Bei der Klub-WM in den USA kommt es teilweise zu echten Hitzeschlachten, in einem Jahr findet unter anderem auch in den Staaten die Fußball-WM statt. Zwei Experten erklären, wie gefährlich die Kombination aus Leistungssport und extrem hohen Temperaturen werden kann.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Michael Schleicher sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Die Stars des FC Bayern und von Borussia Dortmund bekamen es in der Gruppenphase der Klub-WM in den USA am eigenen Leib zu spüren: Temperaturen, die sich deutlich über der 30-Grad-Marke bewegen, gefühlt bei über 40 Grad liegen, dazu knallender Sonnenschein und kaum Abkühlung.

Mehr News zum Thema Fußball

Beim letzten Gruppenspiel der Bayern gegen Benfica Lissabon (0:1) in Charlotte hatte es 36 Grad, die Dortmunder hatten bei ihrem Spiel gegen Ulsan (1:0) in Cincinnati mit ähnlichen Bedingungen zu kämpfen. "Meine App zeigt heute gefühlte 43 Grad an", sagte BVB-Trainer Niko Kovac laut "Süddeutscher Zeitung" vor dem Spiel gegen die Südkoreaner. "Das ist wie in der Dampfsauna, da ist selbst Rumstehen anstrengend."

BVB-Trainer Niko Kovac und Abwehrspieler Waldemar Anton bei der Klub-WM
BVB-Trainer Niko Kovac und Abwehrspieler Waldemar Anton bei der Klub-WM. © picture alliance/ASSOCIATED PRESS/Jeff Dean

BVB-Trainer Kovac über Hitze: "Eher eine Qual als ein Vergnügen"

Auf der Pressekonferenz vor der Partie gegen Ulsan beschrieb Kovac das Klima als "irregulär", das Spiel sei "eher eine Qual als ein Vergnügen". Bereits das zweite Gruppenspiel gegen die Mamelodi Sundowns bestritt Dortmund im TQL Stadium in Cincinnati, so wie auch die Bayern bei ihrem Warmschießen gegen die Amateurmannschaft von Auckland City (10:0).

Die Gruppenphase zeigte deutlich: Die Klub-WM in den USA hat ein Hitze-Problem. Um den TV-Zuschauern in Europa angenehme Anstoßzeiten zu bescheren, fanden viele Spiele der Gruppenphase am Mittag statt. Mal wurden Partien um 12 Uhr Ortszeit angepfiffen, mal um 15 Uhr.

In genau einem Jahr ist die "klassische" Fußball-Weltmeisterschaft in vollem Gange. Von 11. Juni bis 19. Juli wird in Kanada, Mexiko und eben auch den USA gespielt. Auch wenn sich die Spielorte teilweise unterscheiden, könnte es zu ähnlichen Szenen wie bei der aktuell laufenden Klub-WM, dem Testlauf für das Original, kommen.

"Die Refinanzierung des professionellen Fußballs führt also fast zwangsläufig zu ungünstigen Anstoßzeiten, was die Hitze angeht."

Tim Meyer, ehemaliger Mannschaftsarzt der deutschen Fußball-Nationalmannschaft

Warum dann nicht also einfach zu einer späteren Tageszeit spielen, wenn es vor Ort nicht mehr so heißt ist? Ganz so einfach, wie man es sich vielleicht denken mag, ist es dann doch nicht, wie Tim Meyer, ehemaliger Mannschaftsarzt der deutschen Fußball-Nationalmannschaft (2001 bis 2021), auf Anfrage unserer Redaktion erklärt: "Eine theoretisch einfache Lösung bestünde darin, Spiele auf den frühen Morgen oder späten Abend zu legen, aber dem steht neben für die Spieler ungewohnten Anstoßzeiten insbesondere der weltweite Fernsehmarkt entgegen", erklärt der Sportmediziner.

Die TV-Anbieter würden bei für Zuschauer unattraktiveren Anstoßzeiten erheblich weniger zahlen, führt Meyer weiter aus und stellt fest: "Die Refinanzierung des professionellen Fußballs führt also fast zwangsläufig zu ungünstigen Anstoßzeiten, was die Hitze angeht."

Prof. Dr. Tim Meyer
Prof. Dr. Tim Meyer war von 2001 bis 2021 Mannschaftsarzt der deutschen Fußball-Nationalmannschaft. © IMAGO/Christian Schroedter

Müssen die Kühlpausen während des Spiels angepasst werden?

Dabei können die Umweltbedingungen für die WM 2026 bereits jetzt recht gut vorhergesagt werden. Es gebe bereits drei wissenschaftliche Publikationen über die zu erwartende Hitze bei dem Turnier, führt Meyer aus. Einer, der sich bestens mit der Thematik auskennt, ist sein Doktorand Edgar Schwarz, der sich in seiner Arbeit mit dem Thema Hitze im Fußball beschäftigt und für Untersuchungen bereits in Mexiko, einem der Gastgeberländer, war.

Kommendes Jahr könnte es in den USA ähnlich heiß werden wie aktuell in Teilen der Staaten. Was also tun, um dem Hitze-Problem entgegenzuwirken? "Man könnte sich darüber unterhalten, ob die Schwelle für sogenannte 'Cooling Breaks', also für den Schiedsrichter verpflichtende Pausen, herabgesetzt wird", erklärt Schwarz auf Anfrage unserer Redaktion. Aktuelle liege die Grenze hier bei 32 Grad WBGT. Zudem könne sich Schwarz eine "großzügige Handhabung" bei den Kühlpausen vorstellen, für die keine feste Schwelle besteht.

Was bedeutet WBGT?

  • Im Gegensatz zur üblichen Temperaturmessung bezieht die Wet Bulb Globe Temperature (WBGT) die vier wichtigen Umweltwärmefaktoren Lufttemperatur, Luftfeuchtigkeit, Strahlungswärme und Luftbewegung mit ein.

Was bei der ganzen Hitze-Diskussion häufig außer Acht gelassen wird. Die hohen Temperaturen im Stadion fordern nicht nur die Spieler auf dem Platz, sondern auch die Zuschauer im Stadion – das wird auch bei der WM 2026 so sein. "Man sollte die Zuschauer nicht aus den Augen verlieren, denn die treiben zwar keinen Sport, sind aber oft älter, weniger gesund und können auf ihrem Platz oder beim Einlass ins Stadion nicht so leicht der Hitze entgegenwirken", erklärt Schwarz.

Nach der WM 2026 finden die nächsten Weltmeisterschaften in Spanien, Portugal und Marokko (2030) sowie in Saudi-Arabien (2034) statt. 2028 veranstaltet Los Angeles die Olympischen Spiele. "Das Thema Hitzebelastung wird also wiederkehren", sagt Meyer.

Trinkpause bei der Klub-WM
Aufgrund der teils sehr hohen Temperaturen in den USA gibt es bei den Spielen der Klub-WM immer wieder Trinkpausen. © IMAGO/HMB-Media/Marco Bader

Wie gefährlich (zu viel) Hitze beim Sport werden kann, führt Doktorand Schwarz aus. "Bei Profisportlern werden nicht selten Körperkerntemperaturen von über 40 Grad Celsius beobachtet, aber diese werden meist ohne größere Probleme toleriert und haben keine direkten gesundheitlichen Folgen. In Einzelfällen können jedoch sogenannte Hitzekrankheiten entstehen, wobei die Gründe für deren Auftreten oder Ausbleiben noch nicht für alle Einzelfälle geklärt und vorhersagbar sind."

Solche Hitzekrankheiten verlaufen dem Experten zufolge meist mild, oft leidet der oder die Betroffene unter anderem an Kopfschmerzen, Übelkeit, Abgeschlagenheit oder Schwindel. Im schlimmsten Fall könne jedoch auch ein "belastungsinduzierter Hitzschlag" entstehen, bei dem der oder die Betroffene unter Umständen sogar das Bewusstsein verlieren kann. Wenn dieser Hitzschlag "nicht schnell erkannt und durch aggressive Kühlung behandelt wird, kann das fatal enden", sagt Schwarz. "Zum Glück sind solche tragischen Fälle im Fußball nahezu unbekannt, in anderen Sportarten kommen sie aber gelegentlich vor. So im American Football durch die schwere Ausrüstung, die die Wärmeabgabe erschwert, oder in Ausdauerdisziplinen, weil dort die Wärmeproduktion noch größer ist."

Je höher die Temperatur, desto geringer die Leistung auf dem Platz?

Die Experten nennen auch eine mögliche Erklärung, warum es im Fußball kaum Berichte von schweren belastungsinduzierten Hitzschlägen gibt. Denn bevor es zu einem solchen kommt, werde die Leistung der Spieler automatisch entsprechend verringert. "So finden zum Beispiel weniger Sprints und Tempoläufe statt, auch die Anzahl der Ballkontakte und Pässe pro Spiel nimmt ab. Damit verringern die Spieler, ob bewusst oder unbewusst, ihre Wärmeproduktion und mindern damit ihre Hitzebelastung auf Kosten eines langsameren und weniger intensiven Spiels", sagt Schwarz.

Er selbst habe im Rahmen einer Studie in Mexiko Körperkerntemperaturen von bis zu 40 Grad Celsius gemessen, und das bereits bei einer Außentemperatur von knapp unter 30 Grad. "Auch wenn solche Temperaturen nicht zwangsläufig zu Hitzekrankheiten führen, so stehen sie doch im Zusammenhang mit einem verringerten Wohlbefinden der Spieler und hitzebedingten Beschwerden wie Krämpfen, Kopfschmerzen oder verstärkter Ermüdung", erklärt Schwarz.

England-Trainer Tuchel ließ zuletzt in Hitze-Zelten trainieren

Damit sich die Spieler optimal vor der Hitze schützen können, müsste es Meyer zufolge eine sogenannte Hitzeakklimatisation geben. "Das bedeutet, dass vorab über ein bis zwei Wochen eine Gewöhnung stattfindet, idealerweise am Ort der Wettkämpfe. So wird dem Körper die nötige Anpassungszeit gegeben, zum Beispiel über eine verbesserte Schweißabgabe. Im Profifußball ist dies aber aufgrund der engen Zeitfenster zwischen Saison und Turnieren oft nur schwer zu realisieren."

Etwas Ähnliches versuchte Englands Nationaltrainer Thomas Tuchel zuletzt. Vor dem WM-Qualifikationsspiel gegen Andorra am 7. Juni ließ der Ex-Bayern-Coach im Trainingslager in Spanien in speziell beheizten Zelten Fitnesstests durchführen, um die Bedingungen bei der WM im kommenden Jahr zu simulieren – das berichtete "ESPN" zuletzt.

Hitzebelastung verringern

Am Spieltag selbst gebe es laut Meyer dann Akutmaßnahmen, um die Hitzebelastung zu verringern: Die Spieler müssen in erster Linie auf eine ausreichende Flüssigkeitsaufnahme achten. "Das Schwitzen ist eine sehr effektive körpereigene Kühlmethode, die aber nur optimal funktioniert, wenn man ausreichend Wasser im Körper hat. Zusätzlich können Sportler externe oder interne Kühlmethoden verwenden", sagt Meyer. Dazu zählen unter anderem in Eiswasser getauchte Handtücher, Kühlwesten oder die berühmt-berüchtigte Eistonne. Letzteres ist ein Mittel, das die Bayern-Stars während der Klub-WM bereits genutzt haben.

Schwarz weist auf die Wichtigkeit der zusätzlichen Trink- und Kühlpausen während Spielen bei besonders hohen Temperaturen hin. Studien, die unter anderem auch von der Fifa unterstützt wurden, zeigen ihm zufolge klar auf, dass eine solche Pause bereits helfe, die Hitzebelastung bei den Spielern zu verringern.

Daneben müsse man auch auf den Schutz vor der unmittelbaren Sonneneinstrahlung achten. Ein Aspekt, der aktuell auch bei der Klub-WM besonders wichtig ist, da durch ein fehlendes Dach häufig in der prallen Sonne gespielt wird. "Dabei geht es nicht nur um Sonnenbrände, sondern auch um einen Beitrag zu den schwereren Hitzeerkrankungen." Die Spieler selbst könne man natürlich nur während des Aufwärmens, in der Halbzeit oder den Trinkpausen vor der Sonne schützen, zum Beispiel mit Schirmen oder anderen Abdeckungen. Deutlich wichtiger sei das Thema laut Schwarz aber für die Zuschauer – und davon wird es auch bei der Fußball-WM 2026 wieder Zigtausende geben.

Über die Gesprächspartner

  • Prof. Dr. Tim Meyer ist Direktor des Instituts für Sport- und Präventivmedizin der Universität des Saarlandes. Von 2001 bis 2021 war er Mannschaftsarzt der deutschen Fußball-Nationalmannschaft. Meyer ist Mitglied der Medizinischen Kommission des Deutschen Olympischen Sportbundes sowie Vorsitzender des Medical Committee der Uefa. Bei der Euro 2024 in Deutschland war er Chief Medical Officer.
  • Edgar Schwarz ist Doktorand von Meyer, in seiner Arbeit befasst er sich intensiv mit dem Faktor Hitze bei Fußballspielen. Von der DFL hat er ein Stipendium erhalten, zudem sind seine Studien teilweise von der Uefa gefördert. Einen Teil seiner Untersuchungen machte er in Mexiko, wo unter anderem die Fußball-WM 2026 stattfindet.

Verwendete Quellen