiert.

In welchem Reality-TV-Format würden Sie gerne selbst teilnehmen?

Ich habe mir immer geschworen, dass ich an keinem teilnehme. Aber wer weiß, so einen Werwolf würde ich vielleicht doch mal gerne spielen.

Sendetermine in der ARD-Mediathek

  • Folgen 1-4: ab 25. September
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  • Folge 1-2: 2. Oktober um 22:50 Uhr