Mit seiner "Stefan Raab Show" versuchte Stefan Raab am vergangenen Mittwoch, sein Konzept von "TV total" ein zweites Mal wiederzubeleben. Erst einmal war das erfolgreich, doch umso spannender war nun die Frage, ob die Quoten auch in Folge zwei stimmen. Doch egal, wie das ausgeht: Inhaltlich war die zweite Ausgabe Fernsehen, wie man es unbedingt nicht sehen will.

Christian Vock
Eine Kritik
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Eigentlich muss man vor Stefan Raab den Hut ziehen. Es gehört schon ein bisschen Mut, Selbstbewusstsein – oder auch Ignoranz – dazu, sich dreimal mit der fast identischen Show vors Publikum zu stellen und auf Applaus zu hoffen. Mit "TV total" fing alles vor einem guten Vierteljahrhundert an, bis Raab 2015 in den Sack haute. Nach seiner Auszeit versuchte Raab 2024 das Comeback mit "Du gewinnst hier nicht die Million", doch statt mit neuen Ideen zurückzukehren, mixte Raab hier einfach "TV total" mit "Schlag den Raab", also mit TV-Konzepten aus den 2000ern. Nach nicht einmal einem Jahr und sinkenden Quoten war dann auch schon wieder Schluss.

Nun ist Raab nach einer Werbewoche seit vergangenem Mittwoch zurück und verkauft zum zweiten Mal alten Wein in neuen Schläuchen. Denn auch bei der "Stefan Raab Show" gibt es wieder den typischen Stand-up-Part, ein paar Einspielfilmchen und einen Talk-Gast. Nur die Million, die ohnehin niemand gewonnen hatte, ließ man diesmal weg. Bei RTL feierte man sich, noch mehr aber die Zahlen. Zu Recht, denn mit einem Marktanteil von 12,5 Prozent bei der werberelevanten Zielgruppe kann man die erste reguläre Ausgabe der Show durchaus als Erfolg bezeichnen.

Das war die erste Folge von "Du gewinnst hier nicht die Million" allerdings auch, ehe Quoten und Marktanteile nur noch eine Richtung kannten. Mit anderen Worten: Nach einer Anfangsneugierde der Zuschauer, muss die "Stefan Raab Show" nun zeigen, ob die wenigen Änderungen am Konzept diesmal für einen längeren Erfolg reichen. Ob man bei RTL Erfolg nur an den Zahlen misst oder ob man auch dann zufrieden ist, wenn man inhaltlich mit der Show zufrieden ist, ist dann wieder eine andere Sache. Mit anderen Worten: Ob das nun der x-te "TV total"-Aufguss ist oder nicht – so lange die Zahlen stimmen, wird man bei RTL nicht meckern.

"Heute dreht sich bei uns alles um die Türkei"

Zu den genannten Minimal-Änderungen gehört jedenfalls, dass es für jede Show ein eigenes Motto gibt und für die zweite Ausgabe hat sich Raab Folgendes überlegt: "Heute dreht sich bei uns alles um die Türkei." Was das bedeutet, zeigt Raab schon gleich beim Hereinkommen, denn statt seiner üblichen Raab-Uniform aus Jeans und Hemd trägt er einen lachsfarbenen Anzug mit dunkelblauem Hemd und hellblauer Krawatte. "Ich war zu Besuch im Kölner Epizentrum der türkischen Kultur, in der legendären Keupstraße, und da hab ich auch diesen Anzug her", erklärt Raab das Outfit. Das habe der Vater des Verkäufers auf der letzten Hochzeit getragen und spätestens hier ahnt man, dass das Türkei-Motto keine gute Richtung nehmen wird.

Zwar ruft Raab am Mittwochabend ein Fest zur deutsch-türkischen Freundschaft aus und auch Raabs Studiogast, der Rapper und Songwriter Eko Fresh, lobt den Entertainer für die jahrelange Unterstützung der türkischen Community – aber so recht will man Raab seine Liebe zur türkischen Kultur nicht abnehmen. Zumindest scheint es keine Liebe auf Augenhöhe zu sein. Denn Raab fährt an diesem Abend so ziemlich jedes Türkei-Klischee auf, das einem nur einfallen könnte. "Wir haben volles Haus, 200 Leute hier. Oder wie man in der Türkei sagt: Hochzeit im allerkleinsten Familienkreis", kalauert Raab etwa.

Noch ein paar Beispiele? "Jetzt fragen sicher einige: Was hat denn Sascha Grammel mit der Türkei zu tun?", spielt Raab auf seinen zweiten Studiogast an und erklärt dann: "Sascha Grammel ist eigentlich Türke, heißt eigentlich Sascha Grümmel und er hat sich die Haare gefärbt und ein A reingemacht." Wow. Noch einer? Raab kündigt das angeblich neue Video von Apache 207 an und das habe das Motto "Einmal Show mit alles und schön scharf." Gut, ein letzter: Es sei Zeit, sich einmal bei allen Türken zu bedanken, behauptet Raab und dieser Dank hört sich dann so an: "Danke, dass ihr Carsten Maschmeyer jedes Jahr neue Haare einpflanzt."

Klischee ist, wenn man trotzdem lacht

Dann zieht Raab in einem Einspielfilmchen über die bereits erwähnte Keupstraße in Köln und guckt nach, ob er nicht noch weitere Klischees finden kann und das erste bringt er sogar selber mit. Ein Luxus-Cabrio und die entsprechende Attitüde: "Parken, zweite Reihe." Dann klappert er die ansässigen Läden ab, einen Juwelier, einen türkischen Friseur, Reisebüro, Platten- und natürlich einen Dönerladen. Raab könnte natürlich mehr, als sich nur an Stereotypen abarbeiten, aber offenbar reicht ihm das. Das muss man nicht lustig finden, das Problem ist aber: Es ist noch dazu richtig schlechtes Fernsehen.

Dass Raab sich beim türkischen Friseur mit Wachs die Haare aus der Nase rupfen lässt, hätte in den 2000ern vielleicht noch jemanden gejuckt, heute ist man froh, wenn man lediglich das zu sehen bekommt. Ähnlich antiquiert ist auch der Rest, denn Raab macht einfach das stumpf weiter, was er all die Jahre und vor all den Jahren gemacht hat: Er zeigt kurze Einspieler, in denen Leute etwas Lustiges sagen oder machen. Das spart einem die Mühe, selbst lustig zu sein. Und wenn Raab es dann doch einmal versucht, geht es richtig in die Hose.

Zum Beispiel, als Annalena Baerbock als Präsidentin der Generalversammlung bei der UNO mit einem Hammer auf den Tisch klopft, spottet Raab: "Zuerst hab ich gedacht, sie klopft ihr eigenes veganes Schnitzel platt." Haha. Und als er mit dem Mitarbeiter des türkischen Reisebüros zusammensitzt, die Ukulele herausholt und "Viva Colonia" singt, will man nicht mitschunkeln, sondern Raab zurufen: "Herr Raab, wir haben 2025! Fernsehen ist jetzt anders. Zumindest gutes Fernsehen!" Aber das ist die "Stefan Raab Show" nicht, jedenfalls noch nicht und ob sie es jemals sein wird, darf man schwer bezweifeln.

Ich kaufe ein Ü

Zumindest dann nicht, wenn Raab das, was er am Mittwochabend unter Humor verstanden hat, beibehält. All die Klischees und Uralt-Ideen waren nämlich noch gar nicht das Schlimmste, sondern der Moment, in dem Raab all das zusammenmixt. Denn nicht der angekündigte Bauchredner Sascha Grammel kam, sondern nur eine Bauchredner-Puppe, die so aussah wie Grammel. Raab steckte seine Hand in die Puppe und "spielte" nun den Bauchredner. Das war wild und ziellos, sah eher aus wie ein spontaner Einfall und man konnte nicht so recht erkennen, was Raab damit bezwecken wollte. Gelächter des Publikums kann es nicht gewesen sein – und das hatte einen Grund.

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"Ich möchte gerne einen Türkenwitz erzählen", lässt Raab nämlich seine Puppe "sagen" und erzählt dann den "Witz" von dem Mann, der beim türkischen Glücksrad gerne ein "Ü" kaufen möchte und dann sofort lösen kann. Es mag in den 1990er Jahren tatsächlich mal jemanden gegeben haben, der darüber gelacht hat, und es mag auch sein, dass es auch heute noch jemanden gibt und die Quoten gar nicht so schlecht sind. Aber 2025 macht so eine Art von Fernsehen einfach nur traurig.