Wieder muss ein Trainer vorzeitig gehen und provoziert die Frage: Wissen die Vereine überhaupt, was sie wollen?

Pit Gottschalk
Eine Kolumne
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Allein die Zahlen klingen schon erschreckend: Jeder dritte Bundesligist wechselte während der Saison den Trainer. Jetzt legte Werder Bremen nach: Ole Werner wurde vorzeitig freigestellt. Auch der FC Augsburg sucht einen Nachfolger für Jess Thorup – der muss gehen, obwohl er zu den erfolgreichsten Trainern der Vereinsgeschichte gehörte.

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In der 2. Liga sieht's noch schlimmer aus. 12 der 18 Zweitligisten tauschten 2024/25 ihren Übungsleiter aus. Von den sechs Klubs, die nix taten, sind zwei trotzdem auf Trainersuche: Christian Titz will in Magdeburg weg wie Lukas Kwasniok in Paderborn. Blieben noch Daniel Thioune bei Fortuna Düsseldorf, Horst Steffen in Elversberg (der nun aber als Werner-Nachfolger in Bremen im Gespräch sein soll), Christian Eichner beim Karlsruher SC und Miroslav Klose beim 1. FC Nürnberg.

Ein vorzeitiger Trainerwechsel ist immer Ausdruck falscher Personalpolitik: Entweder hat der Verein die falsche Führungsfigur für die Mannschaft geholt oder die falschen Spieler für diesen Trainertyp. Gehen muss fast immer der Trainer. "Er ist das schwächste Glied in der Kette", sagt man dann gerne. Aber stimmt das überhaupt?

Trainer müssten eigentlich der stärkste Mann im Klub sein

Niemand weiß besser als der Trainer, welchen Biss oder Lernwillen die Spieler beim Training zeigen. Niemand kann besser beurteilen, welche Vorgaben des Trainerstabs beim Spiel tatsächlich umgesetzt oder mangels Einstellung, Talent oder Einsicht ignoriert wurden. Trainer müssten eigentlich der stärkste Mann im Klub sein.

Denn sie verwalten das größte Kapital im Verein, die Spieler, und entscheiden mit ihrer Taktik und Mannschaftsführung nicht nur das nächste Spielergebnis, sondern letztlich die Wertentwicklung eines jeden Fußballprofis. Darum nennt man die Trainer in England auch nicht "Coach", sondern "Manager". In Deutschland aber managen Geschäftsführer.

Am Beispiel Werder Bremen kann man das Dilemma bei der Trainerwahl wunderbar beobachten. Nach der Beurlaubung von Ole Werner sucht Geschäftsführer Clemens Fritz "kurzfristig einen neuen Trainer, (…) der von seiner Spielphilosophie sowie menschlich zu Werder passt". Das klingt zunächst vernünftig und überzeugend.

Wissen die Vereine überhaupt, was sie wollen?

Als Kandidaten werden gehandelt: Marco Rose (vorher RB Leipzig), Lukas Kwasniok (nicht mehr SC Paderborn) und Horst Steffen (noch SV Elversberg). Das Blöde ist nur: Unterschiedlicher können Trainertypen kaum sein. Man fragt sich: Wie ist das mit der Spielphilosophie dann gemeint? War das nicht die von Ole Werner?

Beim 1. FC Kaiserslautern dagegen spürte Trainer Markus Anfang seine Machtlosigkeit, als man ihm wenige Spieltage vor Schluss, mitten im Aufstiegskampf, den Stuhl vor die Tür setzte, weil man sich von einem neuen Mann (in diesem Fall Torsten Lieberknecht) neue Impulse erhoffte. Der Aufstieg blieb dennoch aus.

Als sich beim 1. FC Köln Sportchef Christian Keller den vermeintlichen Branchengesetzen widersetzen und Trainer Gerhard Struber eben nicht entlassen wollte, durfte er selbst gleich mitgehen. In der Trainerfrage verstehen die Vereine keinen Spaß: Ein Trainer ist schneller zu ersetzen und als die Mannschaft.

Und vor allem: Mit dem Trainerwechsel täuscht das Management Handlungsbereitschaft vor. Dabei wird in den Vorstandsetagen gerne ein Faktum übersehen: Wenn der Trainer nicht funktioniert, den man geholt hat, dann war ja schon die eigene Wahl falsch. Aber das würde ein Vereinsboss niemals zugeben.

Über den Autor

  • Pit Gottschalk ist Journalist, Buchautor und ehemaliger Chefredakteur von SPORT1. Seinen kostenlosen Fußball-Newsletter Fever Pit'ch erhalten Sie hier.
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