Es kann schwerfallen, all die Nachrichten zu zählen, denen zufolge die US-Regierung ihre eigene Demokratie gerade in Stücke schlägt. Jan Böhmermann trug am Freitagabend all die Nachrichten einmal zu einem Gesamtbild zusammen. Einem deprimierenden Gesamtbild. Eines, das auch in Deutschland möglich ist?
Es waren interessante Neuigkeiten, die das Wochenmagazin "Stern" in dieser Woche verkündete. Genau genommen waren es keine Neuigkeiten, sondern eher Mutmaßungen, aber sie besagten mit viel "soll" und "wäre", dass das ZDF ab kommendem Jahr die Anzahl der Ausgaben von
Was auch immer dran ist an der möglichen Reduzierung, sie fällt in eine Zeit, in der Late-Night-Shows unter Druck stehen – allerdings nicht in Deutschland, sondern in den USA. "Bei uns in Europa, bei uns in Deutschland ist zurzeit ja vieles nicht in Ordnung, …", steigt Böhmermann ins Thema des Abends ein und fährt fort: "… aber auch wenn's bei uns Grund zu meckern gibt, genug Grund, zu meckern: Wir können doch gemeinsam froh sein, dass es bei uns noch nicht so schlimm ist, wie in den USA."
"Die Vereinigten Staaten sind ein autoritäres Regime"
Was Böhmermann meint, ist die, inzwischen nur kurzfristige, Absetzung der Show "
"Meinungsfreiheit bis der Urologe weint", scherzt Böhmermann und erklärt: "Spätestens das ist der Beweis: Deutschland ist inzwischen besser als die USA, ganz allgemein, kulturell und politisch. Nicht, weil wir besonders gut wären, sondern weil die USA gerade mies verscheißen." Was das ist, was "die USA gerade mies verscheißen", das ist das Thema der jüngsten Ausgabe und wird nun von Böhmermann detailliert ausgerollt. Als Ausgangspunkt lässt er den Philosophen Jason Stanley von der Universität Toronto zu Wort kommen.
Stanley glaubt, dass die Demokratie in den USA schon längst vorbei ist: "Die Vereinigten Staaten sind ein autoritäres Regime. Wir können diskutieren, ob es faschistisch ist oder nicht, aber wir haben keine Grenzen mehr." Als Beispiele zeigt Böhmermann unter anderem Bilder von Nationalgardisten in L.A., von Polizisten und ICE-Agenten, die eine Mutter von ihrem Kind trennen oder einen Bericht über Unternehmen, die Maßnahmen gegen ihre Angestellten ergreifen, nachdem die sich öffentlich über die Ermordung von Charlie Kirk geäußert hatten.
Das Verschwörungsmärchen vom "Deep State"
Weiteres Indiz für die Entfernung der USA von der Demokratie: die Einstufung der Antifa als terroristische Vereinigung. "Antifaschismus war mal US-amerikanischer Stolz", verweist Jan Böhmermann auf die Rolle der USA als Gegner von Nazi-Deutschland, jetzt nutze die US-Regierung aber den Tod Kirks dazu, politische Gegner zu verfolgen. "Das ist politische Willkür", so Böhmermann. Diese Verfolgung politischer Gegner habe allerdings Methode, erklärt der Satiriker und um diese Methode zu veranschaulichen, zitiert Böhmermann den amerikanischen Verschwörungsmärchen-Erzähler Alex Jones: "Der Demokraten-Deep-State hat Charlie Kirk getötet […]."
"Was ist denn dieser Deep State?", fragt Böhmermann rhetorisch und zitiert als Antwort einen Bericht des "Handelsblatt": "[…] Der Deep State, der tiefe Staat, bezeichnet eine in rechten US-Kreisen weit verbreitete Theorie: dass Geheimdienste, Sicherheitsbehörden und Ministerialbeamte eine Art Schattenregierung bilden, die ihre eigene Agenda verfolgt und sich der Kontrolle durch Präsident und Parlament entzieht." "Lustig liebe Mitdeutschen: So was Ähnliches hat der Führer unseren Großeltern damals auch erzählt", zieht Böhmermann eine Parallele und zitiert dann US-Präsident
Der Grund für diese Aussage sei, laut Böhmermann, "damit ihm so was nicht nochmal passiert". "So was", das sind Schlagzeilen wie diese: "US-Justizminister widerspricht Trump", "Trump droht Verfahren zur Amtsenthebung" oder "Ermittelte das FBI gegen Präsident Trump?" Um den "Deep State", also politische Gegner, "zu zerschmettern", braucht Trump Hilfe und bekäme sie unter anderem von FBI-Direktor Kash Patel, über den die "New York Times" schrieb: "Hinter den Kulissen nimmt [Patels] Vision des FBI unter Präsident Trump still und leise Gestalt an. FBI-Agenten wurden gezwungen, zu gehen. Andere wurden ohne Begründung zurückversetzt oder beurlaubt. Außerdem zwingt Patel seine Mitarbeitenden zu Lügendetektortests, mit dem Ziel, die Quellen von Leaks aufzuspüren."
Zusammenbruch der Demokratie vor unseren Augen
Weitere Helfershelfer seien unterwürfige Tech-Milliardäre wie Tim Cook oder Mark Zuckerberg oder Russell Vought, Chef des Office of Management and Budget, der in einem CNN-Bericht detailliert seine Pläne erklärt: "Ich will derjenige sein, der den Deep State zerschlägt. Ich denke, es gibt viele verschiedene Möglichkeiten, dies zu erreichen. Man kann [dem Deep State] die Mittel entziehen. Mann kann Gelder einbehalten, also die Möglichkeit, Ausgaben zurückzuhalten. Man kann ihnen ihre Unabhängigkeit nehmen."
All das folge dem "Project 2025", einem "politischen Masterplan erzkonservativer Denkfabriken", um den Staat umzubauen und dem Präsidenten mehr Macht zu sichern. "Vor unseren Augen stirbt gerade die amerikanische Demokratie. Die US-amerikanische Demokratie", zieht Böhmermann sein eigenes Fazit und zitiert das eines anderen, nämlich des Rechtswissenschaftlers Prof. Jon D. Michaels von der UCLA und der sagte im August 2024: "Statt den angeblichen Deep State auszurotten, zielt Trump darauf, tatsächlich einen Staat im Staate zu errichten – mit dem Ziel, eine Regierung zu bilden, die mächtiger und parteiischer ist als jemals zuvor in der Geschichte des Landes."
Aber Böhmermanns Rolle ist an diesem Freitagabend nicht nur die desjenigen, der all diese Fakten zum Demokratieverlust in den USA zusammen- und weitergetragen hat. Böhmermann macht auch auf die Dimension aufmerksam, dass all das, der Zusammenbruch der US-amerikanischen Demokratie, gerade live und direkt vor unseren Augen abläuft: "Und das alles passiert jetzt gerade, während Sie vorm Fernseher sitzen und nach alten Bifis in der Sofaritze wühlen", hält Böhmermann fest und erklärt: "Die US-amerikanische Demokratie, der wir unsere deutsche Demokratie zu verdanken haben, macht unsere alten deutschen Fehler. […]"
War da nicht was?
Nun ist eine Bestandsaufnahme das eine und der Hinweis auf historische Parallelen das andere. Was aber bislang fehlt, ist der Blick Böhmermanns auf das Deutschland der Gegenwart und damit auf die Einflusssphäre, die seine Zuschauer haben. Kann so etwas Ungeheuerliches auch in Deutschland passieren? Gibt es hier nicht auch eine Partei, die die Demokratie abschaffen will? Gibt es hier nicht Politiker, die Trump und dessen milliardenschweren Unterstützer Elon Musk vor kurzem noch schöne Augen gemacht haben? War da nicht was?
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Die Antwort liefert Böhmermann ganz am Schluss. "So was wie da drüben kann bei uns nicht noch mal passieren …", beginnt Böhmermann, ehe eine Meldung des Bayerischen Rundfunks eingeblendet wird, in der es heißt: "In einem Interview […] im November 2024 behauptete […] Parteichefin Alice Weidel, ein 'tiefer Staat' in Deutschland würde Lügen über die AfD verbreiten und gezielt versuchen, die AfD zu diskreditieren."