Borussia Dortmund galt eigentlich als potenzieller Meister-Konkurrent des FC Bayern München. Der misslungene Auftakt beim FC St. Pauli lässt daran allerdings zweifeln.
Unter vielen Experten herrschte vor Saisonbeginn Einigkeit: Borussia Dortmund würde am ehesten das Potenzial haben, dem Meisterfavoriten FC Bayern München Paroli zu bieten. Sky-Experte Didi Hamann schätzte den BVB als stärksten Konkurrenten ein, Lothar Matthäus ebenfalls. Doch das Auftaktspiel beim FC St. Pauli führte diese Einschätzung ad absurdum.
Dortmund führte bis zur 86. Minute mit 3:1 – und gewann trotzdem nicht. Wie das passieren konnte? Kurz zusammengefasst: Foulspiel von Filippo Mané, Rote Karte, Elfmeter für St. Pauli. Danel Sinani verwandelte vom Elfmeterpunkt. Nur drei Minuten später brachte Eric Smith das Millerntor mit dem 3:3 zum Kochen – und ließ fassungslose Dortmunder zurück.
BVB-Sportdirektor Sebastian Kehl stand die Enttäuschung ins Gesicht geschrieben. "Wir müssen den Punkt akzeptieren. Aber natürlich darf es nicht passieren, dass man 3:1 führt und das Spiel innerhalb weniger Minuten aus der Hand gibt", stellte er klar.
Platzverweise: Ein bekanntes Problem aus der Vorsaison
Der Knackpunkt des Spiels war die Rote Karte. Ausgerechnet der 20-jährige Mané, der aufgrund der Verletzungsmisere in der Abwehr sein erstes Bundesligaspiel absolvierte, mutierte zum großen Unglücksraben. Das Grundproblem allerdings ist schon länger bekannt. Dortmund kassierte letzte Saison drei Gelb-Rote Karten und drei Rote Karten. Kein Bundesligist verbuchte mehr Platzverweise.
"Wir nehmen das Problem aus dem letzten Jahr mit", bemängelte Brandt. "Wir haben letztes Jahr sechs Rote Karten gesammelt und haben dadurch viele Punkte liegengelassen. Damit jetzt zu starten, ist ein bisschen schwierig." Doch die Rote Karte war längst nicht das einzige Problem.
Keine fußballerischen Lösungen, wenig Kampf – es fehlte alles
"Es war kein gutes Spiel von uns", gab Brandt zu. Was ihm fehlte? "Ein bisschen Ballbesitz, schnelles Passspiel, das war alles ein bisschen zu wenig. Wir haben uns sehr schnell dafür entschieden, lange Bälle zu spielen. Ich bin aber der Meinung, dass das nicht unser Spiel ist." Fußballerische Defizite ließen sich zwar mit Kampf und Leidenschaft kompensieren. Dies tat allerdings nur der FC St. Pauli – nicht der BVB.
Dabei war Trainer
Nach dem Spiel allerdings musste Kovač feststellen: "Wir haben es über 90 Minuten so gut wie überhaupt nicht geschafft, dem Gegner Paroli zu bieten, was die Körperlichkeit und die Physis angehen."
Torwart Gregor Kobel sah dies ähnlich. Er forderte die Grundtugenden aus dem Ende der vergangenen Saison. Man brauche "diese Intensität, den Willen, den Biss – all das Zeug, was uns letzte Saison so stark gemacht hat. Wir haben letzte Saison nicht angefangen, wie der FC Barcelona von 2012 zu spielen. Wir waren einfach gierig und wach in den Zweikämpfen. Daran müssen wir wieder anknüpfen."
Kehl deutet Transfer in der kommenden Woche an
Möglicherweise benötigt der BVB dazu Verstärkungen vom Transfermarkt. Mittelfeldspieler Jobe Bellingham, der gegen St. Pauli zur Halbzeit ausgewechselt wurde, und Ersatztorwart Patrick Drewes sind bislang die einzigen echten Neuzugänge.
Als Kehl gefragt wurde, ob dem BVB ein kreativer Mittelfeldspieler wie Carney Chukwuemeka (FC Chelsea) guttäte, drückte er sich vage aus: "In manchen Dingen sind wir dran. Ich bin sehr optimistisch, dass wir in der kommenden Woche etwas machen können. Mehr kann ich noch nicht sagen, aber wir arbeiten dran."
Auch ein Innenverteidiger könnte Dortmund guttun, weil es auf dieser Position mit Niklas Süle (Bündelriss in der Wade), Nico Schlotterbeck (Aufbau nach Meniskusriss) und Emre Can (Adduktorenprobleme) derzeit drei Verletzungsausfälle gibt. Kehl sagte dazu nur: "Wir sind eh in Planung."
Union vor der Brust, Bayern weit weg
Sonntag trifft Dortmund mit dem 1. FC Union Berlin erneut auf eine kampfstarke Mannschaft. "Ich glaube, dass wir viele Dinge besser machen werden", gab sich Kehl zuversichtlich. "Wir werden eine gute Trainingswoche machen, das Spiel analysieren, einen Schritt weiter sein und zu Hause ein anderes Spiel abliefern."
Und doch schien keiner der Beteiligten ernsthaft das Gefühl zu haben, dem FC Bayern in dieser Saison Paroli bieten zu können. Dieser legte am Freitagabend mit dem 6:0 gegen RB Leipzig eine Machtdemonstration hin.
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Ob Kobel von der Stärke des FC Bayern überrascht war? "Nee, überhaupt nicht", antwortete der Torwart gelassen. "Bayern ist Bayern. Das war ein sehr gutes Spiel von denen. Aber das ist mir eigentlich egal. Ich schaue auf uns und darauf, was uns stark macht." Ihm dürfte bewusst sein, dass der BVB in dieser Form ohnehin kein Bayern-Konkurrent ist.