Mit Oscar Piastri und Lando Norris konkurrieren zwei Teamkollegen um die Weltmeisterschaft der Formel 1. Von der Persönlichkeit könnten die beiden kaum unterschiedlicher sein. Ex-Fahrer Marc Surer vergleicht die beiden McLaren-Piloten.
Es ist oft brisant, wenn zwei Fahrer aus dem gleichen Rennstall um die Weltmeisterschaft kämpfen.
Mit Oscar Piastri und Lando Norris gibt es nun zwei Fahrer bei McLaren, die um die WM kämpfen. Das Miteinander ist allerdings respektvoll. Sonntag machte der australische Piastri einen Schritt in Richtung WM-Titel, weil er das Rennen in Zandvoort (Niederlande) gewann. Norris wurde von einem Motorschaden gestoppt. Trotz aller Freude sagte Piastri in der Ehrenrunde per Boxenfunk: "Es tut mir leid für Lando."
Der 25-jährige Norris fährt seit 2019 für McLaren. 2023 kam Piastri (24) als Neuling hinzu. Ob ihr Verhältnis heute anders ist, weil sie nun WM-Rivalen sind? "Nein, es hat sich nicht wirklich etwas verändert", antwortete Piastri auf Nachfrage von unserer Redaktion. "Ich glaube, wir kennen uns jetzt besser und verstehen uns wahrscheinlich auch besser als vorher."
Zwei ganz unterschiedliche Typen
Marc Surer beobachtet das Duell zwischen Norris und Piastri interessiert. Der Schweizer absolvierte zwischen 1979 und 1986 selber 82 Rennen in der Formel 1. Später begleitete er die Königsklasse unter anderem als Kommentator von "SKY" und dem SRF.
"In der Formel 1 kann es ein kleines Handicap sein, wenn man anständig ist."
"Norris und Piastri sind zwei ganz unterschiedliche Typen", sagte er im Gespräch mit unserer Redaktion. "Norris ist super schnell, aber sensibel. Das ist ihm teilweise schon zum Verhängnis geworden. Ihm fehlt eine gewisse Brutalität. In der Formel 1 kann es ein kleines Handicap sein, wenn man anständig ist. Er sticht beim Überholen nicht so rein wie ein
Piastri sei ein völlig anderer Charakter: "Piastri scheint eher der Typ zu sein, der völlig natürlich und emotionslos alles umsetzt. Er ist fast eine Maschine. Wenn er die Chance sieht zu gewinnen, dann gewinnt er. Und wenn er mal nicht gewinnen kann, dann gewinnt er halt nicht. Aber er bringt die Leistung auf den Punkt. Piastri ist auf jeden Fall der coolere Typ von den beiden."
Parallelen zum Rekord-Weltmeister drängen sich auf. "Ich würde Piastri mit
Als unsere Redaktion Piastri auf diesen Vergleich ansprach, reagierte er positiv: "Im selben Satz wie Michael erwähnt zu werden, ist eine gute Sache. Ich habe zwar einen verdammt langen Weg vor mir, um auf sein Level zu kommen, aber ich nehme das gerne an."
Norris hat mehr als doppelt so viele Fans
Norris hat durch den Ausfall in Zandvoort 34 Punkte Rückstand auf Piastri. Da wird es ihn kaum trösten, dass er in der Gunst der Fans vorne liegt. Ein Blick auf Instagram verrät: Norris hat 10,6 Millionen Follower, Piastri 5,1 Millionen Follower (Stand: 31. August 2025).
"Lando ist ein Gewinn für die Formel 1. Er kann sich gut ausdrücken. Bei den Pressekonferenzen oder bei Interviews holt er richtig aus und erklärt den Leuten die Formel 1. Ich finde es super, dass er das kann", sagt Surer. "Er ist offen und intelligent, aber der negative Teil ist eben, dass er vielleicht ein bisschen zu viel denkt und vielleicht nicht die Brutalität hat, die man braucht, um Weltmeister zu werden."
Norris sprach offen über seine Nervosität
Norris ist ein Mensch, der unverblümt über sein Seelenleben spricht. Öffentlich gab er zum Beispiel zu, an Renntagen kaum essen oder trinken zu können, "einfach, weil ich nervös bin". Piastri tickt anders.
Gleich bei seinem Einstieg in der Formel 1 bewies er, dass ihm Unruhe und Druck nichts anhaben können. Zur Erinnerung: Der Australier stammt aus dem Nachwuchsprogramm von dem französischen Rennstall Alpine und sollte dort ab der Saison 2023 das Cockpit in der Formel 1 übernehmen. Piastri allerdings unterschrieb bei McLaren. Damit verpasste er seinem Ex-Rennstall, der viel Geld für seine Ausbildung investiert hatte, einen schweren Schlag. Trotz des gewaltigen Medienechos erwies Piastri sich auf Anhieb als Top-Fahrer.
Beide dominierten die Nachwuchs-Rennserien
Dass Norris und Piastri besondere Talente sind, zeichnete sich bereits früh in ihrer Laufbahn ab. Beide sammelten in den Nachwuchsserien jeweils mehrere Titel. Norris gewann 2016 beispielsweise die Meisterschaft im Formel Renault Eurocup, Piastri tat 2019 selbiges.
Piastri gewann ein Jahr später gleich in seiner ersten Saison die Meisterschaft in der Formel 3, ein Jahr später folgte der Titelgewinn in der Formel 2. Norris war ähnlich erfolgreich: 2017 wurde er Meister in der Europäischen Formel 3, ein Jahr später wurde er Zweiter in der Formel 2. Nur George Russell, heute Formel-1-Fahrer bei Mercedes, landete vor ihm.
Nun haben beide die große Chance, erstmals Weltmeister in der Formel 1 zu werden. Neun Rennen sind noch bis zum großen Finale am 7. Dezember in Abu Dhabi zu bestreiten – bereits am kommenden Wochenende steht das Rennen im italienischen Monza an.
Die Psyche wird zum entscheidenden Faktor
Norris muss seinen technischen Ausfall von Zandvoort schnell verarbeiten. "Wenn ich die WM verliere wegen dieser Sache, dann wäre es hart", sagte er nach dem Rennen. Einerseits hat er an dem technischen Ausfall keine Schuld. Andererseits gelang es ihm auch zuvor nicht, Piastri unter Druck zu setzen.
Worauf es im Saisonendspurt ankommt? "Bei einem Stallduell ist das Psychische noch schlimmer als sonst", erklärt Surer. "Beide haben das gleiche Auto und somit die gleichen Waffen. Wenn sie nicht schnell genug sind, haben sie das Auto offenbar nicht richtig abgestimmt. Dadurch ist es noch viel belastender für den Fahrer, wenn der Konkurrent schneller ist. Deshalb ist die Psyche viel angespannter."
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Die Frage wird sein, wer damit besser umgehen kann.
Über den Gesprächspartner
- Marc Surer (Jahrgang 1951) fuhr zwischen 1979 und 1986 insgesamt 82 Rennen in der Formel 1. Der Schweizer sammelte dabei 17 WM-Punkte und war für die Rennställe Ensign, ATS, Ensign, Theodore, Arrows, Brabham und Arrows unterwegs. 1996 begann er als Kommentator bei Sky und übte diese Tätigkeit bis 2017 aus.
Verwendete Quellen
- Pressekonferenz in Zandvoort