RB Leipzig ist kein normaler Aufsteiger. Der Klub polarisiert, seine Wahrnehmung oszilliert zwischen Respekt und Verachtung. Die Premiere in der Bundesliga soll nun ein erster Schritt hin zum ganz großen Ziel werden: dem Gewinn der deutschen Meisterschaft.

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Am Mittwochabend ist es wieder passiert: Red Bull Salzburg hat den Einzug in die Champions League verpasst. Zum neunten Mal in Folge scheiterten die Bullen in der Qualifikation. Was diese unheimliche Serie mit RB Leipzig zu tun hat?

Es macht der Witz die Runde, dass es von den beiden Brause-Klubs der deutsche sein wird, der es zuerst in die Königsklasse des Fußballs schaffen wird. Dabei ist RB Leipzig erst vor wenigen Wochen in die Bundesliga aufgestiegen.

Alleine diese Vermutung legt nahe, dass es sich bei den Sachsen nicht um einen gewöhnlichen Aufsteiger handelt. Keiner vom Schlage Greuther Fürths oder Eintracht Braunschweigs. Kein Gelegenheits-Bundesligist, sondern eine ernsthafte Bedrohung für die etablierten Vereine.

Es war immer so etwas wie der blanke Alptraum für Uli Hoeneß, dass da irgendwann ein Klub kommt, der sein Geld nicht im Fußballbetrieb erwirtschaftet hat, sondern im Handumdrehen das leisten und investieren könnte, was sich die Bayern in 40 Jahren hart erarbeitet haben. So ein Klub ist - zumindest theoretisch - RB Leipzig.

Proteste werden zur Normalität werden

RasenBallsport Leipzig, gegründet am 19. Mai 2009, ist ein Kunstprojekt. Ein Werk des modernen Fußballs, eine als Spielzeug getarnte Marketingmaschine für das Red-Bull-Imperium von Dietrich Mateschitz, dem reichsten Mann Österreichs. Das sagen die Kritiker, und davon gibt es jede Menge.

Bei jedem der anstehenden 34 Bundesligaspiele sind Proteste jedweder Art der gegnerischen Fanszene zu erwarten, die Ultra-Szene von Borussia Dortmund hat den Besuch des Auswärtsspiels in Leipzig bereits kategorisch abgelehnt. Beim Hochsicherheitsspiel in Dresden am vergangenen Wochenende flog ein abgetrennter Bullenkopf in den Innenraum des Stadions. Den Leipzigern wird Hass entgegenschlagen, wie ihn die Bundesliga nur selten erlebt hat. Das wird nicht schön werden - doch man muss kein Prophet sein, um genau das kommen zu sehen.

Es gibt aber auch eine Gegenbewegung. Ohne Red Bull kein Spitzenfußball in Leipzig. Das sagen die Befürworter. Und sie haben damit nicht Unrecht. Leipzigs ehemals stolzer Fußball lag am Boden, ehe Red Bull sich in der Stadt einnistete. Im siebten Jahr des Bestehens ist der Durchmarsch in die Bundesliga gelungen. Dazu hat RB mit seinem neu gebauten Nachwuchsleistungszentrum die Standards in Deutschland neu definiert. Der Osten hat endlich wieder einen Erstligisten.

Und der macht einiges anders als der Rest. Weil er es kann. Leipzigs Spielidee ist radikal, der Klub verfolgt das Ralf-Rangnick-Dogma vom aggressiven Angriffspressing mit schnellen Umschaltmomenten, der den Fußball nicht als schönes, sondern als Fehlerspiel definiert. Das geht dann von den Profis bis runter in die U11. Viele Dinge, die RB macht, stehen so nicht in den Leitlinien des DFB.

Aggressives Scouting bei den Junioren

Dazu kommt ein aggressives Vorgehen im Scouting, selbst im Juniorenbereich. Leipzig würde bereits Kinder und Jugendliche mit Geld ködern, lautet ein Vorwurf aus der Branche. Im Profibereich wäre im Prinzip genug Geld da, um sich einen Kader bewährter Stars und Sternchen zu leisten. Das entspricht aber nicht einem der Kernsätze der Klubphilosophie. Leipzig verfolgt die Strategie, junge, entwicklungsfähige Spieler zu finden, die auch noch eine entsprechende Wertsteigerung versprechen.

Der Kader, mit dem RB am Sonntag das Abenteuer Bundesliga angeht, ist im Schnitt 23,7 Jahre jung. Natürlich hat Leipzig Spieler gekauft, die sich andere Klubs nicht leisten können. Aber das ist ein ganz normaler Teil des Geschäfts. Die Wahrnehmung abseits der Emotionen und vielleicht auch Vorurteile der Protagonisten der Liga ist eher nüchtern als verbittert. Kaum ein Spieler, Trainer oder Funktionär beschwert sich öffentlich, Ausnahmen wie etwa Kevin Großkreutz, der aus seiner Ablehnung gegen RB Leipzig keinen Hehl macht, bestätigen die Regel.

Es gab schon in den letzten Jahren Anfeindungen, das ging schon in der Oberliga Nordost los, als RB mit der Lizenz des SSV Markranstädt seine Reise begann. Der Klub hat im Laufe der Jahre gelernt, damit zu leben. Jetzt in der Bundesliga, vor einem Millionenpublikum, wird die Bühne aber nochmal attraktiver für die Gegner der Idee.

Viele Spieler mit Entwicklungspotenzial

Einen sofortigen Abstieg des Emporkömmlings mögen sich einige wünschen, so recht daran glauben wird aber kaum jemand. Zu durchdacht ist das fußballerische Konzept, das auch darin besteht, sich "zur Not" in der Zentrale in Salzburg mit dem einen oder anderen Spieler auszuhelfen. In diesem Sommer wechselte Naby Keita für die Rekordablöse von 15 Millionen Euro von Salzburg nach Leipzig.

Timo Werner vom VfB Stuttgart ließ sich RB zehn Millionen Euro kosten. Dazu stehen mit Willi Orban, Emil Forsberg, Davie Selke oder Lukas Klostermann hungrige, vielversprechende Talente im Kader. Dieses erste Jahr in der Bundesliga wird nicht als reine Sicherung der Spielklasse gesehen, sondern als Anfang der großen Mission: irgendwann die deutsche Meisterschaft zu feiern.

Bis dahin wird es vielleicht noch ein paar Jahre dauern, die Voraussetzungen für den großen Coup könnten aber deutlich schlechter sein. Zuletzt hat ein Aufsteiger derart für Kontroversen und auch Unbehagen gesorgt, als 1899 Hoffenheim 2008 in der Liga vorstellig wurde.

Leipzig wird für seinen ersten Auftritt die ungeteilte Aufmerksamkeit der Fans zuteil, RB wird den Spieltag am Sonntag mit einem Einzelspiel abschließen. Und es ist fast ein Treppenwitz der DFL, dass es gleich zum Start nach Hoffenheim geht.

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