Während die reformierte Klub-WM der Fifa vor allem in Europa besonders kritisch beäugt wird, kennt die Euphorie in Südamerika ob des neuen Turniers keine Grenzen. Die Fans der Brasilianer und Argentinier sorgen für Party-Stimmung und volle Stadien, bei anderen Spielen bleiben hingegen Tausende Plätze leer. Kurz vor dem Ende der Gruppenphase werden die zwei Gesichter der Klub-WM besonders deutlich.

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Erst dem FC Bayern gelang es, die Südamerika-Serie bei der Klub-WM in den USA zu beenden: Bis zum knappen 2:1-Erfolg der Münchner gegen die Boca Juniors blieben die Vertreter aus Südamerika ungeschlagen.

Vier Teams aus Brasilien und zwei aus Argentinien sind bei der Klub-WM dabei – und ebenjene Teams sind es auch, die teilweise schon für große Überraschungen in den USA sorgten und so ihre Fans zum Ausflippen brachten.

Botafogo und Flamengo sorgten für Überraschungen

Zwei Spiele stachen dabei besonders ins Auge, beide ereigneten sich am zweiten Gruppenspieltag: Zunächst setzte sich Brasilien-Klub Botafogo gegen den amtierenden Champions-League-Sieger Paris Saint-Germain mit 1:0 durch. Einige Stunden später folgte Flamengo, ebenfalls aus Brasilien, und düpierte den englischen Top-Klub FC Chelsea mit 3:1. Beide Klubs aus Rio de Janeireo zeigten der europäischen Konkurrenz kurzerhand, wie es geht.

Ergebnisse wie diese haben zeitweise für eine kuriose Tabellenkonstellation gesorgt. Denn nach dem zweiten Spieltag in der Vorrunde führten alle vier Vertreter aus Brasilien (neben Botafogo und Flamengo sind noch Palmeiras aus Sao Paulo und Rio-Klub Fluminense dabei) ihre jeweiligen Gruppen an.

Brasiliens Liga ist wegen der Klub-WM unterbrochen

Es wird deutlich: Die Klubs aus Südamerika – und vor allem Brasilien – scheinen die Klub-WM besonders ernst zu nehmen. Wohl auch deshalb, weil beim komplett reformierten Turnier der Fifa Millionen an Preisgeld zu holen sind. Die brasilianische Liga, die aktuell eigentlich in vollem Gange ist, wurde sogar extra für die vier Vereine, die an der Klub-WM teilnehmen, unterbrochen. Los geht es dort erst wieder am 12. Juli, einen Tag vor dem Finale der Klub-WM.

Doch nicht nur auf dem Platz begeistern die Vertreter aus Südamerika, sondern auch auf den Rängen. Die Spiele mit brasilianischer und argentinischer Beteiligung sind deutlich besser besucht als viele Spiele mit europäischen oder arabischen Klubs. Besonders, wenn die Boca Juniors oder River Plate aus Argentinien sowie Brasilien-Klub Flamengo spielen, herrscht Party-Stimmung ohne Ende im Stadion.

Die Boca-Fans gelten als besonders leidenschaftlich
Die Boca-Fans gelten als besonders leidenschaftlich. © IMAGO/Xinhua/Huang Zongzhi

Boca-Fans feiern am Strand von Miami

Viele Fans sorgen auch in den US-Städten für beste Laune. Die Bilder von feiernden Boca-Fans am Strand von Miami gingen innerhalb kürzester Zeit um die Welt.

Boca-Fans lassen es vor Bayern-Spiel krachen

Boca-Fans lassen es vor Bayern-Spiel krachen

Fans des Club Atlético Boca Juniors haben am Strand von Miami ein buntes Spektakel veranstaltet, zur Unterstützung bei der Klub-Weltmeisterschaft. Dort tritt ihre Mannschaft in der Nacht zu Samstag gegen den FC Bayern an.

Ganz anders sah es da zum Beispiel beim Eröffnungsspiel zwischen Messi-Klub Inter Miami und Al-Ahly aus. Für die Partie ging die Fifa wenige Tage vor dem Turnierstart massiv mit den Ticketpreisen nach unten, am Ende wurden Eintrittskarten teilweise sogar an Studenten verschenkt, um das Stadion voll zu bekommen.

"Das ganz Umfeld war ein bisschen eigenartig. Das Stadion war fast leer."

Chelsea-Trainer Enzo Maresca nach dem ersten Gruppenspiel

Besonders sichtbar und damit besonders gravierend war das Zuschauerproblem bei der Klub-WM beim ersten Auftritt des FC Chelsea. Beim 2:0 gegen den Los Angeles FC blieben rund 50.000 Plätze im Mercedes-Benz-Stadium in Atlanta (71.000 Plätze) leer. "Das ganz Umfeld war ein bisschen eigenartig. Das Stadion war fast leer", sagte "Blues"-Trainer Enzo Maresca anschließend über die Atmosphäre des Nachmittagsspiels.

Euphorisch, fast schon fanatisch feiernde Fans aus Brasilien und Argentinien auf der einen Seite – teils maue Zuschauerzahlen, wenn europäische Top-Klubs spielen, auf der anderen. Die Klub-WM zeigt bereits in der Vorrunde ihre zwei Gesichter.

Watzke wirft Europäern "Arroganz" bei Klub-WM vor

BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke fand angesichts der Unterschiede bei der Klub-WM deutliche Worte, den europäischen Klubs und Fußball-Fans warf er eine "Arroganz" im Umgang mit dem Turnier vor. "Hier vor Ort bekommen wir mit, wie begeistert die Südamerikaner, die Asiaten und die Afrikaner dieses Turnier begleiten. Für sie hat es einen Wert wie für uns die Champions League", sagte Watzke in einem "Sport Bild"-Interview.

"Vielleicht sind wir Europäer aber auch etwas zu arrogant. Aber diese Arroganz holt uns gerade etwas ein, denn wir sehen nun, wie stark der südamerikanische Fußball ist", meinte der BVB-Boss weiter. Die Dortmunder kamen im ersten Gruppenspiel nicht über ein 0:0 gegen Fluminense hinaus.

Drei von vier Brasilien-Klubs sind bereits weiter

Für die Vereine aus Brasilien läuft es weiterhin bestens: Palmeiras beendete die Gruppe A auf dem ersten Platz, vor Messi und Inter Miami sowie dem FC Porto. In der Gruppe B setzte sich Botafogo in der vermeintlichen Todesgruppe mit PSG und Atlético Madrid durch und wurde letztendlich Zweiter hinter den Franzosen. Im Achtelfinale kommt es damit zu einem rein brasilianischen Duell.

Flamengo in Gruppe D war bereits vor dem abschließenden Gruppenspiel für die K.-o.-Runde qualifiziert, nach dem eher unspektakulären 1:1 gegen Los Angeles stehen sie dennoch an der Spitze, noch vor dem FC Chelsea. Im Achtelfinale geht es für die Schwarz-Roten jetzt gegen den FC Bayern.

Und auch in Dortmunds Gruppe F steht mit Fluminense aktuell noch ein Verein aus Brasilien ganz oben, ebenso wie Argentinien-Vertreter River Plate in Gruppe E. Einzig die Boca Juniors in der Bayern-Gruppe C sind bereits ausgeschieden, die Argentinier blamierten sich zum Abschluss der Gruppenphase gegen das Amateur-Team aus Auckland, indem sie nur Unentschieden spielten.

Brasilien bietet Europas Elite die Stirn

"100 Prozent Respekt, null Angst", lautete die Ansage von Botafogo-Trainer Renato Paiva vor dem PSG-Spiel. Bei Klub-Weltmeisterschaften hatten Brasilianer seit 2005 nur dreimal Europäer besiegt, zuletzt 2012, jeweils mit 1:0, sturer Defensive und einem tödlichen Konter. Diesmal sieht es ganz anders aus: Die Brasilianer bieten Europas Elite die Stirn.

Flamengo-Coach Filipe Luis sprach nach dem überzeugenden Sieg gegen Chelsea von "acht oder zehn Klubs", die wegen ihres Kaders weltweit hoch überlegen seien, aber dahinter kämen schon die Brasilianer. Gründe nannte der ehemalige Verteidiger von Atlético Madrid ebenfalls direkt: In der Liga und auf dem Kontinent seien die Spieler einen intensiven Spielkalender, Qualitätsunterschiede beim Rasen, kurzfristige Klimawechsel, lange Reisen und vor allem breite Konkurrenz gewohnt.

Also alles, was die Klub-WM zum Streitthema macht – vor allem in Europa, wo das Fifa-Turnier noch immer besonders in der Kritik steht und von Fußball-Romantikern konsequent abgelehnt wird.

Eigene Fan-Zone für die Klub-WM an der Copacabana

Anders in Brasilien, wo die Klub-WM längst ein Quotenhit ist. Mediengigant Globo schmiss dafür sogar sein Telenovela-Programm komplett um, weil 16 Marken für Werbung in den vier Turnierwochen umgerechnet 80 Millionen Euro hinblättern.

An der Copacabana wurde extra eine Fan-Zone aufgebaut, die von Spiel zu Spiel enger, lauter, wilder wird – und doch kein Vergleich ist zu dem, was in den USA gerade passiert, wo die Fans der Brasilien- und Argentinien-Klubs für Party-Stimmung in den Stadien und Städten sorgen.

Doch am Ende geht es – wie mittlerweile im Fußball-Business üblich – auch oder nur ums Geld. Das hat Botafogo verstanden und investierte im vergangenen Jahr 65 Millionen Euro in Neuzugänge, die sich mit dem Gewinn der Copa Libertadores und der heimischen Meisterschaft auszahlten. Flamengo bewegt sich mit gut 200 Millionen Euro Gesamt-Einnahmen auch auf hohem internationalen Niveau, was sich ebenfalls auf dem Rasen widerspiegelt.

Die große Euphorie rund um die Klub-WM in Brasilien will der nationale Fußballverband CBF nutzen, um sich als Gastgeber der nächsten Auflage des Fifa-Turniers ins Spiel zu bringen. Die Fans von Flamengo, Botafogo und Co. geben in den USA jedenfalls schonmal eine beeindruckende Empfehlung für ein mögliches Fußball-Fest in Südamerika ab.

Verwendete Quellen

  • sid
Teaserbild: © IMAGO/Nicolo Campo