Dass es eine komplizierte Saison 2020/2021 für den FC Bayern werden würde, war den Verantwortlichen schon sehr früh klar. Nach dem emotionalen Champions League Sieg 2020 gegen Paris St. Germain blieb kaum Zeit für die Münchner sich auf die neue Saison vorzubereiten, die schon kurz nach dem Finalturnier in Lissabon begann.

Steffen Meyer
Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Steffen Meyer dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Dass am Ende der Saison nicht nur eine Reihe von Bayern-Legenden, sondern nach monatelanger Unruhe um den Coach auch Erfolgstrainer Hansi Flick den Verein verlassen würden, war da jedoch noch nicht abzusehen. So wurde es vor allem ein Jahr der großen Abschiede und eines Rekords, der noch Jahrzehnte halten könnte.

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Lewandowski für die Geschichtsbücher

Es wirkte so als hätten sich höhere Mächte eingemischt, um Robert Lewandowski auf den letzten Metern noch am historischen 41. Treffer der Bundesliga-Saison 2020/2021 zu hindern. Schon am 33. Spieltag ließ der polnische Ausnahmestürmer eine 1000prozentige Torchance liegen, die ihm den alleinigen Bundesligarekord ermöglicht hätte. Am letzten Spieltag dauerte es dann nach fünf weiteren Großchancen bis zur Nachspielzeit, ehe Bayerns 9er mit seinem 41. Saisontor zum 5:2-Endstand gegen Augsburg traf.

41. Jahrzehntelang hatte sich eine ganze Armada von Top-Stürmern an Gerd Müllers 40er Bestmarke die Zähne ausgebissen. Manche waren bis zur Winterpause auf einem guten Weg, nur um dann am Ende deutlich zu scheitern. Lewandowski zog durch. Auch weil seine Mannschaft ihm in der Schlussphase der Saison unbedingt helfen wollte die Marke zu knacken. Lewandowskis Saison war herausragend. Der Champions-League-Titel 2020 und die Auszeichnung als Weltfußballer des Jahres haben Kräfte freigesetzt. Er muss niemandem mehr etwas beweisen. Er kann einfach Fußball spielen und seine einzigartige Mischung aus Eleganz und Beweglichkeit im gegnerischen Strafraum aufbieten.

Seine individuelle Saison überstrahlte am Ende fast den sportlichen Erfolg der Mannschaft, die mit der wenig beachteten Klub-WM, dem prestigeträchtigen Titel im europäischen Supercup und dem neunten Meistertitel in Folge trotz allem wieder einige Trophäen bereithielt.

Ungewohnte Gegentorflut

Dass sportlich nicht noch mehr drin war für den FC Bayern lag vor allem an einer ungewohnten Gegentorflut, die den Münchnern das Leben immer wieder schwer machte. 44 waren es am Ende in der Bundesliga. So viele wie seit 1996 (!) nicht mehr. Dazu lag der Rekordmeister insgesamt 14 Mal zurück, verlor davon aber nur vier Spiele. Ständig einem Rückstand hinterherzulaufen kostete jedoch viel Kraft und die Gegentorflut bekam Flick nie in den Griff.

Gegen Paris in der Champions League kassierten die Münchner drei Tore allein im Hinspiel. Gegen Zweitligist Kiel im Pokal immerhin zwei. Beide Male stand am Ende das Aus.

Die vielen Gegentore haben viel mit Flicks Spielweise zu tun, die hohen Pressingdruck und eine weit aufgerückte Viererkette verknüpft und damit natürlich hohe Risiken eingeht. Hinzu fehlte in der Abwehrkette die Konstanz. Jerome Boateng und Niklas Süle schleppten sich teilweise angeschlagen durch. David Alaba durchlief ein selten gesehenes Formtief und Lucas Hernández, der meist gut spielte, wenn er durfte, fehlte in weiten Teilen der Saison das Vertrauen seines Trainers. Am Ende waren die Defensivprobleme ein wesentlicher Grund warum der Traum von der Triple-Verteidigung bereits früh beendet war.

Neuzugänge ziehen nicht

Gerade nach einer so erfolgreichen Saison wie 2019/2020 wäre es wichtig gewesen, dass hungrige Neuzugänge neue Reize in der Mannschaft setzen. Insgesamt muss der Transfersommer jedoch als enttäuschend gewertet werden. Leroy Sané brauchte sehr lang um in Tritt zu kommen und drehte erst in der Saisonschlussphase deutlich stärker auf. Eric Maxim Choupo-Moting zeigte mit zwei Treffern gegen Paris, das mit ihm zu rechnen ist. Sonst war da nicht viel.

Douglas Costa ist Jahre über seinem Zenit und muss als Missverständnis gewertet werden. Marc Roca spielte genau wie Bouna Sarr praktisch keine Rolle. Bei beiden muss bezweifelt werden, ob sie das Niveau für den FC Bayern haben. Tanguy Nianzou war derweil eher als Langfristtransfer angelegt. Ersatztorwart Alexander Nübel wurde nicht gebraucht. Flicks Frust über fehlende zusätzliche Top-Verstärkungen im Sommer, den er nur schwer verbergen konnte, ist nachvollziehbar.

Musialas Stern geht auf

Umso erfreulicher war die Entwicklung von Jamal Musiala (18). Der junge Mittelfeld-Allrounder schaffte in der Saison 2020/2021 den Durchbruch und war mit insgesamt 34 Pflichtspieleinsätzen ein wichtiger Teil der Mannschaft.

Musiala begeisterte mit sechs Toren in der Bundesliga und seinen unzähligen Haken und Wendungen auf engstem Raum nicht nur die Münchner Fans, sondern auch Nationalcoach Joachim Löw. Musiala, der zu Beginn der Saison nur Experten ein Begriff war, fährt tatsächlich mit zur EM. Er ist der große Gewinner der Bayern-Saison.

Große Abschiede

Viele Bayern-Fans mussten am Wochenende schlucken. Abgänge und Abschiede gibt es nach jeder Saison. Doch diese gingen tief ins Herz. Nicht nur Hansi Flick wird den Verein nach monatelangen Diskussionen verlassen. Auch David Alaba, Jerome Boateng und Javi Martínez werden im kommenden Jahr andere Farben tragen. Mit ihnen verlassen drei Konstanten der letzten Dekade und wichtige Eckpfeiler der Triple-Teams 2013 und 2021 den Verein.

Während sich die Abgänge von Boateng und Martinez schon seit einigen Jahren angedeutet hatten, kommt der Wechsel von David Alaba immer noch überraschend. Alaba spielte seit der Jugend in München und ist als Leistungsträger und Führungsspieler in der Viererkette kaum wegzudenken. Am Ende wird es sicher nicht nur um Gehaltsfragen gegangen sein, wie öffentlich kolportiert wurde. Alaba suchte am Ende auch eine neue Herausforderung jenseits des vertrauten FC Bayern.

So wurde die Saison 2020/2021 neben Titel, Rekorden und Enttäuschungen vor allem zum großen Jahr des Abschieds beim FC Bayern München.



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