Kein Rennen im Ski-Weltcup zieht mehr Aufmerksamkeit auf sich als die Streif in Kitzbühel. Die ehemalige deutsche Topfahrerin Viktoria Rebensburg erklärt, was das Besondere beim Hahnenkammrennen ist und wie die Fahrer mit den vielen Stürzen zuletzt umgehen.

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Volle Konzentration vor dem Start. Geplaudert wird hier nicht mehr. Das sagte schon der deutsche Abfahrer Max Rauffer vor über 20 Jahren: „Vor der Streif herrscht Totenstille. Da hat jeder genug mit sich selbst zu tun." Genug damit zu tun, diese Höllenabfahrt verletzungsfrei zu meistern.

Sie ist eine der schwierigsten Abfahrten im alpinen Ski-Zirkus und die mit Sicherheit spektakulärste – nicht zuletzt wegen des Spektakels drumherum. "Das ist der Mythos um die Strecke", sagt Viktoria Rebensburg, Olympiasiegerin im Riesenslalom 2010, im Gespräch mit unserer Redaktion. "Sie hat eine besondere Tradition, es ist eine der schwierigsten und spektakulärsten Abfahrten im Weltcup." Doch auch das Drumherum mache den Reiz des Ereignisses aus.

Nur wenige Strecken sind technisch so anspruchsvoll

Mit rund 80 Kilometern pro Stunde geht es schon auf die Mausefalle zu, es ist gleich eine der heikelsten Stellen der Strecke, mit einem Gefälle von 85 Prozent. Auf der 3312 Meter langen Strecke beträgt die durchschnittliche Neigung 27 Prozent. Den Brückenschuss – die schmalste Stelle – durchfahren die Athleten mit einer Geschwindigkeit von bis zu 110 Kilometern pro Stunde.

Die Hausbergkante ist die spektakulärste Stelle mit immerhin fast 70-prozentiger Neigung. Die Fliehkraft, die auf den Körper des Athleten einwirkt, liegt bei 3,5G. Nach der Traverse, der unruhigsten Stelle, fahren die Skirennläufer über den Zielschuss in die Zielgerade ein, mit bis zu 140 Kilometern pro Stunde. 860 Höhenmeter haben die Athleten am Schluss überwunden.

Lindsey Vonn: Erste Frau seit 1961, die auf der Streif fuhr

Extreme Kräfte wirken bei extremer Geschwindigkeit auf den Körper ein. Nur ein massiver Körper mit extremer Muskelkraft und Widerstandskraft kann dem entgegenhalten. Die besten deutschen Skirennläuferinnen der vergangenen Jahre lehnen Frauen-Starts aus diesen Gründen ab. Für sie sei das nie ein Thema gewesen, die Streif zu fahren, sagt Rebensburg. "Wenn es extrem eisig und unruhig ist, braucht man gar nicht darüber nachzudenken, dann ist es ja schon für die Männer enorm schwierig." Für Frauen ist es aufgrund des Körperbaus noch schwieriger, den Kräften standzuhalten.

Es habe hier schon so viele schlimme Stürze gegeben, sagte Maria Höfl-Riesch vergangenes Jahr dem "Tagesspiegel", "das sehe ich nicht als Diskriminierung, dass Frauen hier außen vor sind."

Die erste und bisher einzige Frau auf der Streif ist Lindsey Vonn. Die Amerikanerin fuhr 2023, also nach ihrem Karriereende, außer Wertung. Für Rebensburg eine große Leistung, aber: "Ihre Fahrt ist nicht vergleichbar mit den Rennbedingungen bei den Männern", sagt die 34-jährige zweimalige Vizeweltmeisterin. Bis 1961 fuhren allerdings auch Frauen auf der Strecke, damals gewann Traudl Hecher aus Österreich.

Die Streif: Nicht nur wegen des Rennens legendär

"Die Kitzbühel-Woche ist keine normale Woche", sagt Rebensburg. Das Hahnenkammrennen in Kitzbühel ist Glamour pur: Für die Athleten natürlich, die bewundert, bejubelt und besungen werden. Für die Promis, die sich beim Rennen selbst und auf den zahlreichen Partys rund um das berühmte Rennen feiern lassen – gern gesehene Gäste sind etwa (und nicht nur) die ehemalige Topfahrerin Lindsey Vonn und Hollywood-Star Arnold Schwarzenegger.

Und nicht zuletzt ist es genau deshalb ein Spektakel für Zuschauer und Journalisten im 8.300-Einwohner-Ort in Tirol. Laut Veranstalter, dem Kitzbüheler Ski-Club, sind pro Jahr rund 700 Journalistinnen und Journalisten für das Event akkreditiert. Das ganze Dorf in dieser dritten Januarwoche stets zur Partymeile: Die Pubs und Kneipen sind voll, man weiß, welche die Prominenz besucht. DJs sorgen im Ortsinneren auf Bühnen für Stimmung, es gibt viele Essens-, Getränke- und Werbestände, die es in anderen Orten bei Weltcuprennen nicht gibt.

Trüben die Stürze die Rennen in Kitzbühel?

Drei schwere Stürze in drei Tagen: Das Weltcup-Wochenende in Wengen war getrübt durch die Unfälle von Marco Kohler (Kreuz- und Innenbandriss), Alexis Pinturault (Kreuzbandriss) und Aleksander Aamodt Kilde (Fleischwunde, ausgekugelte Schultern).

Die Freude, beim Höllenritt des Jahres dabei zu sein, werden die Vorkommnisse für die Fahrer nicht trüben, sagt Rebensburg. "Als Athlet muss man sich nicht groß für Kitzbühel motivieren", sagt sie. Unfälle auf der Strecke versuche man als Rennläufer generell auszublenden, stattdessen konzentriere man sich auf das, was der Trainer sagt. Das trockene und kalte Wetter habe zuletzt dazu beigetragen, dass die "Streif in einem super Zustand ist", sagt sie. Perfekte Bedingungen für die Athleten. Damit das Spektakel dann hoffentlich für alle gut ausgeht.

Über die Gesprächspartnerin

  • Viktoria Rebensburg ist eine ehemalige deutsche Skirennläuferin, die besonders im Riesenslalom Erfolge feiern konnte.

Verwendete Quellen

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