Die SV Elversberg klopft vehement ans Tor zur Bundesliga. Dem Dorf-Klub bietet sich in den Relegationsspielen eine historische Chance – ausgerechnet gegen jenen Klub, der in vielen Bereichen als großes Vorbild dienen darf.
Mit der Deutschen Bahn können die Fans des 1. FC Heidenheim am kommenden Montag schon mal nicht nach Spiesen-Elversberg anreisen. In Heidenheim, rund 50.000 Einwohner, gibt es zwar einen Bahnhof. In Spiesen-Elversberg für seine 13.000 Seelen aber nicht. Und der wäre – natürlich – auch bei einem möglichen Aufstieg des Dorf-Klubs in die Bundesliga nicht geplant.
Spiesen-Elversberg: Nie war ein möglicher Bundesliga-Standort kleiner
Die Spielvereinigung Elversberg schickt sich an, in den beiden Relegationsspielen gegen den anderen vermeintlichen Dorf-Klub aus Heidenheim Geschichte zu schreiben: Nie war ein Bundesliga-Standort kleiner und wohl noch nie auch unbekannter.
Seit drei Jahren spielt die SVE nun im deutschen Profifußball vor, erst eine Saison in der 3. Liga, nun ein zweites Jahr in der 2. Liga. Und doch ist über die "Elv" über die Grenzen des Saarlands hinaus kaum etwas bekannt.
Wie hat der vermeintliche Underdog aus dem Südwesten der Republik das also geschafft: Die mehrfachen Aufstiege in kurzer Zeit, sich immer wieder gegen die sogenannten Traditionsklubs durchzusetzen? Eine Analyse.
Die Macher im Hintergrund
So märchenhaft der Elversberger Aufstieg auf den ersten Blick scheint, ist er vielmehr das Ergebnis eines grundsoliden Plans und einer sauberen Finanzierung. Frank Holzer ist der Baumeister hinter den Kulissen. Früher hat der 72-Jährige selbst mal für Saarbrücken und Braunschweig in der Bundesliga gekickt, sich danach dem Studium der Pharmazie gewidmet und die Firma seines Vaters Albrecht übernommen.
Zusammen mit ein paar Kollegen aus der Region gründete der Apotheker Holzer senior das Unternehmen "Ursapharm", das sich früh auf Augenheilkunde spezialisiert hat und einen angeblichen Nachteil zu einem Vorteil machte: Mit einem aus Frankreich bezogenen Patent für Augenarzneimittel entwickelte das Unternehmen die Augentropfen "Hylo" – für die heute unter anderem die Spieler des FC Bayern werben: Ursapharm ist Sponsoringpartner beim Rekordmeister.

Frank Holzer ist seit 30 Jahren im Klub
Der Konzernumsatz bewegt sich in Richtung 400 Millionen Euro pro Jahr, Ursapharm gilt als hochprofitables Unternehmen. Und Holzer als eine Mischung aus Mäzen, Visionär, Antreiber und Mädchen für alles bei der "Elv". Seit über 30 Jahren ist er im Klub, war Präsident, mehrmals in unteren Ligen Interimstrainer und ist jetzt Chef des Aufsichtsrats. Sein Sohn Dominik (43) hat von Vater Frank vor 14 Jahren das Amt des Klubpräsidenten übernommen. Die SV Elversberg ist also im besten Wortsinn familiär geführt.

Einen Hoffenheim-Vergleich will Holzer nicht gelten lassen
Zehn Millionen Euro soll der Etat für die eben abgelaufenen Zweitliga-Saison betragen haben, eine geradezu lächerlich kleine Summe im Vergleich zu den Budgets anderer Zweitligisten und ganz zu schweigen von den Zahlen, die in der Bundesliga kursieren. Natürlich wird der Klub von Ursapharm gut alimentiert, die Quervergleiche mit etwa 1899 Hoffenheim, wie in
Zum einen wegen einer völlig anderen inhaltlichen Linie, die Elversberg verfolgt. Und weil er selbst ja auch Profi war. Vielmehr schwebt dem Klub-Patron eine Erfolgsgeschichte wie die des Relegationsgegners Heidenheim vor. Da sehe man, "dass nachhaltiger Erfolg nicht von großen Investoren, sondern von Kontinuität, Bodenständigkeit und kluger Vereinsführung abhängt. Die Ruhe mit der dort gearbeitet wird, ist beeindruckend", sagt Holzer, der im Klub übrigens nur "De Alt" genannt wird. Der Alte.
Elversberg will Stadion ausbauen
Das Stadion an der Kaiserlinde ist die traditionelle Spielstätte des Klubs und soll das auch in Zukunft bleiben. Unter anderem deshalb baut Elversberg das Stadion aus. Bald sollen nicht mehr nur rund 10.000, sondern 15.000 Fans Platz finden. Auch das eine Parallele zu Heidenheim, das nach einer vergleichbaren Ausbaustufe auch rund 15.000 Fans in die Voith-Arena packen kann. Längst heißt das Stadion in Elversberg offiziell "Ursapharm-Arena", für die Fans bleibt es aber die Kaiserlinde.

Wie in Heidenheim, wo vor 15 Jahren noch auf einer besseren Bezirkssportanlage in der Verbandsliga gekickt wurde, hat sich auch Elversberg aus den Untiefen der Landesliga nach oben gearbeitet. Als Holzer den Klub übernahm, sollen 800.000 D-Mark Schulden belastet haben. Längst ist daraus ein organisch und gesund wachsender Klub geworden.
In St. Ingbert, rund sechs Kilometer von Elversberg entfernt, baut die SVE ein (neues) Trainingszentrum für seine Profimannschaft. Das wiederum ähnelt – schlicht aus Platzmangel – dem Vorgehen in Hoffenheim, das mit seinen Trainingsanlagen für die Lizenzspieler nicht in Hoffenheim, sondern in Zuzenhausen beheimatet ist.
Die sportlichen Strategen
Seit mittlerweile sechseinhalb Jahren leiten Nils-Ole Book und Horst Steffen die sportlichen Geschicke an der Kaiserlinde. Der ehemalige Bundesliga- und Zweitligaspieler Book rückte innerhalb des Klubs erst vom Nachwuchs-Scout zum Sportdirektor auf und ist seit nunmehr drei Jahren Sportvorstand. Unterstützt wird er dabei seit rund zwei Jahren von David Blacha, der als Leiter Lizenzbereich und Scouting Books frühere Aufgaben übernahm.
Es war im Oktober 2018 auch Books Idee, Horst Steffen aus der Arbeitslosigkeit in die Regionalliga Südwest zu holen. Elversberg steckte damals im Abstiegskampf, der ehemalige Bundesligaspieler Steffen stabilisierte erst die Mannschaft und begann nach dem Klassenerhalt seine eigentliche Mission.
Im Sommer 2022 gelang der Aufstieg in die 3. Liga, dann sofort der Durchmarsch in Liga zwei. In der vorletzten Saison landete Elversberg ohne große Abstiegsgefahr auf Rang elf und hat nun als Dritter die Chance, den dritten Aufstieg binnen vier Jahren zu schaffen.
Die inhaltliche Konzeption
Auch hier drehten die Macher einen vermeintlichen Nachteil in einen Vorteil: Das Umfeld in Elversberg ist geradezu prädestiniert für eine ruhige, kontinuierliche Arbeit fernab des Trubels, der sonst den Profifußball in Deutschland umweht. Steffen legte von Beginn an größten Wert auf einen attraktiven, mutigen Angriffsfußball, den seine Mannschaften spielen sollten.
Das wiederum gelang und gelingt mit einer ganzen Reihe an talentierten Leihspielern, die in ihren Heimatklubs (noch) für zu leicht befunden wurden, in Elversberg aber gleich mehrere Schritte auf einmal gehen könnten. Nick Woltemade oder Paul Wanner sind wohl bei beiden prominentesten Beispiele, aktuell mischten Fisnik Asllani und Muhammed Damar die 2. Liga auf.

Beide gehören der TSG Hoffenheim, fanden dort aber keine Berücksichtigung für den Bundesliga-Kader. Also schlug Elversberg mal wieder zu und traf – wie so oft – voll ins Schwarze. Asllani war mit 26 Scorerpunkten (18 Tore, acht Assists) zweitbester Scorer der Liga, Damar mit 14 Scorerpunkten (neun Tore, fünf Assists) so etwas wie sein kongenialer Partner.
Scouting in überschaubaren Gefilden
Auch hier sind die Quervergleiche zu Heidenheim durchaus angebracht. Sorgfältig, früh und sehr gezielt scouten beide Vereine in eher überschaubaren Gefilden. Nicht in fernen Märkten, sondern vor der Haustür und nach deutschsprachigen Spielern aus der zweiten Reihe. "Wir überlassen nichts dem Zufall und schauen uns bei neuen Spielern alle Spiele an, die dieser im vergangenen Jahr absolviert hat. Zudem sehen wir die Spieler auch live. Es steckt immer ein ganzheitlicher Prozess dahinter", so Blacha.
Daraus baut Trainer Steffen dann um ein Gerüst an Spielern, die schon seit Jahren im Verein sind und Elversberg "verstehen" immer wieder eine Mannschaft, die in ihrem Markenkern einzigartig in der 2. Liga ist. Allenfalls der 1. FC Magdeburg hat einen ähnlich unkonventionellen Ansatz, wenngleich inhaltlich auch völlig anders ausgeprägt.
Elversbergs Spiel: Vertikal, schnörkellos, schnell
Elversbergs Spielidee ist immer auf Angriff ausgelegt, auf das schlaue Öffnen von Räumen, das Bespielen der Zwischenräume, eine herausragende Diagonalität und Spieldynamik: Sehr vertikal, schnörkellos, schnell und mit wenigen Kontakten soll es nach vorne gehen. 64 Tore hat Elversberg erzielt, nur der HSV (78) war da noch besser. Allerdings mit einem Kader, der im Unterhalt rund vier Mal so teuer war.
Und wer weiß: Vielleicht folgt Elversberg den großen Kontrahenten Köln und Hamburg nun in die Bundesliga. Eine große Überraschung wäre es nach der Entwicklung der letzten Jahre nicht mehr.