Schalke 04 ist in der Rückrunde noch ungeschlagen, dabei galt das Team schon als heißester Anwärter auf den Sprung in Liga zwei. Verantwortlich für den Umschwung ist Trainer Thomas Reis.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Manuel Behlert sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

15 Spieltage waren in der Bundesliga vorüber, als die WM-Pause begann. Für Thomas Reis, zu diesem Zeitpunkt erst seit vier Spielen im Amt, war diese Pause von enormer Bedeutung. Die ersten vier Spieler mit ihm als Cheftrainer konnte Schalke mitunter zwar ausgeglichen gestalten, aber es sprangen nur drei Punkte heraus. Neun Zähler hatte Königsblau nach 15 Partien auf dem Konto, fünf Punkte Abstand waren es auf das rettende Ufer.

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Reis nutzt die längere Pause – oder nicht?

Das große Plus des Trainerwechsels auf Schalke war der Zeitpunkt. Da waren sich im Herbst 2022 schon viele Experten einig. Thomas Reis, der mit Bochum eine Saison zuvor überraschend souverän die Klasse hielt, konnte der Mannschaft seine Vorstellungen vermitteln, seinen Stil implementieren und das Team vor allem aufbauen. Es wird ein neues, ein verändertes Schalke auf dem Platz stehen, wenn die Winterpause vorüber ist. Das war das Motto.

Doch es schien, als wollte Schalke noch warten, bis die Hinrunde ausgespielt ist. Ein 0:3 in Frankfurt und ein trostloses 1:6 gegen RB Leipzig beendeten die Hinserie für die Reis-Elf. Pfiffe auf den Rängen, enttäuschte Gesichter auf dem Feld, Resignation, wohin man blickte. Sieben Punkte waren es jetzt auf Rang 15. Rund um den Klub herrschte die Angst, dass die Zuversicht wieder der Angst weichen würde.

Schalke zum Rückrundenstart mit neuer Identität

Die Verantwortlichen mitsamt Trainer Reis arbeiteten daran, diese Angst nicht aufkommen zu lassen. Durch Neuzugänge wurden Impulse gesetzt, was für mehr Konkurrenzkampf sorgte. Außerdem waren die Spieler, die im Winter kamen, nicht schon ein halbes Jahr in den Kampf gegen den Abstieg involviert. Mit dem Rückrundenauftakt gegen den 1. FC Köln (0:0) schien es, als wäre ein Schalter umgelegt worden.

Schalke spielte intensiver, schaffte es, die Basics auf den Platz zu bringen. Königsblau warf sich in jeden Schuss, wollte jeden Zweikampf gewinnen und wurde bei Fehlern nicht nervös, sondern versuchte diese zu bereinigen. Es folgte ein Ligarekord: Viermal nacheinander spielte S04 0:0. Das Zutrauen in die eigene Defensive wuchs. Ein 2:1 gegen den VfB Stuttgart brachte den Glauben an den Klassenerhalt endgültig zurück. Die Revierderbys gegen Bochum (2:0-Sieg) und den BVB (2:2) bestätigten das noch einmal.

Reis nimmt Schalke die Angst

Ein Wort, das im Fußballkontext häufig verwendet, aber selten genauer definiert wird, ist "Mentalität". Auch Thomas Reis macht von diesem Wort Gebrauch, erklärte nach dem Derby gegen Dortmund: "Dass Dortmund uns fußballerisch überlegen war, muss man anerkennen. Aber wenn man so zurückkommt und diese Mentalität zeigt, genießt man das. Bei mir ist es immer so, dass die Mannschaft auf dem Platz gestanden hat und dann auch die Anerkennung ernten darf."

Im Fall von Schalke 04 fällt die Definition nach den bisherigen Spielen in der Rückrunde leicht: Leidenschaft. Schalke tritt auf, wie es unter Vorgänger Frank Kramer nicht der Fall war. Reis hat seine eigene Definition von Fußball und diese sukzessive implementiert. Die individuelle Unterlegenheit muss kaschiert werden und das geht im besten Fall, indem Schalke 04 in allen physischen Facetten des Spiels, sprich Laufbereitschaft und Intensität in den Zweikämpfen, mehr macht als der Gegner.

So gelingt es, Teams wie den FC Union oder zuletzt Borussia Dortmund auf das eigene Niveau herunterzuziehen. Was klingt, als sei es negativ konnotiert, ist einer der Schlüssel, um am Ende die Klasse zu halten. Die vier torlosen Remis nacheinander gaben Schalke außerdem das Gefühl einer neuen Sicherheit. Unter Druck agierte Königsblau in der Hinrunde oftmals ängstlich, Reis schaffte es aber, der Mannschaft Mut zuzusprechen. Fehler sind erlaubt, wenn danach alles daran gesetzt wird, diese wieder auszubügeln. Und genau das gelingt in der aktuellen Saisonphase. Die Konsequenz unter Reis nimmt Schalke die Angst.

Schalke wirkt stabil: Klassenerhalt realistisch

Die gewonnenen Zweikämpfe und das hohe Laufpensum sorgen dafür, dass eine neue Verbindung zwischen dem Team und den Fans auf den Rängen entsteht. Die Stimmung gegen Dortmund war atemberaubend, das Remis wurde wie ein Sieg gefeiert. Es lässt sich als Reis' größte Errungenschaft bezeichnen, dass die Zuschauer das Gefühl haben, dass die Mannschaft in jeder Spielphase versucht, das Maximum zu erreichen.

Zudem bedingt eine Verbesserung die nächste. Gewinnt Schalke mehr Bälle, gibt es mehr Umschaltsituationen. Hat Schalke mehr Zutrauen in die eigenen Qualitäten, spielt es diese Situationen konsequenter und mutiger aus. Die Wucht im Offensivbereich ist ohnehin vorhanden, was Dortmund in einigen Szenen am eigenen Leib erfahren musste. Schalke ist auf dem absolut richtigen Weg, den Klassenerhalt am Ende zu schaffen.

Maßgeblich wird sein, wie S04 durch die kommenden Wochen kommt. Am Wochenende geht es zum FC Augsburg, den die Reis-Elf mit einem Sieg in den Abstiegssog ziehen kann. Dann steht eine Länderspielphase auf dem Programm, in der das Trainerteam an der Ausrichtung für die entscheidenden Wochen feilen kann. Anschließend geht es zu Hause gegen Leverkusen, ehe die Konkurrenten Hoffenheim und Hertha warten. Bleibt Schalke sich und dem Reis-Stil treu, könnte das Team danach vor den Abstiegsplätzen zu finden sein. Der Leidenschaft sei Dank.

Verwendete Quellen:

  • transfermarkt.de: Profil von Thomas Reis
  • bundesliga.de: Tabelle
  • bundesliga.de: Spielplan
  • sport.sky.de: Stimmen zum Revier-Derby
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