Erst das Abitur bestanden, dann die Reifeprüfung gegen Frankreich: Nach ihrem bemerkenswerten EM-Debüt ist Franziska Kett auch gegen den Weltmeister gefragt.

Die roten Kratzer am Hals waren unübersehbar, der Tapeverband am Bein zeugte von einem großen Kampf. Doch Franziska Kett lachte, als habe sie keinerlei Blessuren davongetragen. Kein Wunder. "Ich glaube", sagte die 20-Jährige grinsend und ein bisschen stolz, "die Französinnen waren genervt von mir." Und wie! Die unverhoffte EM-Fahrerin spielte bei ihrem Turnierdebüt unerschrocken auf – und muss nun auch die hochklassige Offensive des Weltmeisters Spanien stoppen.

Es sei "gar nicht hoch genug einzuschätzen, wie sie sich da behauptet hat", sagte Bundestrainer Christian Wück voller Wertschätzung nach Ketts Auftritt gegen die furiosen Flügelspielerinnen Delphine Cascarino oder Kadidiatou Diani. Die Linksverteidigerin des FC Bayern, die gerade erst ihr Abitur bestanden hatte, legte eine bemerkenswerte Reifeprüfung auf der großen Bühne hin.

Dabei gehört Kett zu den Überraschungen in Wücks EM-Kader. Monate voller Verletzungen lagen hinter ihr, in München sammelte sie nur wenig Spielpraxis. Dennoch erhielt die Newcomerin den Vorzug vor erfahrenen Kräften wie Felicitas Rauch oder Carolin Simon. Sie habe sich zwar immer wieder "zurückgekämpft", zugleich aber "gar nicht mehr so damit gerechnet", gab Kett nach ihrer Nominierung zu. Sie erhalte jedoch "sehr viel Vertrauen vom Trainer".

Kett reist wegen Abifeier später ins EM-Trainingslager

Der hatte ihr auch eine verspätete Anreise zum zweiten Teil des EM-Trainingslagers in Herzogenaurach gestattet. Für Kett standen schließlich noch die Zeugnisvergabe und die Abifeier nach den bestandenen Prüfungen am Gymnasium München-Nord an. Wenige Wochen später gehörte sie dann plötzlich zu den wichtigsten Protagonistinnen in einem der größten Spiele der jüngeren Geschichte der deutschen Fußballerinnen.

"Ich bin mit dem Gedanken ins Spiel, dass ich heute nichts verlieren kann", sagte Kett, die nur aufgrund der Ausfälle und der taktischen Umstellungen des Bundestrainers in die erste Elf gerückt war. Und das, obwohl es nach dem Debüt im April erst ihr viertes Länderspiel war.

Unmittelbar vor dem Anpfiff des Viertelfinals vor fast 35.000 Fans im St. Jakob-Park von Basel sei sie schon "sehr aufgeregt" gewesen, gab die gelernte Offensivspielerin zu, die erst in diesem Jahr zur Außenverteidigerin umgeschult wurde. Wück schätzt Ketts Schnelligkeit, nach dem Ausfall von Sarai Linder (Sprunggelenk) wird sie im Halbfinale am Mittwoch (21:00 Uhr/ARD und DAZN) gegen Spanien wohl erneut gefordert sein.

Empfehlungen der Redaktion

Sie gebe "immer 100 Prozent", sagte Kett. Gegen Frankreich war aber auch zu sehen, dass sie "schon eher eine eklige Spielerin" ist, wie sie selbst über sich sagt. Die französische Offensive legte Kett gemeinsam mit ihren Kolleginnen in der Abwehr jedenfalls ziemlich lahm. Oder? "Ja", sagte sie und grinste verlegen: "Scheint so." (SID/bearbeitet von lh)