Von einer Klatsche, mindestens aber einer klaren Niederlage, waren die meisten Kritiker und auch Fans vor dem Viertelfinalspiel zwischen Gastgeber Schweiz und dem Topfavoriten auf den EM-Titel, Spanien, ausgegangen. Sie alle wurden eines Besseren gelehrt.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Victoria Kunzmann sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Es war die 88. Minute dieses Viertelfinals, als die zweimalige Weltfußballerin Alexia Putellas zum Elfmeter gegen Livia Peng antrat – und in die Hände der Schweizer Torhüterin schoss. Das Berner Wankdorf-Stadion bebte. Der zweite verschossene Elfmeter für Spanien in diesem Spiel. Zwar lag die Schweiz 0:2 hinten, doch die Szene zeigte einmal mehr das riesige Potenzial, das in der Mannschaft liegt.

Mit 2:0 (0:0) kegelten die hoch favorisierten Spanierinnen Gastgeber Schweiz aus dem Turnier, die Art und Weise, mit der die Mannschaft von Pia Sundhage aber ausschied, zeigt, wie viel mit dieser jungen, talentierten Nati in den kommenden Jahren möglich ist. Viel vorzuwerfen hat sich die Schweiz in diesem Spiel definitiv nicht.

Schweiz steht tief und kompakt, Spanien kommt nicht durch

Ein Doppelschlag binnen fünf Minuten sorgte für Klarheit für die Spanierinnen in diesem Viertelfinale. Erst die eingewechselte Athenea (66.) schob nach einer perfekten Kombination mit Aitana Bonmati ein, dann zog Außenstürmerin Claudia Pina vor der Strafraumgrenze ab (71). Zuvor ließen die Gastgeberinnen wenig zu, schnürten Spanien ein, standen tief und kompakt. Die Weltmeisterinnen kamen so zu weit weniger Abschlüssen als möglich.
"Wir treten nicht gegen Spanien an, um uns abschießen zu lassen", hatte Kapitänin Lia Wälti vor dem Spiel gesagt.

Trainerin Sundhage stelle ihren Matchplan entsprechend auf und die Mannschaft um: Iman Beney agierte statt in der Außenverteidigung im Sturmzentrum, die erfahrene Ana Crnogorcevic rückte nach rechts hinten, Lia Wälti stellte sich mit Smilla Vallotto vor die Vierer-Abwehrkette. Das brachte Aggressivität ins Spiel, die Schweiz lief mit, gewann Laufduelle und Zweikämpfe, grätschte und foulte auch bisweilen. Die Elf von Montserrat Tomé war spielerisch überlegen, brachte den Ball aber 65 Minuten lang nicht hinter die Linie. "Fast wäre unser Plan aufgegangen", resümierte Sundhage später.

Peng überragt: Die Jugend ist die Schweizer Hoffnung

Das hauseigene "Wunder von Bern", es blieb aus für die Nati. Doch die Europameisterschaft zeigt trotz allem, dass mit dem Schweizer Frauenfußball in den kommenden Jahren gerechnet werden kann. In nur vier Spielen hat sich die Stimmung gedreht. Was auch an einigen jungen Spielerinnen lag, die für Furore sorgten. Angefangen bei den Glanzparaden von Livia Peng (23), die im Sommer von Werder Bremen zum FC Chelsea wechselt

Sydney Schertenleib und Iman Beney (beide 18) blieben zwar gegen Spanien blass, hatten sich aber in den vorigen Partien ihre Startelfplätze im Sturm verdient. Leila Wandeler und Alayah Pilgrim bewiesen mehrfach ihre Jokerqualitäten. Gegen Spanien schloss Pilgrim 23 Sekunden nach ihrer Einwechslung zum ersten Mal ab, die Schiedsrichterin pfiff jedoch Abseits. Angeführt von der erfahrenen Kapitänin Lia Wälti und einer ausgezeichnet aufgelegten Géraldine Reuteler, die in drei von vier Spielen zum "Player of the match" gewählt wurde, haben diese jungen Spielerinnen die schlechte Vorbereitung und so manch schlechte Erinnerung vergessen gemacht.

Von wegen Abreibung: Der Schweizer Frauenfußball entwickelt sich

Denn die gab es auch in Bezug auf Spanien: 2023 trafen beide Teams im Sommer gleich dreimal aufeinander – dreimal gab es eine Abreibung. 1:5 im WM-Achtelfinale. 0:5 und 1:7 in der Nations League. Und 2025? Geht die Sundhage-Elf mit 0:2 erhobenen Hauptes vom Platz. Die Ergebnisse spiegeln die Entwicklung im Schweizer Frauenfußball wider. Die vorigen Spiele, insbesondere das gegen Finnland, zeigen den außerordentlichen Kampfgeist und die Aggressivität, mit der die Mannschaft an die Sache geht.

"Wir haben bis zum Schluss gekämpft, wir sind bis ans Limit gegangen", sagte Géraldine Reuteler nach dem Spiel im SRF. Torhüterin Peng ergänzte in der ARD: "Das ganze Land stand hinter uns, wir haben ein riesiges Turnier gespielt. Ich bin sehr stolz auf das gesamte Team." Auch die knapp 30.000 Zuschauer im Wankdorf-Stadion feierten die Spielerinnen nach der Partie minutenlang frenetisch.

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Es tut sich etwas im Schweizer Frauenfußball, die EM zeigt die Begeisterung der Zuschauer. "Dass in der Schweiz so etwas passiert, hätte ich nie geglaubt", hatte selbst Sundhage vor dem Turnier gesagt Sie selbst hat ihren Anteil dazu beigetragen. Möglicherweise kann die EM in der Schweiz gar eine ähnliche Euphorie-Welle anstoßen, wie es sie in Deutschland nach dem Finaleinzug bei der EM 2022 gab.

Verwendete Quellen: