Die Südamerikaner, allen voran die Vereine aus Brasilien, trumpfen in der Gruppenphase der Klub-WM groß auf. Eine Sportjournalistin aus São Paulo erklärt die Unterschiede zu Europas Topklubs - und wie die Fans ticken.

Ein Interview

Bei der Klub-WM 2025 in den USA erlebt die geballte Fußballwelt derzeit eine bemerkenswerte Dominanz der Brasilianer. Alle vier brasilianischen Teams – Flamengo, Palmeiras, Botafogo und Fluminense – stehen im Achtelfinale.

Alle vier Vertreter Brasiliens blieben in ihren ersten drei Partien ungeschlagen. Dabei begeisterten sie mit ihrer schnellen und taktisch progressiven Spielweise sowie der enormen Unterstützung von den Rängen.

Während sich viele europäische Klubs schwertun oder bereits ausgeschieden sind, beglücken die südamerikanischen Teams ihre frenetischen Fans mit spektakulären Erfolgen.

Flamengo besiegt Chelsea völlig verdient 3:1. Botafogo feiert gar einen Überraschungserfolg gegen den frisch gebackenen Champions-League-Sieger, Paris Saint-Germain.

Brasilien-Expertin: "Sind es gewohnt, dass unsere Talente als Teenager nach Madrid wechseln"

Was ist das Erfolgsrezept der Klubs aus Brasilien, die in den großen Stadien in den USA großartig unterstützt werden? Und warum sorgt ausgerechnet diese Klub-WM, die erstmals mit 32 Teams ausgetragen wird, gerade bei südamerikanischen Fans für eine so intensive Begeisterung?

Um diesen Fragen auf den Grund zu gehen, haben wir mit Julia Ferratoni gesprochen. Die 24-jährige Brasilianerin aus São Paulo arbeitet als Video-Reporterin für den YouTube-Kanal PELEJA, der sich vor allem mit der Fankultur des Fußballs in Brasilien und Südamerika beschäftigt.

V.l.n.r.: PELEJA-Journalistin Julia Ferratoni, Estêvão bei der Klub-WM, Palmeiras-Fans in den USA.
V.l.n.r.: Julia Ferratoni vom YouTube-Kanal "Peleja", Estêvão bei der Klub-WM, Palmeiras-Fans in den USA. © privat/IMAGO

Worin unterscheiden sich südamerikanische Fußballfans von europäischen?

Julia Ferratoni: Ich glaube, ein zentraler Unterschied liegt darin, wie der Fußball in Südamerika konsumiert wird – und welche Alternativen zur Unterhaltung es hier im Vergleich zu Europa überhaupt gibt. Fußball ist viel stärker im gesellschaftlichen Alltag verankert.

Allerdings ist es schwer, von der einen südamerikanischen Fußballkultur zu sprechen. Jedes Land hat seine eigene Art, Fußball zu leben. Argentinien und Brasilien zum Beispiel haben völlig unterschiedliche Fankulturen und Beziehungen zu ihren Klubs.

"Der spanische Trainer Luis Enrique hat kürzlich über das 'geringe Selbstwertgefühl' Südamerikas gesprochen - das trifft es gut."

Palmeiras-Fan Julia Ferratoni, Sportjournalistin

Warum scheint die Unterstützung durch südamerikanische Fans bei dieser Klub-WM deutlich größer als die der europäischen? Liegt das nur an der geografischen Nähe zu den USA?

Ferratoni: Die Begeisterung hier ist riesig – aber nicht nur wegen der Nähe. Vielmehr geht es um die Bedeutung des Turniers. Der spanische Trainer Luis Enrique (Anm. d. Red.: Trainer von PSG, dem Sieger der Champions League 2025) hat kürzlich über das "geringe Selbstwertgefühl" Südamerikas gesprochen – und das trifft es gut.

Wir sind es gewohnt, dass unsere besten Talente schon als Teenager nach Madrid oder London wechseln (Anm. d. Red.: Palmeiras' Offensiv-Juwel Estevao, 18 Jahre jung, wechselt diesen Sommer für 60 Millionen Euro zum FC Chelsea).

Supertalent Estêvão (unten links) klatscht sich nach dem 2:0-Sieg über Al-Ahly mit den Fans ab.
Supertalent Estêvão (unten links) klatscht sich nach dem 2:0-Sieg über Al-Ahly mit den Fans ab. © Sportimage/IMAGO/Jonathan Moscrop

Wenn unsere Klubs nun endlich gegen die europäischen Giganten spielen – und sie vielleicht sogar schlagen –, dann ist das weit mehr als nur ein Sieg. Es zeigt uns, was wir hier ohnehin sehen: Unsere Ligen sind stark und hart umkämpft, aber international immer noch unterrepräsentiert. Kein Wunder, dass die Fans ausflippen.

Die Distanz war für unsere Fans übrigens nie ein Problem – 2012 reisten Tausende Corinthians-Anhänger nach Japan zur Klub-WM. In Brasilien kommt das neue Format super an.

Vor Reise zur Klub-WM: Palmeiras-Ultras organisierten kostenlose Englischkurse

Reisen viele Fans aus Südamerika eigens zur diesjährigen Klub-WM, oder sind es vor allem Auswanderer, die in den USA leben und ins Stadion gehen?

Ferratoni: Beides. Viele Stadionbesucher sind südamerikanische Einwanderer, die ihre Klubs sonst nie live sehen können. Aber wir haben auch eine starke Auswärtskultur. In Brasilien heißen die organisierten Fan-Gruppen Torcidas Organizadas, in Argentinien Barras Bravas.

Diese Gruppen begleiten ihre Teams zu jedem Spiel – natürlich auch zur Klub-WM. Ich kenne zum Beispiel eine Ultra-Gruppe von Palmeiras namens Rasta, die sogar kostenlose Englischkurse für reisende Fans organisiert hat. Für viele ist das eine einmalige Chance – niemand weiß, ob der eigene Klub jemals wieder dabei sein wird.

Brasilien-Expertin: "Europäische Vereine haben Klub-WM lange als Vorbereitungsturnier betrachtet"

Trägt die starke Fan-Unterstützung auch zum sportlichen Erfolg der südamerikanischen Klubs bei? Oder gibt es andere Gründe?

Ferratoni: Die Unterstützung kann definitiv einen Unterschied machen. Ich finde, die Fans auf den Rängen spielen eine große Rolle. Ihre Präsenz gibt den Spielen, die ja in fremden Ländern stattfinden, ein Gefühl von Heimat. Das macht es für die Spieler leichter.

Die Palmeiras-Fans feiern den 2:0-Sieg gegen Al-Ahly bei der Klub-WM.
Die Fans von Palmeiras, einem Klub-WM-Teilnehmer aus der Großstadt Sao Paulo, feiern den 2:0-Sieg gegen Al-Ahly. © IMAGO/Eibner-Pressefoto/Scott Coleman

Natürlich ist das nicht der einzige Grund. Es gibt viele Faktoren. Europäische Klubs haben die Klub-WM lange als Vorbereitungsturnier betrachtet – das ändert sich jetzt langsam. In Südamerika hingegen wurde das Turnier von Anfang an ernst genommen. Das zeigt sich auch in den Ergebnissen.

Verwendete Quellen: