Fifa-Präsident Gianni Infantino will den Fußball im Nahen Osten wiederbeleben – und begibt sich auf gefährliches Terrain.
Noch vor zwei Wochen erklärte Gianni Infantino, die Fifa könne keine geopolitischen Probleme lösen. Jetzt steht er neben
Die Ankündigung, sämtliche Fußballanlagen in Gaza wieder aufzubauen, klingt nach einem starken Zeichen für den Fußball als Mittel zur Völkerverständigung. Tatsächlich ist es vor allem ein Beleg dafür, wie sehr sich die Fifa von ihrer proklamierten Neutralität verabschiedet hat. Der Weltverband, der einen Ausschluss Israels trotz massiven Drucks vermied, positioniert sich nun als Akteur im Friedensprozess. Das ist neu. Und es ist riskant.
Denn Infantinos Versprechen kommt nach einem Friedensgipfel mit globalen politischen Implikationen. Die Staatschefs der USA, Ägyptens, der Türkei und Katars unterzeichneten ihre Friedenserklärung, während die letzten 20 überlebenden Geiseln nach Israel zurückkehrten und fast 2.000 Palästinenser aus israelischer Haft entlassen wurden. In diesem historischen Moment macht sich die Fifa zur Erfüllungsgehilfin eines Friedensplans, dessen Nachhaltigkeit niemand garantieren kann.
Vom Weltverband zum Weltpolitiker
Die frühere Zurückhaltung der Fifa zu politischen Konflikten wird durch diese Initiative nicht nur herausgefordert – sie wird pulverisiert. Das eigentlich Verstörende an Infantinos Auftritt ist nicht sein Opportunismus – den kennen wir. Aber er hat jetzt die Büchse der Pandora geöffnet. Wenn die Fifa in Gaza Stadien baut, warum dann nicht auch in der Ukraine? In Myanmar? In Xinjiang? Der Weltverband hat sich selbst zum politischen Akteur erklärt und muss nun mit den Konsequenzen leben.
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Es ist die Selbstverständlichkeit, mit der er die Autonomie des Fußballs der Weltpolitik opfert. Die Fifa wird zum Instrument amerikanischer Außenpolitik, und Infantino scheint das nicht einmal zu bemerken. Oder schlimmer: Es ist ihm egal.
Der Wiederaufbau von Fußballplätzen in Gaza ist zweifellos notwendig und richtig. Aber wenn dieser Wiederaufbau nur stattfindet, weil ein US-Präsident den Fifa-Boss zu seinem Friedensgipfel einlädt, dann hat der Weltfußball ein Problem. Er macht sich abhängig von politischen Konjunkturen und verliert das, was ihn stark gemacht hat: seine Unabhängigkeit.
Über den Autor
- Pit Gottschalk ist Journalist, Buchautor und ehemaliger Chefredakteur von SPORT1. Seinen kostenlosen Fußball-Newsletter Fever Pit'ch erhalten Sie hier.
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