Vierzig, sechzig oder sogar hundert Millionen? Um die Ablösesumme des jungen VfB-Stürmers Nick Woltemade ist ein öffentlicher Streit der Bayern-Legenden Uli Hoeneß und Lothar Matthäus ausgebrochen. Dabei ist die Sachlage eindeutig.
Eigentlich ist so ein Spielerwechsel keine komplizierte Sache. Es handelt sich fast immer um ein Dreiecksgeschäft: Der eine Verein will einen Spieler von einem anderen Verein und muss mit beiden, falls der Vertrag nicht ausläuft, die Konditionen aushandeln. Kompliziert wird's, wenn der FC Bayern am Tisch sitzt und das Wunschobjekt einen prominenten Namen hat.
Nick Woltemade zum Beispiel. 23 Jahre, technisch begabt und als Angreifer vielseitig einsetzbar. Die Bayern wollen ihn unbedingt, denn er hat, was
Matthäus: Woltemade ist bis zu 100 Millionen wert
"transfermarkt.de" ist da eindeutig: Marktwert 30 Millionen Euro. Die Bayern wissen: Der Junge ist nach seinem fulminanten Auftritt bei der U21-EM (sechs Tore und drei Vorlagen) international nicht nur begehrt, sein Vertrag läuft ja auch noch drei Jahre – da muss man schon was drauflegen. Aber wie viel? Sie dachten an eine Gesamtsumme zwischen 40 und 60 Millionen. Dann kam Matthäus.
Und seitdem ist der Streit um Woltemade auf offener Bühne entbrannt.
"Er hat nicht mehr alle Tassen im Schrank."
Die Zahl brachte Vereinslegende
Daraufhin holte Hoeneß zum Rundumschlag aus. Zusammengefasst: Alle TV-Experten, Matthäus inklusive, würden ihn schon lange nerven. Ständig gäben sie ihren Senf dazu und würden selbst keine Verantwortung im Klub tragen. Das klang, als ob nur ein Vereinsamt zur eigenen Meinung rechtfertigen dürfte. Matthäus konterte sofort: "Uli lebt in seiner eigenen Welt."
Dem deutschen Profifußball mangelt es an Professionalität
An diesem kleinen und eigentlich unbedeutenden Scharmützel erkennt man schnell, woran es im deutschen Profifußball manchmal mangelt: an Professionalität. Für Journalisten sind Wortgefechte dieser Art eine Quelle kräftiger Schlagzeilen und Futter für Kolumnen wie diese hier. Man versteht ja so vieles nicht, was zwischen den Leuten passiert, und muss bei Hoeneß das Wort "eigentlich" bemühen.
- Eigentlich müsste Hoeneß doch wissen, dass Fußballer als TV-Experten Expertise und damit Diskussionsstoff am Stammtisch liefern. Warum nicht Matthäus?
- Eigentlich gehört Hoeneß doch selbst zu den Fußballrepräsentanten, die Medien zum eigenen Vorteil zu nutzen wissen. Warum jetzt Steine aus dem Glashaus?
- Eigentlich müsste Hoeneß kleinlaut sein: Ein Verein darf einen fremden Spieler erst ein halbes Jahr vor Vertragsende kontaktieren. Wie war das bei Woltemade?
- Eigentlich könnte Hoeneß eine Antwort auf die Frage geben, wie das Bayern-Interesse an Woltemade überhaupt bekannt wurde. Aus den eigenen Reihen?
Schnell sieht man an der Liste, wo das eigentliche Problem des FC Bayern liegt. Jedenfalls nicht bei Matthäus. Eigentlich sollte Hoeneß seinen Rekordspieler so hofieren, dass der gar nicht auf die Idee kommt, die Vereinspolitik des FC Bayern zu torpedieren. Vielleicht mit einem Amt? Das kostet was. Aber wäre noch immer günstiger als der aktuelle Woltemade-Zuschlag.
Über den Autor
- Pit Gottschalk ist Journalist, Buchautor und ehemaliger Chefredakteur von SPORT1. Seinen kostenlosen Fußball-Newsletter Fever Pit'ch erhalten Sie hier.
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